Gesetzestext

 

(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie

1. entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder
2. entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.

(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn

1. ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand;
2. ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt;
3. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist;
4. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist;
5. beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält eine abschließende Aufzählung aller Aufhebungsgründe. Die in I aufgeführten Tatbestände beziehen sich auf Verstöße gegen Eheschließungsvorschriften. II betrifft Fehler bei der Bildung des Eheschließungswillens (Nr 1–4) oder die Missbilligung des Motivs zur Eheschließung im Fall der Scheinehe (Nr 5). Wenn offenkundig ist, dass die beabsichtigte Eheschließung nach II aufhebbar wäre, muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung ablehnen (§ 13 II PStG).

 

Rn 2–3

[nicht besetzt]

B. Eheschließungsfehler (Abs 1).

I. Verstoß gegen § 1303 (Ehemündigkeit).

 

Rn 4

Aufhebbar kann eine Ehe sein, wenn ein Ehegatte bei Eheschließung minderjährig (mindestens 16-jährig) war. Die Norm räumt dem Gericht ein eingeschränktes Ermessen ein (BGH FamRZ 20, 1533). Bei einer Eheschließung mit einem Minderjährigen unter 16 Jahren liegt eine Nichtehe vor, aus der keine Rechte oder Pflichten erwachsen, die nicht bestätigt werden kann und daher auch nicht aufhebbar ist.

 

Rn 5

Wird die Ehe mit einem mindestens 16-jährigen Minderjährigen geschlossen, entfällt die Aufhebbarkeit, wenn entweder der Minderjährige inzwischen volljährig geworden ist und die Ehe bestätigt wird (§ 1315 I 1 Nr 1 – 1. Alt) oder die Aufhebung eine außergewöhnliche Härte für den Minderjährigen bedeuten würde (§ 1315 I 1 Nr 1 2. Alt). Letzteres ist anzunehmen, wenn eine Ehe unter Beteiligung eines das 16. Lebensjahr vollendeten Minderjährigen im EU-Ausland wirksam geschlossen worden war und die Aufhebung der Ehe das Recht auf Freizügigkeit nach Art 21 AEUV und die Rechte der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt nach Art 45 Abs 3 lit b und c AEUV verletzt (Frankf FamRZ 19, 1853). Selbst wenn ein Ausschlussgrund gem § 1315 Abs 1 S 1 fehlt, kann von einer Eheaufhebung ausnw dann abgesehen werden, wenn feststeht, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern vielmehr gewichtige Umstände gegen sie sprechen (BGH FamRZ 20, 1533 Rz 34 ff).

II. Verstoß gegen § 1304 (Geschäftsunfähigkeit).

 

Rn 6

Die Ehe des bei Eheschließung Geschäftsunfähigen (§ 104 Nr 2) ist wirksam, aber aufhebbar. Für beschränkt Geschäftsfähige (§ 106) gilt § 1303. Die Geschäftsunfähigkeit muss ehebezogen sein (›Ehegeschäftsunfähigkeit‹; Brandenbrg FamRZ 2011, 216). Es kommt deshalb darauf an, ob bei dem Verlobten die Einsichtsfähigkeit für das Wesen der Ehe besteht und ob er in der Lage ist, seine Entscheidung zur Eheschließung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (Ddorf FamRZ 97, 294). Bei ernst zu nehmendem Heiratswillen kann auch bei einer stark debilen Person eine Eheschließung in Betracht kommen (AG Rottweil FamRZ 90, 626), ebenso in einem ›lichten Augenblick‹ oder wenn trotz Geistesschwäche partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung besteht (BayObLG FamRZ 97, 297).

 

Rn 7

Der Standesbeamte muss Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit vAw nachgehen (§ 13 I 1 PStG). Dazu besteht idR Veranlassung, wenn für den Betroffenen ein Betreuer bestellt ist, insb wenn ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1825) besteht, der allerdings speziell für die Erklärung zur Eheschließung nicht angeordnet werden darf (§ 1815 II Nr 1). Bei fortbestehenden Zweifeln muss der Standesbeamte das Amtsgericht zur Entscheidung anrufen (§ 49 II PStG). Teilt das Amtsgericht seine Zweifel nicht, hat es den Standesbeamten zur Vornahme der Eheschließung anzuweisen (§ 49 I PStG). Bei nur vorübergehender Geistesstörung liegt keine Geschäftsunfähigkeit vor (§ 104 Nr 2 2. Hs). Der Standesbeamte muss gleichwohl die Eheschließung ablehnen, weil sie gem § 1314 II Nr 1 2. Alt aufhebbar wäre.

 

Rn 8

Die Aufhebbarkeit entfällt, wenn der nicht mehr Geschäftsunfähige die Ehe bestätigt (§ 1315 I Nr 2).

 

Rn 9

Antragsberechtigt sind die Eheleute und die zuständige Verwaltungsbehörde (§ 1316). Für den zur Zeit des Aufhebungsverfahrens geschäftsunfähigen Ehegatten kann nur der gesetzliche Vertreter den Antrag stellen (§ 1316 II), der selbst kein eigenes Antr...

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