Gesetzestext

 

1Eine Ehe darf nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. 2Mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, kann eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden.

 

Rn 1

Die §§ 1303 ff regeln die Voraussetzungen für die Eingehung der Ehe. Sie gelten nach dem Eröffnungsgesetz für die Eheschließung verschieden – wie gleichgeschlechtlicher Personen. Zu unterscheiden sind die wirksam geschlossene Ehe, die aufhebbare Ehe, bei der Abschlussmängel vorhanden sind und die mit Wirkung ex nunc aufgehoben werden kann, sowie die Nichtehe, die keinerlei rechtliche Wirkungen erzeugt (Erbarth NZFam 21, 9). Nach einem Beschluss des OLG Bamberg (FamRZ 16, 1270; hierzu BGH FamRZ 19, 181 [Rz 44 ff]; s Rn 3 aE), in dem die in Syrien mit einem 14-jährigen Mädchen geschlossene Ehe als wirksam angesehen wurde, wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (G v 17.7.17 I 2429) die Vorschrift erheblich verändert (Rspr.-Übersicht bei Wagner FamRZ 21, 1266). Für eine wirksame Eheschließung ist die Volljährigkeit beider Ehegatten Voraussetzung. Besondere kollisionsrechtliche Brisanz erhält die Regelung in S 2 durch die Rechtsfolge aus dem Zusammenhang mit Art 13 EGBGB.

 

Rn 2

Für eine wirksame Ehe müssen beide Ehegatten bei Eheschließung ehemündig und geschäftsfähig sein. Hat ein minderjähriger Ehegatte, der 16 oder 17 Jahre alt ist, die Ehe geschlossen, so ist diese aufhebbar (§ 1314 I Nr 1). Einen Aufhebungsantrag können die Ehepartner sowie die zuständige Verwaltungsbehörde, der ein Ermessen hinsichtlich der Antragstellung vom BGH (FamRZ 20, 1533) eingeräumt wurde, stellen. Für das Aufhebungsverfahren gilt nach § 129a FamFG das Vorrang- und Beschleunigungsgebot. Bis zur gerichtlichen Aufhebung (§ 1313) handelt es sich um eine vollgültige Ehe mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten. Eine Befreiung vom Alterserfordernis ist gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Demgegenüber liegt kraft Gesetzes nach S 2 keine Ehe vor, wenn ein Ehegatte jünger als 16 Jahre ist (BGH FamRZ 20, 1533). Als Nichtehe können beide Ehegatten keinerlei Rechtswirkungen geltend machen, weil auch § 1318 nicht zur Anwendung gelangt. Die Eheschließung kann weder geheilt noch bestätigt werden, auch wenn die Ehegatten nach Volljährigkeit zusammenleben und dem minderjährigen (ausländischen) Ehegatten dadurch jeglicher Schutz vorenthalten wird. Im Verfahren nach §§ 121 ff FamFG kann das Nichtbestehen der Ehe festgestellt werden. Die Regelung des § 1303 ist mangels – insoweit einschlägiger – Übergangsregelung (Art 229 § 44 EGBGB für Inlandsehen) auch auf vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossene Ehe anzuwenden (BGH FamRZ 20, 1533, 1534 f).

 

Rn 3

Die Ehemündigkeit ist nach Art 13 I EGBGB nach dem jeweiligen Heimatrecht zu beurteilen. Nach Abs 3 dieser Regelung wird die Differenzierung aus § 1303 auf die kollisionsrechtliche Ebene als spezielle Ordre-public-Klausel mit der Folge übertragen, dass die von einem Minderjährigen vor dem 16. Lebensjahr nach dem ausländischen Eherecht wirksam geschlossene Ehe nach deutschem Recht unwirksam ist. Über Art 229 § 44 IV EGBGB werden hiervon zwei Ausnahmen gemacht (Frankf FamRZ 19, 1530). Da die Vorschriften eine vom Einzelfall und vom Kindeswohl unabhängige Nichtehe als Rechtsfolge vorsehen, hält der BGH (FamRZ 19, 181 [67 ff]; Andrae IPRax 21, 522) die Regelung von Art 13 III Nr 1 EGBGB für verfassungswidrig. Das BVerfG hat mit Beschl v 1.2.23 – 1 BvL 7/18Art 13 III Nr 1 EGBGB als mit Art 6 I GG unvereinbar erklärt, weil der mit der Nichtigkeitsfolge verbundene Eingriff in die Eheschließungsfreiheit nicht mit spezifischen Regelungen über die Folgen, insb zum Unterhalt, sowie zur Fortführung der Ehe nach Volljährigkeit bzw einer Bestätigungsmöglichkeit versehen wurde. Gleichwohl gilt die Regelung bis zu einer Neuregelung, längstens bis zum 30.6.24, fort und wird durch die unterhaltsrechtliche Anwendung des § 1318 auf die erfassten (nichtigen) Ehen verfassungsgerichtlich ergänzt.

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