Gesetzestext

 

Für die Erhebung der Klagen und das weitere Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften entsprechend, sofern nicht aus den Vorschriften dieses Gesetzes sich eine Abweichung ergibt.

A. Normzweck und dogmatische Einordnung.

 

Rn 1

Da das Wiederaufnahmeverfahren ein außerordentlicher Rechtsbehelf – sei es auch in Form einer Klage – ist (s vor §§ 578 ff Rn 1 f), wird die entsprechende Anwendung der allgemeinen Vorschriften extra angeordnet. Besonderheiten ggü den allgemeinen Regeln ergeben sich vornehmlich aus dem drei Abschnitte umfassenden Charakter des Verfahrens (vor §§ 578 ff Rn 3) und daraus, dass die Rechtskraft Parteidispositionen nicht überlassen werden kann.

B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.

 

Rn 2

Mit allgemeinen Vorschriften sind die Regeln des Klageverfahrens erster Instanz (§§ 253 ff, ggf iVm §§ 495 ff) gemeint und nicht die eines Rechtsmittelverfahrens. Die Regeln der ZPO gelten dabei grds für alle drei Verfahrensabschnitte (s noch Rn 4, 69).

 

Rn 3

Findet das Wiederaufnahmerecht der ZPO aufgrund von Verweisungen aus anderen Verfahrensordnungen (§ 153 I VwGO, § 179 I SGG, § 4 InsO, § 79 I ArbGG, § 134 FGO, § 48 II FamFG, § 209 BEG) Anwendung, sind mit den allgemeinen Vorschriften diejenigen jener Verfahrensordnungen gemeint.

 

Rn 4

Vorrang verlangen für den ersten und zweiten Abschnitt (vor §§ 578 ff Rn 3) immer die Sonderregelungen der §§ 578 ff sowie einige weitere Einschränkungen nach dem Sinn und Zweck des Wiederaufnahmerechts. Für den dritten Abschnitt gelten die allgemeinen Regeln ergänzt um die Vorgaben der §§ 590, 591. Das bedeutet im Einzelnen Folgendes:

I. Geltung von allgemeinen Vorschriften zum Klageverfahren.

 

Rn 5

Für das Wiederaufnahmeverfahren gelten grds die Regeln zur Zulässigkeit einer Klage nach der ZPO, dh insb zur Klageerhebung (§ 253), Partei- und Prozessfähigkeit (§§ 50 ff), Vertretung (s zur Prozessvollmacht auch § 578 Rn 10) sowie diejenigen zum Ablauf des Verfahrens, etwa im Beweisverfahren, bei Prozesstrennung und Verbindung (s aber § 578 II). Auch die Prozessmaximen, va Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz gelten, so dass Vergleich, Klagerücknahme, Erledigung und Klageänderung möglich sind und die allgemeinen Vortrags- und Beweislastregeln gelten (zum Anerkenntnis, Geständnis und Versäumnisurteil s aber Rn 8 f). Eine Klagerücknahme erfordert eine Zustimmung des Beklagten (§ 269 I) sobald über das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes verhandelt worden ist (Zö/Greger § 585 Rz 2).

II. Besonderheiten.

 

Rn 6

Für den Inhalt der Klageschrift gelten die Sonderregeln der §§ 587, 588, für die Zuständigkeit diejenige des § 584 bzw § 185 III FamFG, für die Frist diejenige des § 586. Im Beweisverfahren ist nach § 581 II der Antrag auf Parteivernehmung ausgeschlossen, wenn er sich auf das Vorliegen eines Restitutionsgrundes bezieht. Für die Neuverhandlung im dritten Abschnitt gelten die allgemeinen Regeln ergänzt um die Vorgaben der §§ 590, 591.

 

Rn 7

Da das Wiederaufnahmeverfahren auf die Durchbrechung der Rechtskraft gerichtet ist, sind die Dispositionsmöglichkeiten der Parteien über den Streitgegenstand und die Tatsachengrundlage des Verfahrens im Hinblick auf den Wiederaufnahmegrund eingeschränkt (s schon § 581 Rn 4). Das bedeutet va, dass das Gericht nicht nur die schlüssige Behauptung des Wiederaufnahmegrundes (§§ 579, 580, 589) iRd Statthaftigkeit der Klage, sondern auch das tatsächliche Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes in der Begründetheit der Klage vAw zu prüfen hat. Prüfung vAw bedeutet aber nicht Amtsermittlung bzw Geltung des Untersuchungsgrundsatzes für die Tatsachen, aus denen sich der Wiederaufnahmegrund ergeben soll. Entscheidend ist vielmehr, dass das Gericht die Beweisbedürftigkeit von Behauptungen selbst zu beurteilen hat und dies nicht den Parteien überlassen darf, indem behauptete Tatsachen zugestanden oder nicht bestritten werden. Auch über eine zugestandene oder nicht bestrittene Behauptung zu Wiederaufnahmegründen kann das Gericht bei Bedenken also den Beweis verlangen und es muss Beweis erhoben werden.

 

Rn 8

Deshalb haben weder Nichtbestreiten oder Geständnis noch Anerkenntnis oder Verzicht die Wirkungen nach den allgemeinen Regeln der §§ 138 IV, 288 bzw 306, 307. Vielmehr unterliegen sie, soweit vorgenommen, freier Würdigung durch das Gericht (Anders/Gehle/Hunke ZPO § 581 Rz 7; St/J/Jacobs § 581 Rz 7).

 

Rn 9

Das Versäumnisurteil gegen den Beklagten, § 331, hat Geständniswirkung. Ein echtes Versäumnisurteil gegen den Beklagten des Wiederaufnahmeprozesses ist deshalb in den ersten beiden Abschnitten des Wiederaufnahmeverfahrens nicht möglich, wenn das Gericht nach freier Würdigung des Kläger- und Beklagtenvortrags das tatsächliche Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nicht für gegeben ansieht, insb einen diesbezüglichen Beweis für erforderlich hält. Es kommt nur ein unechtes kontradiktorisches Versäumnisurteil in Form der Klageabweisung als unzulässig bzw unbegründet in Betracht. Hält das Gericht jedoch infolge der Prüfung vAw die Klage für zulässig, was den schlüssigen Vortrag zum Wiederaufnahmegrund umfasst (s § 579 Rn 18, § 580 Rn 2), und sieht den Wiederaufnahmegrund tatsächlich für gegeben an, ist die Wiederaufna...

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