Gesetzestext

 

(1) Soll die Beweisaufnahme durch ein Mitglied des Prozessgerichts erfolgen, so wird bei der Verkündung des Beweisbeschlusses durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter bezeichnet und der Termin zur Beweisaufnahme bestimmt.

(2) Ist die Terminsbestimmung unterblieben, so erfolgt sie durch den beauftragten Richter, wird er verhindert, den Auftrag zu vollziehen, so ernennt der Vorsitzende ein anderes Mitglied.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt ausschnittsweise Verfahrensfragen, die die Beweisaufnahme durch einen beauftragten Richter betreffen. Der beauftragte Richter gehört im Gegensatz zum ersuchten Richter dem Prozessgericht an. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen in Abweichung vom Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht das Prozessgericht, sondern nur eines ihrer Mitglieder den Beweis erheben darf, ergeben sich dagegen aus § 355 I 2 und den dort in Bezug genommenen besonderen gesetzlichen Bestimmungen (§ 355 Rn 6).

B. Verfahren.

I. Maßnahmen des Vorsitzenden.

 

Rn 2

Der Vorsitzende wählt auf der Grundlage des vom Prozessgericht zu erlassenden Beweisbeschlusses den Richter aus dem Kreis der dem Spruchkörper angehörigen Richter nach seinem Ermessen aus. Er ist allerdings bei überbesetzten Spruchkörpern auf die Richter beschränkt, die nach der kollegiumsinternen Geschäftsverteilung mit der Sache befasst sind (BGH NJW 18, 1261 [BGH 25.01.2018 - V ZB 191/17] Rz 8). Dabei muss er den Richter nicht namentlich bezeichnen, sondern kann auch eine abstrakte Bezeichnung wählen, insb den ›Berichterstatter‹ benennen, sofern der Beauftragte dadurch hinreichend eindeutig festgelegt wird. Er kann dabei auch den Termin zur Beweisaufnahme bestimmen. In der Regel wird dies aber dem beauftragten Richter überlassen. Ob auch der Einzelrichter einen anderen Richter seines Kollegiums mit der Beweisaufnahme beauftragen kann, ist zu bezweifeln, da § 361 ersichtlich von einem Kollegialgericht ausgeht (so wohl auch MüKoZPO/Heinrich Rz 3; aA Zö/Greger Rz 2; s.a. Frankf FamRZ 87, 737f). Voraussetzung ist ein zwingend vom Prozessgericht zu erlassender Beweisbeschluss, auch ein ändernder Beschl (s aber § 360 Rn 7), der die Delegation der Beweisaufnahme auf einen beauftragten Richter vorsieht (BGHZ 86, 104, 111). Die Vorschussanforderung obliegt ebenfalls dem Prozessgericht und nicht dem Vorsitzenden (§ 379). Wird der beauftragte Richter sogleich im Beweisbeschluss und damit nicht vom Vorsitzenden, sondern vom Kollegium benannt, bleibt dies folgenlos. Den Parteien erwachsen daraus keine Rechtsnachteile.

 

Rn 3

Umstritten ist, ob der Vorsitzende bei Verhinderung des beauftragten Richters in jedem Fall einen anderen Richter bestimmen muss (MüKoZPO/Heinrich Rz 4) oder ob dieser ohne weiteres durch den Vertreter oder Amtsnachfolger ersetzt wird, sofern der Vorsitzende keine abweichende Bestimmung trifft (St/J/Berger Rz 3; Musielak/Voit/Stadler 2). Da die Verhinderungsregelungen auch diesen Fall erfassen, wird von letzterem auszugehen sein.

II. Stellung und Aufgabe des beauftragten Richters.

 

Rn 4

Soweit der Termin zur Beweisaufnahme – wie praktisch die Regel – nicht schon durch den Vorsitzenden bestimmt wurde, legt ihn der beauftragte Richter fest. Er ist den Parteien formlos mitzuteilen, § 357 II. Die Ladungsfrist ist gleichwohl einzuhalten (Köln MDR 73, 856). Die Tätigkeit des beauftragten Richters ist auf die Durchführung der Beweisaufnahme beschränkt. Die Entscheidungsbefugnis bleibt beim Prozessgericht (§ 366). Deshalb ist auch die Erörterung des Beweisergebnisses dem Prozessgericht vorbehalten, §§ 279 III, 285 II. Da der beauftragte Richter das Prozessgericht nicht vertritt und deshalb vor ihm keine mündliche Verhandlung stattfindet, herrscht kein Anwaltszwang, § 78 V. Ihm stehen aber im Rahmen seines Auftrags die Befugnisse und Pflichten des Prozessgerichts und des Vorsitzenden (§ 229) sowie die Sitzungsgewalt (§ 180 GVG) zu. Er kann insoweit auch die erforderlichen Anordnungen treffen, zB Ordnungsstrafen gegen säumige Zeugen verhängen oder Geständnisse entgegen nehmen, § 288 I. Nach § 360 S 3 kann er den Beweisbeschluss auch ändern. Ggf kann er den Auftrag an ein anderes Gericht weitergeben, § 365 S 1. Nach § 278 I, V können vor dem beauftragten Richter Vergleiche geschlossen werden, auch wenn er ohne Auftrag durch das Prozessgericht nicht eigenmächtig einen Gütetermin anordnen kann (BGHZ 77, 264, 272 f; § 278 Rn 6; aA Celle RPfleger 74, 319).

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