Rn 30

Eine Zurückweisung scheidet aus, wenn die Partei bzw ihr Vertreter/Bevollmächtigter (§§ 51 II, 85 II; vgl München 13.6.13 – 1 U 4904/09) die Verspätung (Rn 14 f) genügend entschuldigt. Für eine Zurückweisung müssen Verzögerung und fehlende Entschuldigung zusammentreffen (BGH NJW 81, 287; 87, 1949, 1950 [BGH 13.01.1987 - VI ZR 280/85]). Der Begriff des Verschuldens umfasst wie bei § 276 I BGB auch leichte Fahrlässigkeit (vgl § 276 II BGB: im Verkehr erforderliche Sorgfalt). Das Verschulden wird bei Abs 1 – anders als bei Abs 2 – widerleglich vermutet. Die Verspätung ist nicht schuldhaft, wenn die Partei (bzw ihr Vertreter) in der konkreten Situation nach ihren persönlichen Fähigkeiten die Verspätung nicht vermeiden konnte. Für die Fristversäumnis eines Anwalts als Prozessbevollmächtigten wird auf die für einen Anwalt übliche Sorgfalt abgestellt. Kann sich die Partei entschuldigen, ist der Vortrag zuzulassen. Glaubhaftmachung: Abs 4 iVm § 294 (Rn 51).

 

Rn 31

§ 296 zielt auf schuldhaft verspäteten Vortrag der einer Partei bekannten Tatsache oder einer solchen, über die sich die Partei unschwer durch Erkundigungen über eine wesentliche Frage hätte Gewissheit verschaffen können. Nicht erfasst sind Tatsachen, die der Partei (zuvor) schuldlos nicht bekannt waren (BGH NJW 88, 60, 62 [BGH 25.03.1987 - IVa ZR 224/85]). Eine Partei ist grds nicht verpflichtet, tatsächliche Umstände, die ihr unbekannt sind, zu ermitteln (BGH NJW-RR 21, 56 [BGH 12.11.2020 - IX ZR 214/19] Rz 15) oder sonst zB durch Einholung eines Privatgutachtens näher zu erforschen. Entsprechendes gilt für Beweismittel. Entschuldigt ist eine Verzögerung, die dadurch entsteht, dass die Partei aufgrund ihrer Krankheit nicht vortragen konnte, dass der Vertrauensanwalt zunächst (zB urlaubsbedingt) nicht erreichbar ist (Köln NJW 80, 2421, 2422 [OLG Köln 23.05.1979 - 2 W 65/79]), oder dass Vortrag wegen eines Fehlers des Gerichts (s Rn 22) zunächst unterblieb, zB wenn dieses zuvor eine Aufforderung oder einen Hinweis (Rn 29) missverständlich formulierte.

 

Rn 32

Die Partei muss sich spätestens im nächsten Termin entschuldigen (Karlsr Die Justiz 79, 14). Eine Entschuldigung für die Verspätung erst in der Berufungsinstanz ist grds nicht mehr möglich (s Rn 1, 62), es sei denn, eine Entschuldigung in 1. Instanz wäre ohne Verschulden unterblieben (Köln JMBl NW 07, 215).

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