Gesetzestext

 

(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.

(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß: § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

A. Grundlagen.

 

Rn 1

Abs 1 der Bestimmung behandelt in unvollkommener und unsystematischer Weise die Prozessführung, indem auf Vorschriften des BGB verwiesen, andererseits aber ein Vorrang des Prozessrechts angeordnet wird. Die Prozessfähigkeit, also die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst eingesetzten Vertreter vorzunehmen, ist in § 52 (näher dort) geregelt. Die Prozessfähigkeit ist eine Sachurteilsvoraussetzung, weswegen die von einem Prozessunfähigen erhobene oder die gegen ihn erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist. Zugleich ist die Prozessfähigkeit Prozesshandlungsvoraussetzung, so dass eine prozessunfähige Partei außerstande ist, wirksam Prozesshandlungen vorzunehmen. Das Erfordernis der Prozessfähigkeit dient sowohl dem Schutz Prozessunfähiger als auch des Gerichts und der Gegenseite, die ein Interesse an einer ordnungsgemäßen zielgerichteten Prozessführung haben. Die gesetzliche Vertretung, die eigentlicher Gegenstand des Abs 1 ist, ermöglicht Klagen von und gegen prozessunfähige Personen. Die gewillkürte Vertretung im Sinne einer auf der Erteilung einer Prozessvollmacht beruhenden Vertretung ist in §§ 78 ff normiert. Als weiterer Begriff ist die Prozessführungsbefugnis zu unterscheiden, nämlich die Befugnis, ohne eigene materiell-rechtliche Beziehung über das behauptete streitige fremde Recht als richtige Partei einen Prozess im eigenen Namen führen zu dürfen (vgl § 50 VI). Abs 2 will eine Besserstellung desjenigen, der sich eines Vertreters bedient, verhindern und rechnet darum dessen Verschulden der vertretenen Partei zu. Auf eine Stärkung des Rechtsinstituts der Vorsorgevollmacht ist Abs 3 gerichtet, der ermöglicht, dass ein Geschäftsunfähiger durch einen Bevollmächtigten vertreten wird.

B. Gesetzliche Vertretung von natürlichen und juristischen Personen.

I. Begriff.

 

Rn 2

Im Unterschied zu einer rechtgeschäftlich erteilten Vollmacht beruht die gesetzliche Vertretung auf einem Gesetz oder besonderer staatlicher Anordnung. Die gesetzliche Vertretung beurteilt sich nach dem einschlägigen materiellen Recht, bei juristischen Personen des Privatrechts nach dem maßgeblichen Gesellschaftsrecht, bei juristischen Personen des Öffentlichen Rechts nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Normen. Die jeweiligen Vorschriften bestimmen Voraussetzungen und Umfang der Vertretungsmacht. Der gesetzliche Vertreter ist in der Klageschrift zu bezeichnen (§§ 253 IV, 130 Nr 1), eine unrichtige Angabe ist jedoch unschädlich (BGHZ 4, 328, 334 = NJW 52, 545). Die zutreffende Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters ist freilich wenig hilfreich, wenn die Partei nicht benannt wird (St/J/Bork Rz 24).

II. Gesetzliche Vertretung natürlicher Personen.

1. Minderjährige.

 

Rn 3

Ihre Vertretung folgt dem elterlichen Sorgerecht (§ 1629 I 1 BGB). Darum nehmen die gesetzliche Vertretung minderjähriger ehelicher Kinder die sorgeberechtigten Eltern – grds auch nach Trennung oder Scheidung (§ 1671 BGB) – in Gesamtvertretung (§ 1629 I 2 BGB) wahr (BGH NJW 87, 1947f [BGH 20.01.1987 - VI ZR 182/85]). Ist nur ein Elternteil – etwa kraft familiengerichtlicher Entscheidungszuweisung (§ 1628 BGB), bei Übertragung der elterlichen Sorge (§ 1671 BGB) oder nach dem Tod des anderen Elternteils (§ 1680 BGB) – sorgeberechtigt, vertritt er das Kind allein (§ 1629 I 3 BGB). Regelmäßig vertritt nur die Mutter das nichteheliche Kind (§ 1626a II). Bei Interessenkollisionen (§ 1795 BGB) sind beide Elternteile an der Vertretung gehindert (BGH NJW 72, 1708 [BGH 14.06.1972 - IV ZR 53/71]). Wird ein minderjähriges Kind durch den Elternteil, in dessen Obhut es sich befindet, im Unterhaltsrechtsstreit mit den anderen Elternteil vertreten (§ 1629 II 2 BGB), wird das Unterhaltsbegehren rückwirkend unzulässig, wenn das Kind während des Verfahrens seinen Wohnsitz bei dem verklagten Elternteil nimmt (Rostock NJW 12, 942, 943 [OLG Rostock 14.01.2012 - 10 UF 146/11]). Innerhalb seines Aufgabenbereichs der Feststellung der Vaterschaft und der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen vertritt das Jugendamt als Pfleger für Minderjährige ein nichteheliches Kind (§§ 1712, 1716 BGB). Im Falle einer Adoption sind der bzw die Annehmenden zur Vertretung berufen (§ 1754 III BGB). Stehen Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge, ist der zu bestellende Vormund gesetzlicher V...

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