Verfahrensgang

AG Reutlingen (Entscheidung vom 04.03.2019; Aktenzeichen B 11 OWi 44 Js 28002/18)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 4. März 2019 wird

verworfen,

weil es nicht geboten ist, das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben; auch ist es nicht geboten, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 3 OWiG).

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Der Senat verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 5. September 2019 zu einem fehlenden Zulassungsgrund.

1. Da der Zulassungsgrund wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs nicht dazu dient, gleichsam ungeachtet der eingeschränkten Zulassungsvoraussetzungen der §§ 79 ff. OWiG eine umfassende Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu ermöglichen, kommt die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs nur in solchen Fällen in Betracht, in denen es sich aufdrängt und nicht zweifelhaft erscheint, dass ein Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. März 2014 - Az. 5 RBs 51/14 -, juris).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Schriftsatz vom 5. September 2019 zutreffend darauf hingewiesen hat - ein solcher Sachverhalt auch aus dem Beschwerdevorbringen nicht.

Auch nach der im Antragsvorbringen angeführten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 27. April 2018 (NZV 2018, 275) wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch die bloße Nichtüberlassung von nicht bei der Akte befindender Messunterlagen und Messdaten, die auch nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind, nicht als verletzt angesehen (vgl. OLG Bamberg NZV 2018, 425; diesem folgend: OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juli 2018, - 2 Ss OWI 197/18, juris). Dies war - soweit ersichtlich - bereits bislang ganz überwiegende Ansicht (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2018, 156; OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2017 - 2 RBs 202/16 - , juris Rn. 16; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. Juli 2015 - 2 RBs 63/15 -, juris Rn. 26 OLG Bamberg DAR 2016, 337 ff., juris Rn. 33 zuletzt KG ZfS 2018, 472). Der Senat folgt dieser Auffassung und der insoweit angeführten tragenden Begründung. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs berührt die Nichtbeiziehung von Beweismitteln oder Unterlagen den Schutzbereich des rechtlichen Gehörs nicht (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 12. Januar 1983 = NStZ 1983, 273 BGH, Urteil vom 26. Mai 1981 = NStZ 1981, 361). Hiernach soll der Anspruch auf rechtliches Gehör ausschließlich verhindern, dass das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet. Durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs soll garantiert werden, dass einer Entscheidung nur Tatsachen zugrunde gelegt werden, zu denen der Betroffene Stellung nehmen konnte; einen Anspruch auf Aktenerweiterung vermittelt Art. 103 Abs. 1 GG dagegen gerade nicht (vgl. KG, ZfS 2018, 472 und in DAR 2017, 593; OLG Bamberg StraFo 2016, 461f. - juris Rn. 5 Cierniak ZfS 2012, 664, 670 Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 4). Durch die Nichtüberlassung digitaler Messdateien und sonstiger Unterlagen, die das Gericht seiner Überzeugungsbildung gerade nicht zugrunde gelegt hat, wird ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör daher nicht begründet.

2. Dahingestellt kann bleiben, ob die Ablehnung der Beiziehung von Unterlagen über das Messverfahren die Grundsätze eines fairen Verfahrens (nach Art. 6 EMRK) verletzen kann (so KG, Beschluss vom 27. April 2018 - 3 Ws (b) 133/18 in einer nicht tragenden ergänzenden Bemerkung nach Verwerfung des Zulassungsantrags; Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 27. April 2018, aaO.; ablehnend OLG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juli 2017 aaO., OLG Saarbrücken NStZ-RR 2018, 156; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. April 2016, aaO. OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2017; aaO., OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2017, aaO.); jedenfalls sind andere (ggfs. verletzte) Verfahrensgrundsätze, so auch jener des fairen Verfahrens, einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht gleichgestellt und können daher nicht mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG gerügt werden (vgl. KG aaO., Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 4.). Denn der Gesetzgeber hat die Vorschrift in Kenntnis möglicher anderer Verfassungsverstöße auf die Versagung des rechtlichen Gehörs beschränkt (vgl. Hadamitzky in Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 80 Rn. 40).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13565509

DAR 2019, 696

ZfS 2019, 712

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