Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Urteil. Verkehrsordnungswidrigkeit. Fahrverbot. Rechtsbeschwerde. Urteilsfeststellungen. Geschwindigkeitsüberschreitung. Geschwindigkeitsmessung. Beweisaufnahme. Aufklärungspflicht. standardisiert. Messverfahren. Messgerät. Geschwindigkeitsüberwachungsgerät. PoliScanSpeed. Toleranzabzug. Messtoleranz. Messfehler. Fehlfunktion. Grundrecht. Prozessgrundrecht. Grundrechtsverstoß. Schutzbereich. fair. fair-trial. fair-trial-Grundsatz. fair-trial-Prinzip. Fairnessgrundsatz. Gehör. Gehörsverletzung. Gehörsverstoß. Einsicht. Einsichtnahme. Überlassung. Akteneinsicht. Akten. Datei. Messdatei. digital. verschlüsselt. Beruhen. Rechtsstaatsprinzip. Teilhaberecht. Beweisbegehren. Beweismittel. Beweisantrag. Beweisermittlungsantrag. Beibringungslast. Darlegungslast. Wissensparität. Richtigkeitsvermutung. Menschenwürde. Objekt. Verfahrensobjekt. Aussagefreiheit. Schweigen. Schweigerecht. Unschuld. Unschuldsvermutung. Akte. Gerichtsakte. Beiziehung. Nichtbeiziehung. Bedienungsanleitung. Sachverständiger. Sachverständigenbeweis. Sachverständigenbegutachtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ablehnung eines Antrags des Betroffenen auf Beiziehung, Einsichtnahme oder Überlassung digitaler Messdateien oder weiterer nicht zu den Akten gelangter Messunterlagen verletzt weder das rechtliche Gehör noch das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren. Es handelt sich um einen Beweisermittlungsantrag, über den der Tatrichter unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden hat (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 - 3 Ss OWi 1444/15 = DAR 2016, 337 = OLGSt StPO § 147 Nr. 10; 05.09.2016 - 3 Ss OWi 1050/16 = StraFo 2016, 461 = VA 2016, 214; 24.08.2017 - 3 Ss OWi 1162/17 = DAR 2017, 715 und 04.10.2017 - 3 Ss OWi 1232/17 = NZV 2018, 80 = NStZ 2018, 235; entgegen VerfGH Saarbrücken, Beschl. v. 27.04.2018 - 1 Lv 1/18).

2. Die Annahme, den Betroffenen eines Bußgeldverfahrens treffe eine "Darlegungs- und Beibringungslast" in Bezug auf die geltend gemachte Unrichtigkeit des im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens erzielten Messergebnisses ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.

 

Normenkette

GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 1-2; StPO §§ 147, 240 Abs. 2, § 244 Abs. 2, § 349 Abs. 2; OWiG § 46 Abs. 1, § 77 Abs. 1-2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, § 80a Abs. 1, 3 S. 1; StVG § 25 Abs. 1, 2a; StVO § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StVO Anlage 2 Zeichen 274; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BKatV Anhang Tabelle 1c Nr. 11.3.6; StPO § 261

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 28.04.2021; Aktenzeichen 2 BvR 1451/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 23. Januar 2018 wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn wegen eines groben Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 11.3.6 der Tabelle 1c zum BKat ein Regelfahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG angeordnet. Nach den Urteilsfeststellungen fuhr der Betroffene am 15.03.2017 um 17.07 Uhr mit einem Pkw stadteinwärts, wobei die Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät PoliScanSpeed mit der zugehörigen Softwareversion 3.2.4 durchgeführt wurde. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge wird im Wesentlichen beanstandet, dass das Amtsgericht seinem Antrag auf Beiziehung der Messdatei und deren Überlassung an ihn zur Einsicht nicht nachgekommen sei. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaften und auch sonst zulässigen, vom Einzelrichter gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragenen Rechtsbeschwerde deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO).

III.

Anlass zur ergänzenden Erörterung gibt dem Senat allein die Rüge der Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör und auf Gewährleistung eines fairen Verfahrens, weil das Amtsgericht dem Antrag auf Beiziehung der digitalen Messdatei nicht nachgekommen sei. Diese Beanstandung dringt nicht durch.

1. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. nur OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 - 3 Ss OWi 1444/15 = DAR 2016, 337 = StRR 2016, Nr. 8, 16 = OLGSt StPO § 147 Nr 10; 05.09.2016 - 3 Ss OWi 1050/16 = StraFo 2016, 461 = ZD 2017, 80; vom 24.08.2017 - 3 Ss OWi 1162/17 = DAR 2017, 715 [jeweils zur Messdatei]; 04.10.2017 - 3 Ss OWi 1232/17 = NSt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge