Verfahrensgang

AG Nauen (Entscheidung vom 22.10.2019; Aktenzeichen 34 OWi 441/19)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 22. Oktober 2019 wird als unbegründet verworfen, da dem Betroffenen das rechtliche Gehör nicht verkürzt wurde und die Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts nicht geboten ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

Gründe

Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 2. Januar 2020.

Anzumerken ist - trotz der sehr sorgfältigen Ausführungen im angefochtenen Urteil - zu dem in der Begründungsschrift vom 5. Dezember 2019 zitierten Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 5. Juli 2019 (LV 7/17, NJW 2019, 2456 ff.) lediglich Folgendes:

Im angefochtenen Urteil ist eine Geldbuße von nicht mehr als 100 € festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

1. Eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG liegt nicht vor.

Selbst wenn ein Antrag auf Übersendung von Rohmessdaten abgelehnt worden wäre oder solche durch das System nicht gespeichert werden würden, ließe sich daraus keine Gehörsrüge begründen.

Hierbei ist anzumerken, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes, insbesondere der Beschluss vom 27. April 2018 (Lv 1/18, aaO.) und das Urteil vom 5. Juli 2019 (Lv 7/17, aaO.) für den Senat, wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Entscheidungen jeweils unter B I 1 der Gründe selbst ausführt, keine Bindungswirkung haben; die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes entfalten Geltung nur für das Bundesland Saarland.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die unterbliebene Zugänglichmachung und Überlassung von nicht zu den (Gerichts-) Akten gelangten Unterlagen oder der (digitalen) Messdaten einschließlich der (unverschlüsselten) sog. Rohmessdaten bzw. der gesamten Messreihe für sich genommen weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch einen Verstoß gegen das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren darstellt. Vielmehr handelt es sich bei Anträgen auf Beiziehung entsprechender Unterlagen oder digitaler (Mess-) Dateien (bzw. deren körperlichen Ausdruck) um Beweisermittlungsanträge, deren Ablehnung nur unter Aufklärungsgesichtspunkten gemäß § 244 Abs. 2 StPO bzw. § 77 Abs. 1 OWiG zu überprüfen ist (vgl. statt vieler: Senatsbeschluss 27. April 2014, (1 Z) 53 Ss-OWi 135/14 (83/14), Senatsbeschluss vom 27. April 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 190/17 (98/17); ausf. BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2019, 202 ObOWi 1955/19, zit. nach juris, dort Rn. 4; OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juni 2018, 3 Ss OWi 626/18, NStZ 2018, 724 f., ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 4. April 2016, 3 Ss OWi 1444/15; DAR 2016, 337, OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. März 2017, 2 Ss-OWi 40/17, ZfSchR 2017, 469; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juni 2017, 4 RBS 169/17, ZD 2018, 374; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Februar 2018, 1 OWi 2 SsBs 106/17, NStZ-RR 2018, 156; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Juli 2018, 1 OWi 6 SsBs 19/18, zit. nach juris, jeweils m.w.N.).

Es entspricht seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung des Bundeverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, dass die Nichtbeiziehung von Beweismitteln oder Unterlagen den Schutzbereich des rechtlichen Gehörs nicht berührt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Januar 1983, 2 BvR 864/81, BVerfGE 63, 45; Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Mai 1981, 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131). Das Bundesverfassungsgericht hebt hervor, der Anspruch auf rechtliches Gehör solle verhindern, dass das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwerte. Das rechtliche Gehör sei nicht verletzt, wenn es um die Frage gehe, ob das Gericht sich und den Prozessbeteiligten Kenntnis von Sachverhalten, die es selbst nicht kennt, erst zu verschaffen habe, weil es nicht Sinn und Zweck der Gewährleistung rechtlichen Gehörs sei, dem Beschuldigten Zugang zu dem Gericht nicht bekannten Tatsachen zu erzwingen (BVerfG aaO.). Der Bundesgerichtshof (aaO.), der im Ausgangsverfahren zum selben Ergebnis gelangt war, hatte insbesondere hervorgehoben, unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs sei nur das maßgeblich, was für das Urteil oder das Verfahren Bedeutung erlangt habe. Was darüber hinaus für die Sachentscheidung Bedeutung erlangen "könnte" sei dagegen zunächst nur für die Frage der Aufklärungspflicht von Interesse. Über diese grundlegende verfassungsgerichtliche und höchstrichterliche Recht...

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