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Aus der Gesetzesformulierung des § 535 Satz 1 "durch den Mietvertrag" ergibt sich, dass sich der inhaltliche Umfang der Gebrauchsgewährungspflicht nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien richtet. Dazu gibt es üblicherweise in den Formularmietverträgen Einzelvereinbarungen, aber auch die Hausordnung, die entweder sich im Formularvertrag selbst befindet oder deren Geltung im Mietvertrag vereinbart wird. Dabei ist allerdings auch die Verkehrssitte zu beachten (§ 157). Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen:

  1. Bei der Vermietung eines Einfamilienhauses mit Garten ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Garten mitvermietet ist (OLG Köln, Urteil v. 5.11.1993, 19 U 132/93, WuM 1994, 272; AG Bonn, Urteil v. 29.10.2018, 201 C 208/18, ZMR 2019, 134; AG Hamburg- Bergedorf, Urteil v. 18.12.2012, 409 C 68/12, ZMR 2013,357). Der Vermieter muss den mitvermieteten Garten zumindest in demjenigen Zustand erhalten, in dem er sich bei Mietvertragsbeginn befand. Das Vorhalten des Anschlusses zur Bewässerung einer dem Wohnraummieter mietvertraglich zur Nutzung überlassenen Gartenfläche kann Teil des – bei Fehlen einer ausdrücklichen Abrede ergänzend auszulegenden, den hypothetischen Parteiwillen aufnehmenden – Inhalts der Gebrauchsüberlassungs- und Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters sein (BGH, Hinweisbeschluss v. 22.2.2022, VIII ZR 389/20, NZM 2022, 608).
  2. Wer den Garten zu pflegen hat, wird meist in der Hausordnung geregelt sein. Falls dort keine Regelung getroffen ist, wird dem Vermieter die Gartenpflege obliegen; dasselbe gilt, wenn der Mieter die Gartenpflegekosten als Teil der Betriebskosten zu tragen hat (LG Berlin, Urteil v. 15.3.2002, 64 S 258/01, GE 2002, 803). Ist nach dem Mietvertrag der Mieter verpflichtet, den Garten zu pflegen, so fallen hierunter nur einfache Arbeiten wie Unkrautjäten, Rasenmähen und Entfernen von Laub (LG Hamburg, Beschluss v. 29.9.2002, 316 T 66/02, ZMR 2003, 265). Hat der Mieter die Gartenpflege jedoch unter Bezugnahme auf § 2 Nr. 10 BetrKV übernommen, so hat er im Rahmen der Pflege der gärtnerisch angelegten Flächen erforderlichenfalls auch Bäume und Sträucher zu beschneiden, Rasenflächen neu anzulegen und kranke und morsche Bäume und Sträucher zu fällen (LG Frankfurt/Main, Urteil v. 2.11.2004, 2/11 S 64/04, NZM 2005, 338).
  3. Bei der Vermietung von Wohnraum ist es dem Mieter, der nach seinem Beruf üblicherweise zu Hause arbeitet (Wissenschaftler, Schriftsteller, Richter), gestattet, normale Büroarbeiten in der gemieteten Wohnung durchzuführen. Darunter fallen nur solche beruflichen Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Zulässig sind nebenberufliche Tätigkeiten, z. B. als gelegentlicher Softwarehersteller (AG Münster, Urteil v. 18.1.1988, 48 C 355/87, WuM 1988, 429), Hellseher (LG Hamburg, Beschluss v. 23.3.1984, 11 S 22/84, WuM 1985, 263) oder astrologischer Berater für einzelne Kunden (LG Hamburg, Urteil v. 12.1.1993, 316 S 179/92, WuM 1993, 188), Schriftsteller (Morath, GE 2006, 628, 629), Fachautor, Maler, Übersetzer und Gutachter sowie das begrenzte Abhalten von Nachhilfestunden (Gather, GE 2001, 595) oder gelegentlicher Musikunterricht (Morath, GE 2006, 628). Auch die gelegentliche Nutzung einzelner Räume zu Bürozwecken ist ohne Zustimmung des Vermieters zulässig (LG Hamburg, Beschluss v. 13.3.1992, 311 S 203/91, WuM 1992, 241; LG Stuttgart, Urteil v. 20.2.1992, 16 S 327/91, WuM 1992, 250; LG Frankfurt a. M., Urteil v. 28.7.1995, 2/17 S 42/95, WuM 1996, 532; Morath, GE 2006, 628), soweit nicht die Mitmieter belästigt werden oder die Wohnung gefährdet wird (LG Berlin, Urteil v. 10.5.1974, 63 S 122/73, WuM 1974, 258).
  4. Auch die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes in einem Raum der Wohnung (Morath, GE 2006, 628, 629) sowie die Tätigkeit als Tagesmutter für bis zu drei fremde Kleinkinder bei einer Wohnfläche von 90 qm (LG Hamburg, Urteil v. 22.4.1991, 7 S 63/82, NJW 1982, 2387) sind zulässig. Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die er in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden (BGH, Urteil v. 10.4.2013, VIII ZR 213/12, GE 2013, 6777; BGH, Urteil v. 14.7.2009, VIII ZR 165/08, GE 2009, 1117).
  5. Bei sonstigen beschränkten gewerblichen Tätigkeiten (z. B. Versicherungsagentur) wird es schon in Abgrenzung zur teilgewerblichen Nutzung der Wohnung kritisch, selbst wenn von der Tätigkeit keine Belästigung für andere Mieter und keine Gefährdung der Räume ausgeht (vgl. LG Mannheim, Urteil v. 27.7.1977, 4 S 16/77, BB 1977, 1274).

Zu einzelnen Rechten des Mieters gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung, die u. a. durch die Regelungen der §§ 305 ff. bedingt, aber auch durch das Grundgesetz beeinflusst ist (z. B. Anspruch auf Anbringung von Parabolantennen), so dass vor allem die Hausordnungen keine sehr wesentliche Bedeutung (mehr) haben, bei einem Verstoß dagegen jedoch Schadensersatzansprüche auslösen k...

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