Rdn 1821

 

Literaturhinweis:

Eisenberg, Kriterien der Eröffnung des strafprozessualen Hauptverfahrens, JZ 2011, 672

Eschelbach, Gehör vor Gericht, GA 2004, 228

ders., Von der Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Strafkammer, in: Festschrift für Christian Richter II, 2002, S. 113

Kuckein, Revisionsrechtliche Kontrolle der Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss, StraFo 1997, 33

Schäpe, Die Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluß und ihre Heilung im späteren Verfahren, 1998

s.a. die Hinw. bei Burhoff, EV, Rn 573 u. 2332.

 

Rdn 1822

1. I.d.R. muss der Verteidiger die mit dem Eröffnungsbeschluss (§ 207; im Folgenden EÖB) zusammenhängenden Fragen schon im EV geprüft haben (dazu Burhoff, EV, Rn 2332 ff.). Dazu gehört insbesondere auch, welche Auswirkungen Mängel der Anklageschrift auf das weitere Verfahren, insbesondere die Wirksamkeit des EÖB haben. Insoweit wird verwiesen auf Burhoff, EV, Rn 573 ff. und allgemein auf Kuckein StraFo 1997, 33. In der HV können die den EÖB betreffenden Fragen allerdings dann (nochmals) Bedeutung erlangen, wenn erst jetzt festgestellt werden sollte, dass ein EÖB fehlt. Grds. ist dann, da der EÖB unverzichtbare Prozessvoraussetzung und Grundlage der HV ist, eine Entscheidung in der Sache nicht (mehr) möglich (vgl. u.a. BGHSt 5, 225, 227; KG, Beschl. v. 16.3.2015 – (4) 161 Ss 20/15 (27/15); OLG Bamberg StV 2016, 790 [Ls.]; KK-Schneider, § 203 Rn 2).

 

☆ Erkennt der Verteidiger das Fehlen des EÖB, muss er sich das weitere Vorgehen sorgfältig überlegen . Im Zweifel wird er das Fehlen in der HV nicht rügen, sondern den Mangel erst mit der Revision geltend machen. Dann kann der EÖB nicht mehr nachgeholt werden. Sein Fehlen zwingt vielmehr zur Einstellung des Verfahrens (u.a. BGH NStZ 1994, 227 [K]; StV 1983, 2; KG, a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O.; KK- Schneider ; § 203 Rn 21 m.w.N.; a.A. BGHSt 29, 224, 228; OLG Naumburg NStZ 1996, 248 [für mangelhaften EÖB]).Vorgehen sorgfältig überlegen. Im Zweifel wird er das Fehlen in der HV nicht rügen, sondern den Mangel erst mit der Revision geltend machen. Dann kann der EÖB nicht mehr nachgeholt werden. Sein Fehlen zwingt vielmehr zur Einstellung des Verfahrens (u.a. BGH NStZ 1994, 227 [K]; StV 1983, 2; KG, a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O.; KK-Schneider; § 203 Rn 21 m.w.N.; a.A. BGHSt 29, 224, 228; OLG Naumburg NStZ 1996, 248 [für mangelhaften EÖB]).

Der Verteidiger, der das Fehlen des EÖB erkennt, das aber nicht sofort rügt, verliert dadurch nicht sein Rügerecht (wegen der Einzelh. → Verwirkung von Verteidigungsrechten, Teil V Rdn 3887 ff.; so a. Dahs, Rn 422 f., 786 ff.; a.A. für unterlassene Mitteilung der Anklageschrift an den Angeschuldigten und seinen Verteidiger BGH NStZ 1982, 125; OLG Düsseldorf StV 2001, 498 [i.d.R. Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels]; so a. KK-Schneider, § 201 Rn 21).

Entscheidet sich der Verteidiger dafür, den Mangel schon frühzeitig geltend zu machen, muss er die → Einstellung des Verfahrens nach § 206a bei Verfahrenshindernissen, Teil E Rdn 1656, beantragen.

 

Rdn 1823

2. Fraglich und in Rspr. und Lit. umstritten ist, ob und inwieweit der Erlass des EÖB in der HV überhaupt noch nachgeholt werden kann. Dazu gilt:

Einigkeit besteht, dass ein im Eröffnungsverfahren erlassener und verloren gegangener EÖB durch einen seinen Inhalt feststellenden Gerichtsbeschluss ersetzt werden kann (RGSt 55, 159 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 203 Rn 4). Wenn das nicht möglich ist, z.B. weil die Akten verloren gegangen sind, ist das Verfahren einzustellen (OLG Oldenburg NStZ 2006, 119 [für das Revisionsverfahren]).
Ist der EÖB erlassen, weist aber Mängel auf, können diese noch in der HV geheilt werden (s. schon RGSt 10, 56; BGH GA 1973, 111, 112; OLG Naumburg NStZ 1996, 248; s.a. BGH NStZ 1984, 133; → Verlesung des Anklagesatzes, Teil V Rdn 3426). Das gilt jedenfalls bei einem offensichtlichen (Schreib-)Versehen oder sonstigen offensichtlichen Unrichtigkeiten, wobei sich diese sog. Versehen äußerer Art zwanglos aus den Umständen ergeben müssen. Sachliche Änderungen des EÖB sind hingegen ausgeschlossen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 207 Rn 12 und § 203 Rn 4; BayObLG NStZ-RR 1999, 111 [für versehentliche Eröffnung vor dem Strafrichter anstelle der vor dem Schöffengericht gewollten Eröffnung bejaht]).

Ist ein EÖB überhaupt noch nicht erlassen worden, kann er nach Auffassung der Rspr. in der HV 1. Instanz noch nachgeholt werden (st.Rspr. seit BGHSt 29, 224; zuletzt BGHSt 50, 267 m.w.N.; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.3.2021 – 2 Rev 9/21, StraFo 2021, 205; inzwischen a. KK-Schneider, § 207 Rn 21 m.w.N.; s. die weit. Nachw. zur a.A. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 203 Rn 4; krit. Rieß NStZ 2006, 299 in der Anm. zu BGH, a.a.O.). Dem dürfte zuzustimmen sein, da z.B. auch ein Strafantrag noch nach Beginn der HV nachgeholt werden kann (BGHSt 3, 73) und auch die Regelung der → Nachtragsanklage, Teil N Rdn 2270, in § 266 für die Möglichkeit der Nachholung spricht (zum Vorgehen im Verfahren Teil E Rdn 1822).

 

☆ An dieser Stelle ist immer auch zu prüfen , in...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge