Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach der Vernehmung des Angeklagten zur Person und vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache wird gem. § 243 Abs. 3 S. 1 der Anklagesatz verlesen.
2. Die Verlesung des Anklagesatzes muss grds. immer im Ganzen erfolgen. In Punktesachen kann davon ggf. abgewichen werden.
3. Bestehen bei der Verlesung des Anklagesatzes Unklarheiten, können sowohl der StA als auch der Vorsitzende durch zusätzliche Erklärungen klarstellen, welcher Vorwurf dem Angeklagten gemacht wird.
4. Nach Verlesung des Anklagesatzes kann sich für den Verteidiger die Frage stellen, ob er ggf. eine Erklärung abgeben soll.
5. Wird der Anklagesatz nicht verlesen, wird das grds. die Revision begründen.
 

Rdn 3427

 

Literaturhinweise:

Börner, § 243 III 1 StPO und der Große Senat für Strafsachen – Die Folgen eines unvollkommenen Anklagesatzes, NStZ 2011, 438

Britz, Die Verlesung des Anklagesatzes nach § 243 Abs. 3 S. 1 StPO: eine reformbedürftige Vorschrift?, in: Festschrift für Egon Müller, 2008, S. 107

Christl, Europäische Mindeststandards für Beschuldigtenrechte – Zur Umsetzung der EU-Richtlinien über Sprachmittlung und Information im Strafverfahren, NStZ 2014, 376

Deutscher, Neue Regelungen zum Opferschutz und zur Stärkung der Beschuldigtenrechte im Strafverfahren, StRR 2013, 324

Geppert, Zur straf- und strafverfahrensrechtlichen Bewältigung von Serienstraftaten nach Wegfall der Rechtsfigur der "fortgesetzten Handlung", NStZ 1996, 57 (1. Teil), 118 (2. Teil)

Häger, Zu den Folgen staatsanwaltlicher, in der Hauptverhandlung begangener Verfahrensfehler, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990 S. 175

Hunsmann, Die Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen im Strafverfahren, StRR 2014, 324

Kotz, Anspruch des sprachunkundigen Angeklagten auf schriftliche Übersetzung verfahrenswesentlicher Unterlagen (§ 187 Abs. 2 GVG), StRR 2014, 364

Krause/Thon, Mängel der Tatschilderung im Anklagesatz und ihre rechtliche Bedeutung, StV 1985, 252

Kuckein, Revisionsrechtliche Kontrolle der Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluß, StraFo 1997, 33

Rautenberg, "Angeklagter" oder "Angeschuldigter" bei Verlesung des Anklagesatzes?, NStZ 1985, 256

s.a. die Hinw. bei → Aussetzung, nicht mitgeteilte Anklageschrift, Teil A Rdn 601, und bei → Nichtverlesung des Anklagesatzes, Antrag, Teil N Rdn 2342.

 

Rdn 3428

1.a) Nach der → Vernehmung des Angeklagten zur Person, Teil V Rdn 3645, und vor der → Vernehmung des Angeklagten zur Sache, Teil V Rdn 3650 wird gem. § 243 Abs. 3 S. 1 der Anklagesatz verlesen (zur Reihenfolge BGH, Beschl. v. 6.12.2018 – 4 StR 424/18, NStZ 2019, 293; s.a. → Nichtverlesung des Anklagesatzes, Antrag, Teil N Rdn 2342). Auf dessen Verlesung kann grds. nicht verzichtet werden (BGH, a.a.O. und Beschl. v. 24.4.2018 – 1 StR 481/18, NStZ 2018, 614; Beschl. v. 9.10.2019 – 5 StR 90/19, NStZ 2020, 373; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 276). Sind mehrere Verfahren verbunden (→ Verbindung von Verfahren, Teil V Rdn 3236), müssen alle Anklagesätze verlesen werden. Mit der Verlesung sind dann alle Richter über den Gegenstand der Verhandlung unterrichtet, sodass danach dann den Schöffen auf jeden Fall eine (vollständige) Abschrift des Anklagesatzes ausgehändigt werden kann (BGHSt 56, 109; Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 13 m.w.N.), ggf. sogar auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen (EGMR NJW 2009, 2871; s.a. BGHSt 13, 73 und noch BGHSt 43, 36, wonach den Schöffen Kopien von Telefonüberwachungsprotokollen überlassen werden können; → Akteneinsicht für Schöffen, Teil A Rdn 383). Nicht verlesen werden die Personalien des Angeklagten sowie die Angaben über möglicherweise vollstreckte U-Haft oder über eine Sicherstellung der Fahrerlaubnis (Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 15 m.w.N.).

 

☆ Nach Änderung des § 187 GVG durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren v. 2.7.2013 ist die früherer Rspr, wonach eine Übersetzung der Anklageschrift für den der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten nicht erforderlich war, wenn dem des Lesens Kundigen eine schriftliche Übersetzung überlassen wurde, überholt. Grds. wird dem Beschuldigten/Angeklagten die Anklage jetzt auf jeden Fall schriftlich übersetzt werden müssen (vgl. BGH NStZ 2014, 725 m. Anm. Deutscher StRR 2014; 2017, 63 m. Anm. Arnoldi StRR 5/2016, 10; Deutscher StRR 2013, 324; Kotz StRR 2014, 364; Christl NStZ 2014, 376; A. Schneider StV 2015, 379; s. auch noch BVerfG NJW 2004, 1443, Burhoff , EV, Rn 593 und →  Aussetzung, nicht mitgeteilte Anklageschrift , Teil A Rdn  601 ; zum früheren Recht BGH StV 1993, 2; OLG Hamm StV 2003, 490; OLG Stuttgart StV 2003, 490))."Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren" v. 2.7.2013 ist die früherer Rspr, wonach eine Übersetzung der Anklageschrift für den der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten nicht erforderlich war, wenn dem des Lesens Kundigen eine schriftliche Übersetzung überlassen wurde, überholt. Grds. wird dem Beschuldigten/Angeklagten die Anklage jetzt auf je...

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