Das Wichtigste in Kürze:

1. Die mit der Wirksamkeit der Anklage zusammenhängenden Fragen können den Verteidiger auch noch in der HV beschäftigen, wenn es um die Frage geht, ob ggf. ein Antrag auf Nichtverlesung des Anklagesatzes gestellt werden soll.
2. Die Anklageschrift hat sowohl die Funktion, den Angeschuldigten über den gegen ihn erhobenen Vorwurf zu informieren, als auch den Gegenstand, über den das Gericht im Eröffnungsverfahren zu entscheiden hat, in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu umgrenzen.
3. Bei Mängeln in der Anklageschrift ist zu unterscheiden zwischen solchen, die Auswirkungen auf die Funktion der Anklageschrift haben, und bloß äußeren Mängeln.
4. Es gibt eine umfangreiche Rspr. zu wesentlichen/unwesentlichen Mängeln der Anklageschrift.
5. Die Antragstellung sollte sich der Verteidiger sorgfältig überlegen.
 

Rdn 2343

 

Literaturhinweise:

Börner, § 243 III 1 StPO und der Große Senat für Strafsachen – Die Folgen eines unvollkommenen Anklagesatzes – NStZ 2011, 436

Burkhard, Umgrenzungs- Informations- und Akzeptanzfunktion im Strafbefehl im Steuerstrafrecht, StraFo 2004, 342

Dankert, Zur Bedeutung der Aufnahme von Beweiswürdigung und Ermittlungsergebnis in den Anklagesatz, StV 1988, 282

Deckers, Verteidigung in Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern, NJW 1996, 3105

ders., Neue Initiativen zur Stärkung der Rechte von Kindern in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs, StraFo 2017, 133

Eisenberg, Anklageerhebung ohne genügenden Anlass, StraFo 2017, 89

Geppert, Zur straf- und strafverfahrensrechtlichen Bewältigung von Serienstraftaten nach Wegfall der Rechtsfigur der "fortgesetzten Handlung"

NStZ 1996, 57 (1. Teil), 118 (2. Teil)Klemme/Schubert, § 266a StGB: Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Schadens ohne Buchführung – der juristische Ansatz auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, NStZ 2010, 606

Krause/Thönnes, Mängel der Tatschilderung im Anklagesatz und ihre rechtliche Bedeutung, StV 1985, 252

Kröpil, Zum Anklagesatz bei Serienstraftaten, DRiZ 2010, 369 Kuckein, Revisionsrechtliche Kontrolle der Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschlüssen, StraFo 1997, 33

­Meyberg, Illegale Beschäftigung: Anforderungen an Anklage und Strafbefehl, PStR 2013, 63

Pott, Folgen einer fehlerhaften Anklageschrift, StRR 2012, 444

Salditt, Verteidigung in der Hauptverhandlung – Notwendige Alternativen zum Praxisritual, StV 1993, 442

Schäpe, Die Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluß und ihre Heilung im späteren Verfahren, 1998

Stollenwerk, Der Prozessauftakt im konfliktreichen Strafverfahren, DRiZ 2015, 138.

 

Rdn 2344

1. Nach Abschluss der Ermittlungen erhebt die StA, wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, beim zuständigen Gericht Anklage (dazu Burhoff, EV, Rn 2282), indem sie die Anklageschrift einreicht. Dieses eröffnet dann das Hauptverfahren, wenn hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der angeklagten Tat vorliegt. Nicht selten sind Anklagen mangelhaft bzw. werden vom Verteidiger als mangelhaft angesehen (zu den Anforderungen Teil N Rdn 2345 ff.). Die damit zusammenhängenden Fragen werden den Verteidiger i.d.R. zwar vornehmlich im Eröffnungsverfahren beschäftigen, wenn es um die Frage geht, ob ggf. ein Antrag auf Nichteröffnung des Verfahrens gestellt werden soll. Die Fragen nach den inhaltlichen Anforderungen an die Anklageschrift haben ggf. aber auch noch im Stadium der HV Bedeutung, und zwar unter dem Gesichtspunkt von Mängeln der Anklageschrift und deren Auswirkungen auf das Verfahren. Es stellt sich hier nämlich, die Frage, ob die Anklageschrift als Prozessvoraussetzung ausreicht und wenn nicht, ob der Verteidiger gegen eine seiner Auffassung nach unwirksame Anklage noch mit einem Antrag auf Nichtverlesung der Anklage vorgesehen soll (zu den Bedenken hinsichtlich eines solchen Antrags Teil N Rdn 2356; zur sog. Gegenrede nach Verlesung des Anklagesatzes die instruktiven Ausführungen von Salditt StV 1993, 444).

 

Rdn 2345

2.a) Die Anklageschrift hat sowohl die Funktion, den Angeschuldigten über den gegen ihn erhobenen Vorwurf zu informieren, als auch den Gegenstand, über den das Gericht im Eröffnungsverfahren zu entscheiden hat, in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu umgrenzen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 200 Rn 2 m.w.N.; grundlegend BGHSt 40, 390; 56, 109; vgl. a. BGH NStZ-RR 2016, 316). Das gilt auch für den Strafbefehl (OLG Karlsruhe StV 2005, 598; dazu auch Burkhard StraFo 2004, 342; wegen weit. Einzelh. Burhoff, EV, Rn 573 ff.).

 

Rdn 2346

Die Anklageschrift ist Verfahrensgrundlage. Sie be-/umschreibt den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung. Der reicht nur soweit wie der aus der Anklageschrift erkennbare Verfolgungswille der Anklagebehörde (vgl. BGHSt 43, 96, 99 f. BGH NStZ-RR 2016, 316).

 

Rdn 2347

b)aa) Hauptteil der Anklageschrift ist der sog. Anklagesatz. Er enthält die Angaben zur Person des Beschuldigten und zur Tat (§ 200 Abs. 1 S. 1). Den zweiten Teil der Anklage bildet das sog. wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, das i.d.R. auch eine Beweis...

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