Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 25.04.1994; Aktenzeichen S 16 An 5173/93)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung der Klägerin, insbesondere darüber, ob ihr ein Anspruch auf Neuberechnung der Rente sowie auf Weiterzahlung und Dynamisierung einer Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR zusteht.

Die am 30. Januar 1931 geborene Klägerin war rentenversicherungspflichtig zuletzt bis Dezember 1991 als wissenschaftliche Oberassistentin an der H. … -Universität B. … tätig. Zum 1. Februar 1972 trat sie der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) der ehemaligen DDR bei und entrichtete bis 30. Juni 1990 laufend Beiträge. Ab 1. November 1987 wurde sie zusätzlich in die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR, eingeführt durch Verordnung vom 12. Juli 1951 – GBl S 675 – und geändert durch Verordnungen vom 13. Mai 1959 – GBl S 521 – und vom 1. März 1962 – GBl Teil II S 116 – aufgenommen, aus der ihr eine Altersversorgung in Höhe von 60 vH des im letzten Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes, begrenzt auf höchstens 800,00 Mark, zugesagt wurde. Ab 1. Januar 1991 erhielt sie monatlich eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (682,00 DM), die sich ab 1. Juli 1991 auf 785,00 DM erhöhte (Bescheid des Trägers der Rentenversicherung Überleitungsanstalt Sozialversicherung vom 10. Dezember 1991). Bei der Berechnung der Sozialversicherungsrente wurden 44 Arbeitsjahre sowie fünf Zurechnungsjahre zugrunde gelegt. Eine Zusatzaltersrente wurde zunächst nicht gewährt.

Auf den Widerspruch der Klägerin hob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durch Bescheid vom 21. April 1992 den Bescheid vom 10. Dezember 1991 auf. Wegen der Berechnung der Altersrente ab Januar 1991 verblieb es vorläufig bei dem aufgehobenen Bescheid. Daneben stellte sie aber eine monatliche Zahlung von 498,00 DM aus der AVI fest. Hierbei ging sie im wesentlichen von folgender Berechnung aus:

a)

fiktiver Anspruch auf Zusatzversorgung ab 1. Juli 1990

Höchstbetrag am 30. Juni 1990

800,00 DM

Rente aus der Sozialpflichtversicherung

am 30. Juni 1990

380,00 DM

angeglichene Rente am 1. Juli 1990

593,00 DM

Differenz

213,00 DM

Höhe der Zusatzversorgung ab 1. Juli 1990

587,00 DM

b)

Zusatzversorgung ab 1. Januar 1991

Höhe am 31. Dezember 1990

587,00 DM

Rente aus der Sozialpflichtversicherung

am 31. Dezember 1990

593,00 DM

angepaßte Rente am 1. Januar 1991

682,00 DM

Differenz

89,00 DM

Höhe der Zusatzversorgung ab 1. Januar 1991

498,00 DM

Ferner teilte sie mit, ab 1. Januar 1992 seien die Leistungen aus der Zusatzversorgung in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Dies bedinge eine Neuberechnung nach § 307b Abs 1 SGB VI. Zunächst sei jedoch eine pauschale Umwertung der Renten nach § 307b Abs 5 SGB VI vorgesehen. Bis dies erfolgen könne, erhalte sie die ihr am 31. Dezember 1991 zustehende Gesamtleistung in Höhe von 785,00 DM (Höhe der Rente aus der Sozialpflichtversicherung ab 1. Juli 1991) + 498,00 DM = 1.283,00 DM. Ab 1. Januar 1992 werde unter Berücksichtigung der Krankenversicherung der Rentner ein Betrag von 1.283,00 DM gezahlt.

In ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. April 1992 vertrat die Klägerin die Ansicht, daß die Rentenberechnung verfassungsrechtlich unhaltbar sei. Dabei wandte sie sich insbesondere gegen die Überführung der Leistung aus der Zusatzversorgung in die Rentenversicherung, die Abschmelzung der Zusatzversorgung, die pauschalierte Rentenberechnung zum 1. Januar 1992 statt der günstigeren individuellen Neuberechnung, die unzureichende Berücksichtigung gezahlter Beiträge zur FZR sowie die Nichtberücksichtigung von fünf Zurechnungsjahren als Rentenaltersausgleich für Frauen. Durch den während des Widerspruchsverfahrens ergangenen Bescheid vom 23. Oktober 1992 über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” stellte die Beklagte fest, die bisher gezahlte Versichertenrente werde künftig in Höhe von 1.283,72 DM als Regelaltersrente geleistet. Die neben der Rente gezahlte Leistung aus der Zusatzversorgung sei durch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1608, 1677) in die Rentenversicherung überführt worden. Künftig würden diese Leistungen als einheitliche Leistung der Rentenversicherung gezahlt. Die persönlichen Entgeltpunkte würden in einem maschinellen Verfahren aus den der bisherigen Rente der Sozialpflichtversicherung zugrundeliegenden Daten ermittelt (§ 307b Abs 5 SGB VI). Der Monatsbetrag der Regelaltersrente belief sich nach Erhöhung um 6,84 % ab Januar 1992 auf 1.370,76 DM. Bei der Berechnung legte die Beklagte 44 Jahre versicherungspflichtige Tätigkeit zugrunde. Da der aus 46,2924 Entgeltpunkten (Ost) ermittelte Rentenbetrag 1.091,11 DM betrug und unter dem erhöhten besitzgeschützten Zahlbetrag von 1.370,76 DM lag, wurde dieser abzüglich des von der Klägerin zu tragenden Beitragsanteils zur Krankenversicherung (87,73 DM) in Höhe von 1.283,03 DM weitergeleistet. Dabei verblieb es auch für die Zeit ab 1. Juli 1992.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 1993 unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen zurück.

Mit der zum SG Berlin erhobenen Klage vom 10. März 1993 hat die Klägerin im wesentlichen die Zahlung einer Zusatzaltersrente aus der FZR sowie die endgültige Neuberechnung der Renten ab Januar 1992 unter weiterer Berücksichtigung der bis zum 31. Dezember 1991 als Rentenaltersausgleich wegen anerkannter langjähriger versicherungspflichtiger Tätigkeit begehrt. Durch Urteil vom 25. April 1994 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die Zahlbeträge seien zutreffend festgestellt. Grundlage des Zahlbetrages sei die zum 1. Juli 1990 auf DM umgestellte Versorgung. Gemäß § 6 Abs 2 und 3 der 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) sowie § 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 der 2. Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) seien die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung und die Leistung aus der Zusatzversorgung richtig berechnet worden. Bei den Ansprüchen nach der Verordnung vom 12. Juli 1951 habe es sich nicht um eine Zusatzrente iS der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung, sondern um eine echte Zusatzversorgung aus der AVI gehandelt. Diese sowie die Altersrente seien zum 1. Januar 1992 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Die Klägerin könne eine Dynamisierung der Zahlbeträge aus der Zusatzversorgung nicht verlangen. Die Abschmelzung dieser Leistungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente sei kein Eingriff in verfassungsmäßig geschützte Rechte der Klägerin. Gemäß § 307b Abs 5 SGB VI sei ab 1. Januar 1992 eine vorläufige Umwertung im pauschalierten Verfahren vorgesehen. Zurechnungsjahre wegen langjähriger versicherungspflichtiger Tätigkeit seien im Rahmen von § 307b Abs 5 SGB VI nicht anrechenbar. Auf eine individuelle Rentenumwertung und Neuberechnung nach § 307b Abs 1 und 2 SGB VI habe die Klägerin derzeit keinen Anspruch.

Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Sprungrevision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Mit ihr begehrt sie weiterhin eine individuell neu berechnete Regelaltersrente, einen Rentenanteil aufgrund der zur FZR entrichteten Beiträge, daneben eine ungekürzte und dynamisierte Zusatzversorgung aus der AVI sowie die Berücksichtigung der bis zum 31. Dezember 1991 anerkannten Zurechnungsjahre. Sie trägt im wesentlichen vor: Die „Liquidierung” der Zusatzversorgung und die jahrelange Verweigerung einer rechtzeitigen und rechtmäßigen Neuberechnung der Rente verstießen gegen Grund- und Menschenrechte. Sie habe einen Anspruch auf die in der DDR rechtsstaatlich erworbenen Ansprüche. Die insoweit ergangenen Bescheide seien nach Art 19 des Einigungsvertrages (≪EV≫ vom 31. August 1990, BGBl II S 889) bestandskräftig geblieben. § 24 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, 1457) sei durch den EV nicht außer Kraft gesetzt worden. Die dort getroffene Regelung sei nur insoweit verfassungswidrig, als sie eine „sanfte” Abschmelzung der Zusatzversorgung zum Gegenstand habe. Art 3 GG sei verletzt, weil durch die Überführung der Rentenansprüche – entgegen Art 143 Abs 1 und Art 2 GG – dauerhaft die Bundesrepublik Deutschland in unterschiedliche Rechtsgebiete mit unterschiedlicher Gestaltung und Anwendung der Grundrechte aufgeteilt werde. Die ehemaligen Bürger der DDR würden im Vergleich zu den Bürgern der alten Bundesländer schlechter gestellt. Ihnen werde durch die systemwidrige Abschmelzung der Zusatzversorgung die „zweite Säule” der Alterssicherung genommen, die in der Bundesrepublik Deutschland der Beibehaltung des Lebensstandards im Alter diene. Darüber hinaus würden durch die Nichtberücksichtigung eines Einkommens von über dem 1,8fachen der Beitragsbemessungsgrenze alle auf ein niedrigeres Versorgungsniveau gesetzt. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung verstoße schließlich sowohl gegen Art 14 GG als auch gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte, weil die in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen liquidiert würden. Dies stehe im Gegensatz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Unionsvertrag, BGBl II S 537) und zum EV. Denn danach seien sämtliche erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung zu überführen gewesen. Die Überführung in ein anderes System berechtige nur zur Änderung von Modalitäten, nicht jedoch könne ein fremdes Rentenversicherungssystem nachträglich übergestülpt werden. Schließlich sei die im EV enthaltene Zahlbetragsgarantie eine Realwertgarantie; sie verpflichte zur Anpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten. Sämtliche die Rentenüberführung betreffenden Regelungen verstießen letztlich gegen das Rechtsstaatsgebot; sie seien unbestimmt und in sich widersprüchlich. Zudem könnten sie nicht in einer vertretbaren Art und zumutbaren Frist durchgesetzt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 1994 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21. April 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. März 1993 sowie die undatierten Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1992 und 1. Januar 1993 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin

  1. für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1991 Altersrente, die in allen Bestandteilen dynamisiert ist,
  2. ab 1. Januar 1991 eine angeglichene, angepaßte und dynamisierte Zusatzversorgung aus der Altersversorgung der Intelligenz nach dem Stand vom Juni 1990 in Höhe von 800,00 DM,
  3. ab 1. Januar 1992 aufgrund der zur FZR entrichteten Beiträge einen zusätzlichen, dynamisierten Rentenanteil zu zahlen,
  4. die bis zum 31. Dezember 1991 anerkannten Zurechnungsjahre ab dem 1. Januar 1992 weiterhin zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Regelaltersrente der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1991 gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu festgestellt (Bescheid vom 22. Januar 1996), wobei der bisherige Zahlbetrag von 1.283,03 DM ab 1. Januar 1992 zunehmend überschritten wurde.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

Der während des Revisionsverfahrens gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI ergangene Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1996 ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Soweit das Urteil des SG der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt, ist eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf eine höhere Altersrente bzw Altersversorgung der Klägerin ab Januar 1991 nicht ersichtlich – Revisionsanträge zu Buchst a) bis c) –. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. April 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1993 zu Recht abgewiesen. Ebensowenig sind die nachfolgenden undatierten Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1992, 1. Januar 1993 (und auch 1. Juli 1993) unrichtig.

Vom 1. Juli 1990 an stand der Klägerin nach § 23 Abs 1 Satz 1 RAnglG (seit dem 3. Oktober 1990 mit der Maßgabe des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) bis zur Überführung des Versorgungsanspruchs in die Rentenversicherung der Gesamtbetrag aus Sozialpflichtversicherungsrente und Zusatzversorgung aus der AVI zu, der durch die Bescheide des FDGB und der staatlichen Versicherung der DDR verbindlich festgesetzt war. Dieser Gesamtbetrag war in unveränderter Höhe (aber in DM) weiterzuzahlen. Die Summe aus beiden Leistungen stellte den Gesamtbestand an Rechten und Ansprüchen der Klägerin auf Altersversorgung dar, die sie in ihrem Arbeitsleben in der DDR erworben hatte und die sie nach Maßgabe des EV (iVm dem in Ausführung des Art 20 des Unionsvertrages ergangenen RAnglG) bundesrechtlich erhalten konnte (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, 4 RA 40/92BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Die Bescheide der Leistungsträger waren gemäß Art 19 EV über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und nach Art 19 Satz 3 EV für die Beteiligten bindend. Demgemäß schrieben die aufgrund von Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst f des EV (EV Nr 9f) mit Zustimmung des Bundesrates ordnungsgemäß ergangenen Rechtsverordnungen der Bundesregierung den zuvor rechtmäßig erlangten Anspruch auf den Gesamtzahlbetrag zunächst unter Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente bei gleichzeitiger Abschmelzung der Zusatzversorgung fort, wie dies auch bei der Klägerin im Bescheid zum 1. Januar 1991 der Fall war (§§ 2, 6 der 1. RAV). Gemäß §§ 3, 4 und 8 der 2. RAV wurde die Rente aus der Sozialpflichtversicherung um 15 vH erhöht; der Gesamtzahlbetrag betrug nach dem Bescheid zum 1. Juli 1991 unverändert 1.283,00 DM.

Der erkennende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG entschieden, daß es sich bei der Versorgung aus der AVI nicht um eine „echte” Sozialversicherungsrente, sondern um eine Versorgungsleistung selbst dann gehandelt hat, wenn ein Versicherter mit einer Versorgungszusage der AVI später zusätzlich Mitglied der FZR geworden ist, und daß die einheitlich gewährte „Zusatzrente” an Rentendynamisierungen nicht teilnimmt (Urteil des Senats vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dasselbe hat der erkennende Senat für den Fall entschieden, daß ein Versicherter zunächst der FZR beigetreten ist und anschließend zusätzlich der AVI angehört hat (Urteil des Senats vom 18. September 1996, 5/4 RA 5/94). Daran hält der Senat auch im vorliegenden Fall nach erneuter Überprüfung fest.

Ein Anspruch auf begrenzte Dynamisierung der Zusatzversorgung ergibt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – insbesondere nicht aus § 24 Abs 5 RAnglG. Die in der Vorschrift vorgesehene schonende Abschmelzung der Zusatzversorgungsrenten, die eine Erhöhung des Gesamtzahlbetrages bei gleichzeitiger teilweiser Erhöhung der zusätzlichen Versorgung zuließ, fand keine Anwendung mehr, und zwar auch nicht für die Zeit bis 31. Dezember 1991. Insoweit verkennt Rokita (SGb 1994, S 1, 8), daß § 24 RAnglG vom EV nicht übernommen wurde (vgl EV Nr 9 Buchst b Satz 4; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Auch für die Zeit ab 1. Januar 1992 hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Rente und Zusatzrente. Die von der Beklagten zutreffend pauschaliert nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Altersrente entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Sie wird insoweit von der Klägerin auch nicht beanstandet.

Die Ansprüche der Klägerin auf Sozialpflichtversicherungsrente und auf Rente aus der AVI wurden ab Januar 1992 durch einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt und nach diesen Vorschriften pauschaliert berechnet. Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind grundsätzlich die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Die Zusatzversorgungssysteme der DDR (§ 2 Abs 1 AAÜG) waren schon zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt worden. Ab 1. Januar 1992 sind die Vorschriften des SGB VI an die Stelle der Bestimmungen der DDR getreten (gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO). Sofern die pauschaliert berechnete Rente – wie im Fall der Klägerin – geringer war als der Gesamtbetrag, der auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts dem Betroffenen zustand, war zu der Rente ein aus den allgemeinen Regelungen des SGB VI nicht herleitbarer Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherung hinzugetreten. Dieser Rentenzuschlag war der Höhe nach als bloßer Bestandsschutzbetrag ausgestaltet, dh als variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem Gesamtzahlbetrag, der dem Betroffenen nach dem am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Recht zustand, und dem jeweiligen Betrag der Rente nach dem SGB VI (§ 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI; so BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Weiterzahlung und Dynamisierung der Leistung aus der Zusatzversorgung ist demnach nicht ersichtlich. Der 4. Senat des BSG hat bereits im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993, ausgehend von der „Systementscheidung” des Gesetzgebers, grundsätzlich alle in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen, ausgeführt, es gebe keine gültige Rechtsnorm, die einer Person, die von den Regelungen des § 307b SGB VI erfaßt werde, Leistungen zuerkenne, die über die Sozialpflichtversicherungsrente und den Rentenzuschlag nach dem SGB VI hinausgehe; der dortige Kläger habe insoweit keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers; es liege außerhalb der funktionalen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit, die Stelle der normsetzenden Instanz einzunehmen oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen. Die Aussage im Urteil bezog sich zwar notwendigerweise auf den zu entscheidenden Fall, der einen Rentner betraf, bei dem der Zahlbetrag aus Sozialpflichtversicherungs- und Zusatzversorgungsrente über dem Höchstbetrag einer nach dem SGB VI zu berechnenden Rente lag. Sie gilt jedoch generell und grundsätzlich im Hinblick auf die vom Gesetzgeber getroffene „Systementscheidung” auch für Fälle, in denen der Anspruch auf Regelaltersrente gleich hoch oder niedriger als die höchstmögliche SGB VI-Rente ist. Die Klägerin verkennt in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen einer – zulässigen – richterlichen Rechtsfortbildung, die Gesetze weiterführt und ergänzt, und einer unzulässigen, im Gegensatz zur rechtspolitischen Grundentscheidung und Wertung des Gesetzgebers stehenden Korrektur des Gesetzes (vgl hierzu BVerfGE 54, 277, 299 f).

Mit ihrem Vorbringen in der Revision beanstandet die Klägerin letztlich im wesentlichen diese „Systementscheidung” des Gesetzgebers. Ihrer Auffassung, die Regelungen im AAÜG und im SGB VI seien verfassungswidrig, kann jedoch nicht gefolgt werden. Der 4. Senat hat im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993 ebenfalls festgestellt, daß er die oben definierte „Systementscheidung” jedenfalls derzeit für verfassungsgemäß hält. Der 4. Senat hat an seiner Auffassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten und diese in der Folgezeit weiter vertieft (vgl ua Urteile vom 30. März 1994, 4 RA 62/93, vom 14. September 1995, 4 RA 1/94 – SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 2, vom 14. September 1995, 4 RA 90/94BSGE 76, 257 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 3, vom 16. November 1995, 4 RA 33/93BSGE 77, 65 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 4, vom 5. März 1996, 4 RA 110/94 und 4 RA 34/95, vom 14. Mai 1996, 4 RA 75/95, sowie vom 29. August 1996, 4 RA 12/95). Der erkennende Senat hat sich diesen Entscheidungen angeschlossen (vgl Urteile vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, und vom 18. September 1996, 5/4 RA 5/94) und hält auch nach erneuter Überprüfung daran fest, daß Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen nicht als „echte” Sozialversicherung anzusehen sind, deshalb im Gegensatz zur Sozialpflichtversicherungsrente eine gesonderte Überführung gerechtfertigt ist, und keine Verfassungswidrigkeit besteht.

Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte weder ersichtlich noch von der Klägerin schlüssig dargetan.

Hinsichtlich des Revisionsantrages zu Buchst d) hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, daß die Klägerin nicht verlangen kann, daß die in der DDR gewährten Zurechnungsjahre wegen langjähriger versicherungspflichtiger Tätigkeit bei der pauschalierten Berechnung der Altersversorgung gemäß § 307b Abs 5 SGB VI über den 1. Januar 1992 hinaus berücksichtigt werden. Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an, die keiner Ergänzung bedürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173978

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