Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 29.03.1994)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung des Klägers, insbesondere darüber, ob ihm ein Anspruch auf Neuberechnung der Rente sowie auf Weiterzahlung und Dynamisierung einer Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR zusteht.

Der im Jahr 1916 geborene Kläger war rentenversicherungspflichtig zuletzt bis 1981 als Facharzt für Urologie und Chirurgie im Krankenhaus B. … -P. … sowie als niedergelassener Arzt teilweise gleichzeitig bis 1988 in einer staatlichen Praxis tätig. Im Januar 1952 wurde er in die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Stadt B. … (eingeführt durch die Verordnung vom 17. August 1951 ≪VOBl I Nr 57 S 403≫) aufgenommen, aus der ihm eine Altersversorgung in Höhe von 60 vH des im letzten Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes, begrenzt auf höchstens 800,00 M, zugesagt wurde. Zum 1. März 1974 trat er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) der ehemaligen DDR bei und entrichtete laufend Beiträge. Ab 1. Februar 1981 bezog er monatlich eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (417,00 M) sowie eine Zusatzrente nach den Grundsätzen der §§ 28 und 29 der Verordnung über die Freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung vom 17. November 1977 (800,00 M), insgesamt 1.217,00 M (Bescheide des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung – vom 1. und 2. Dezember 1980). Bei der Berechnung der Sozialpflichtversicherungsrente wurden 49 Arbeitsjahre sowie ein Zurechnungsjahr wegen Arbeitslosigkeit zugrunde gelegt. Die Zusatzaltersrente war auf einen Höchstbetrag von 800,00 M monatlich begrenzt worden. Zum 1. Juli 1988 änderten sich die Beträge dahingehend, daß die Pflichtversicherungsrente auf 757,00 M monatlich erhöht und die zusätzliche Versorgung gemäß der Anordnung über die freiwillige zusätzliche Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in Einrichtungen des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens vom 20. April 1988 berechnet und in Höhe von 1.226,00 M monatlich ausgezahlt wurde (Änderungsbescheid des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung – vom 26. September 1988). Die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung erhöhte sich zum 1. Dezember 1989 auf 627,00 M monatlich. Der neue Gesamtzahlbetrag von 1.853,00 M monatlich wurde am 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 von M auf DM umgestellt (undatierter Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten).

Der gemeinsame Träger der Sozialversicherung setzte mit undatiertem Bescheid nach der 1. Rentenanpassungsverordnung (≪1. RAV≫ vom 14. Dezember 1990, BGBl I S 2867) die Rentenansprüche des Klägers wie folgt neu fest: Die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung glich er auf 867,00 DM an und paßte sie zum 1. Januar 1991 auf 998,00 DM an. Die Leistung aus der zusätzlichen Versorgung minderte er zur Erhaltung des bisherigen Gesamtbetrages von 1.853,00 DM gemäß § 6 Abs 2 und 3 der 1. RAV auf 855,00 DM. Durch undatierten Bescheid über die Rentenanpassung nach der 2. Rentenanpassungsvorordnung (≪2. RAV≫ vom 19. Juni 1991, BGBl I S 1300) paßte der Träger der Rentenversicherung Überleitungsanstalt Sozialversicherung die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung ab 1. Juli 1991 auf 1.148,00 DM an und minderte die Leistung aus der zusätzlichen Versorgung wegen des Grenzbetrages von 1.500,00 DM (§ 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 der 2. RAV) auf 705,00 DM, so daß der Gesamtbetrag von 1.853,00 DM unverändert blieb. Durch Bescheid vom 27. November 1991 über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts vom 27. November 1991” stellte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte fest, die bisher gezahlte Versichertenrente werde künftig als Regelaltersrente geleistet. Die neben der Rente gezahlte Leistung aus der Zusatzversorgung sei durch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1608, 1677) in die Rentenversicherung überführt worden. Künftig würden diese Leistungen als einheitliche Leistung der Rentenversicherung gezahlt. Die persönlichen Entgeltpunkte würden in einem maschinellen Verfahren aus den der bisherigen Rente der Sozialpflichtversicherung zugrundeliegenden Daten ermittelt (§ 307b Abs 5 SGB VI). Der Monatsbetrag der Regelaltersrente belief sich nach Erhöhung um 6,84 % ab Januar 1992 auf 1.979,75 DM. Bei der Berechnung legte die Beklagte 49 Jahre versicherungspflichtige Tätigkeit zugrunde. Da der aus 52,8220 Entgeltpunkten (Ost) ermittelte Rentenbetrag unter dem erhöhten besitzgeschützten Zahlbetrag von 1.979,75 DM blieb, wurde dieser abzüglich des vom Kläger zu tragenden Beitragsanteils zur Krankenversicherung (126,70 DM) in Höhe von 1.853,05 DM weitergeleistet.

Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die fehlende Rentenanpassung seit Juli 1990 sowie die Nichtberücksichtigung seiner zur FZR gezahlten Beiträge bei der Umwertung. Er vertrat die Ansicht, daß die Überführung der Zusatzversorgung in die gesetzliche Rentenversicherung sowie die pauschale Berechnungsweise gegen Verfassungsrecht verstoße. In der Folgezeit erhob er auch Widerspruch gegen die undatierten Mitteilungen der Beklagten zur Rentenanpassung zum 1. Juli 1992, 1. Januar 1993 und 1. Juli 1993. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1993 unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen zurück.

Mit der Klage hat der Kläger die Anerkennung seiner Zusatzversorgung als FZR-Rente, deren entsprechende Angleichung ab Juli 1990 sowie die endgültige Neuberechnung der Rente ab Januar 1992 unter weiterer Berücksichtigung eines Zurechnungsjahres wegen Arbeitslosigkeit begehrt. Hinsichtlich der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat er sich auf ein in einem Parallelverfahren eingereichtes verfassungsrechtliches Gutachten berufen. Durch Urteil vom 29. März 1994 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Zahlbeträge seien zutreffend festgestellt. Grundlage des Zahlbetrages sei die zum 1. Juli 1990 auf DM umgestellte Versorgung. Gemäß § 6 Abs 2 und 3 der 1. RAV sowie § 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 der 2. RAV seien die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung und die Leistung aus der Zusatzversorgung richtig berechnet worden. Die Ansprüche nach der Anordnung vom 20. August 1988 seien ab 1. August 1988 an die Stelle des früheren Rentenanspruchs aus der Zugehörigkeit zur AVI sowie der FZR getreten. Gleichwohl habe es sich weiterhin um eine echte Zusatzversorgung gehandelt. Diese sowie die Altersrente seien zum 1. Januar 1992 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Der Kläger könne eine Dynamisierung der Zahlbeträge aus der Zusatzversorgung nicht verlangen. Die Abschmelzung dieser Leistungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente sei kein Eingriff in verfassungsmäßig geschützte Rechte des Klägers. Gemäß § 307b Abs 5 SGB VI sei ab 1. Januar 1992 eine vorläufige Umwertung im pauschalierten Verfahren vorgesehen. Auf eine endgültige Rentenumwertung bestehe derzeit kein Anspruch. Zeiten der Arbeitslosigkeit könnten erst im Rahmen der endgültigen Neuberechnung nach § 307b Abs 1 und 2 SGB VI festgestellt werden. Auf eine solche Neuberechnung habe der Kläger derzeit keinen Anspruch.

Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Mit ihr begehrt er weiterhin eine individuell neu berechnete Regelaltersrente, daneben eine ungekürzte und dynamisierte Zusatzversorgung sowie die Anerkennung eines Zurechnungsjahres wegen Arbeitslosigkeit und trägt im wesentlichen vor: Die „Liquidierung” der Zusatzversorgung und die jahrelange Verweigerung einer rechtzeitigen und rechtmäßigen Neuberechnung der Rente verstießen gegen Grund- und Menschenrechte. Er habe einen Anspruch auf die in der DDR rechtsstaatlich erworbenen Ansprüche. Die insoweit ergangenen Bescheide seien nach Art 19 des Einigungsvertrages (≪EV≫ vom 31. August 1990, BGBl II S 889) bestandskräftig geblieben. § 24 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, 1457) sei durch den EV nicht außer Kraft gesetzt worden. Die dort getroffene Regelung sei nur insoweit verfassungswidrig, als sie eine „sanfte” Abschmelzung der Zusatzversorgung zum Gegenstand habe. Art 3 GG sei verletzt, weil durch die Überführung der Rentenansprüche – entgegen Art 143 Abs 1 und Art 2 GG – dauerhaft die Bundesrepublik Deutschland in unterschiedliche Rechtsgebiete mit unterschiedlicher Gestaltung und Anwendung der Grundrechte aufgeteilt werde. Die ehemaligen Bürger der DDR würden im Vergleich zu den Bürgern der alten Bundesländer schlechter gestellt. Ihnen werde durch die systemwidrige Abschmelzung der Zusatzversorgung die „zweite Säule” der Alterssicherung genommen, die in der Bundesrepublik Deutschland der Beibehaltung des Lebensstandards im Alter diene. Darüber hinaus würden durch die Nichtberücksichtigung eines Einkommens von über dem 1,8fachen der Beitragsbemessungsgrenze alle auf ein niedrigeres Versorgungsniveau gesetzt. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung verstoße schließlich sowohl gegen Art 14 GG als auch gegen die europäische Menschenrechtskonvention, weil die in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen liquidiert würden. Dies stehe im Gegensatz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Unionsvertrag, BGBl II S 537) und zum EV. Denn danach seien sämtliche erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung zu überführen gewesen. Die Überführung in ein anderes System berechtige nur zur Änderung von Modalitäten, nicht jedoch könne ein fremdes Rentenversicherungssystem nachträglich übergestülpt werden. Schließlich sei die im EV enthaltene Zahlbetragsgarantie eine Realwertgarantie; sie verpflichte zur Anpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten. Sämtliche die Rentenüberführung betreffenden Regelungen verstießen letztlich gegen das Rechtsstaatsgebot; sie seien unbestimmt und in sich widersprüchlich. Zudem könnten sie nicht in einer vertretbaren Art und zumutbaren Frist durchgesetzt werden.

Der Kläger beantragt,

den undatierten Bescheid des Gemeinsamen Trägers der Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 1. RAV, den undatierten Bescheid des Trägers der Rentenversicherung Überleitungsanstalt Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 2. RAV und den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1991 – alle in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. September 1993 – sowie die undatierten Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1992, 1. Januar 1993 und 1. Juli 1993 zu ändern

und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger

  1. ab 1. Juli 1990 Altersrente, die in allen Bestandteilen dynamisiert ist,
  2. über den 1. Juli 1990 hinaus eine angeglichene, angepaßte und dynamisierte Zusatzrente gemäß der FZV-med nach der Anordnung vom 20. April 1988 nach dem Stand vom Juni 1990 in Höhe von 1.226,00 DM,
  3. ab 1. Januar 1992 aufgrund der zur FZR entrichteten und in der FZV-med anerkannten Beiträge einen zusätzlichen, dynamisierten Rentenanteil zu zahlen,
  4. das in der DDR gewährte Zurechnungsjahr wegen Arbeitslosigkeit auch über den 1. Januar 1992 hinaus anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers für die Zeit ab 1. Juli 1990 gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI neu festgestellt (Bescheid vom 15. August 1994). Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

Nicht mehr Streitgegenstand ist das in erster Instanz erhobene Begehren des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Bescheides gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI, dem die Beklagte inzwischen nachgekommen ist.

Soweit das Urteil des SG der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt, ist eine Rechtsgrundlage auf einen Anspruch auf eine höhere Altersrente bzw Altersversorgung des Klägers ab Juli 1990 nicht ersichtlich – Revisionsanträge zu Buchst a) bis c) –. Das SG hat die Klage gegen die zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 ergangenen Bescheide sowie gegen den Bescheid vom 27. November 1991, alle jeweils in der Form des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1993, sowie die nachfolgenden undatierten Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1993, 1. Januar 1993 und 1. Juli 1993 zu Recht abgewiesen.

Vom 1. Juli 1990 an stand dem Kläger nach § 23 Abs 1 Satz 1 RAnglG (seit dem 3. Oktober 1990 mit der Maßgabe des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) bis zur Überführung des Versorgungsanspruchs in die Rentenversicherung der Gesamtbetrag aus Sozialpflichtversicherungsrente und Zusatzversorgung aus der AVI zu, der durch die Bescheide des FDGB und der staatlichen Versicherung der DDR verbindlich festgesetzt war. Dieser Gesamtbetrag war in unveränderter Höhe (aber in DM) weiterzuzahlen. Die Summe aus beiden Leistungen stellte den Gesamtbestand an Rechten und Ansprüchen des Klägers auf Altersversorgung dar, die er in seinem Arbeitsleben in der DDR erworben hatte und die er nach Maßgabe des EV (iVm dem in Ausführung des Art 20 des Unionsvertrages ergangenen RAnglG) bundesrechtlich erhalten konnte (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, 4 RA 40/92BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Die Bescheide der Leistungsträger waren gemäß Art 19 EV über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und nach Art 19 Satz 3 EV für die Beteiligten bindend. Demgemäß schrieben die aufgrund von Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst f des EV (EV Nr 9f) mit Zustimmung des Bundesrates ordnungsgemäß ergangenen Rechtsverordnungen der Bundesregierung den zuvor rechtmäßig erlangten Anspruch auf den Gesamtauszahlbetrag zunächst unter Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente bei gleichzeitiger Abschmelzung der Zusatzversorgung fort, wie dies auch beim Kläger im Bescheid zum 1. Januar 1991 der Fall war (§§ 2, 6 der 1. RAV). Gemäß §§ 3, 4 und 8 der 2. RAV wurde die Rente aus der Sozialpflichtversicherung um 15 vH erhöht; der Gesamtzahlbetrag betrug nach dem Bescheid zum 1. Juli 1991 unverändert 1.853,00 DM.

Daß es sich bei der Versorgung gemäß der „Anordnung über die freiwillige zusätzliche Versorgung für Ärzte…” vom 20. April 1988 um eine Versorgungsleistung im eigentlichen Sinn gehandelt hat, zeigt bereits der Wortlaut der Anordnung. Nachdem der Kläger zuerst eine Zusatz”rente” bzw Zusatzalters”rente” bezogen hatte, wurde ihm später eine zusätzliche „Versorgung” gewährt. Daraus ist zu entnehmen, daß bereits nach dem Verständnis der früheren DDR keine „echte” Sozialversicherungsrente vorgelegen hat. Außerdem hat der erkennende Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG entschieden, daß eine Versorgungsleistung selbst dann vorliegt, wenn ein Versicherter mit einer Versorgungszusage der AVI später zusätzlich Mitglied der FZR geworden ist, und daß die einheitlich gewährte „Zusatzrente” an Rentendynamisierungen nicht teilnimmt (Urteil des Senats vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dasselbe hat der erkennende Senat für den Fall entschieden, daß ein Versicherter zunächst der FZR beigetreten ist und anschießend zusätzlich der AVI angehört hat (Urteil des Senats vom 18. September 1996, 5/4 RA 5/94). Nichts anderes kann erst recht gelten, wenn ein Versicherter – wie hier – jedenfalls zuletzt nur der AVI angehört hat.

Ein Anspruch auf begrenzte Dynamisierung der Zusatzversorgung ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – insbesondere nicht aus § 24 Abs 5 RAnglG. Die in der Vorschrift vorgesehene schonende Abschmelzung der Zusatzversorgungsrenten, die eine Erhöhung des Gesamtauszahlbetrages bei gleichzeitiger teilweiser Erhöhung der zusätzlichen Versorgung zuließ, fand keine Anwendung mehr, und zwar auch nicht für die Zeit bis 31. Dezember 1991. Insoweit verkennt Rokita (SGb 1994 S 1, 8), daß § 24 RAnglG vom EV nicht übernommen wurde (vgl EV Nr 9 Buchst b Satz 4; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Auch für die Zeit ab 1. Januar 1992 hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Rente und Zusatzrente. Die von der Beklagten zutreffend pauschaliert nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Altersrente entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Sie wird insoweit vom Kläger auch nicht beanstandet.

Die Ansprüche des Klägers auf Sozialpflichtversicherungsrente und auf Rente aus der AVI wurden ab Januar 1992 durch einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt und nach diesen Vorschriften pauschaliert berechnet. Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind grundsätzlich die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Die Zusatzversorgungssysteme der DDR (§ 2 Abs 1 AAÜG) waren schon zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt worden. Ab 1. Januar 1992 sind die Vorschriften des SGB VI an die Stelle der Bestimmungen der DDR getreten (gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO). Sofern die pauschaliert berechnete Rente geringer war – was jedoch beim Kläger nicht der Fall ist – als der Gesamtbetrag, der auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts dem Betroffenen zustand, war zu der Rente ein aus den allgemeinen Regelungen des SGB VI nicht herleitbarer Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherung hinzugetreten. Dieser Rentenzuschlag war der Höhe nach als bloßer Bestandsschutzbetrag ausgestaltet, dh als variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem Gesamtzahlbetrag, der dem Betroffenen nach dem am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Recht zustand, und dem jeweiligen Betrag der Rente nach dem SGB VI (§ 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI; so BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Weiterzahlung und Dynamisierung der Leistung aus der Zusatzversorgung ist demnach nicht ersichtlich. Der 4. Senat des BSG hat bereits im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993, ausgehend von der „Systementscheidung” des Gesetzgebers, grundsätzlich alle in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen, ausgeführt, es gebe keine gültige Rechtsnorm, die einer Person, die von den Regelungen des § 307b SGB VI erfaßt werde, Leistungen zuerkenne, die über die Sozialpflichtversicherungsrente und den Rentenzuschlag nach dem SGB VI hinausgehe; der dortige Kläger habe insoweit keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers; es liege außerhalb der funktionalen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit, die Stelle der normsetzenden Instanz einzunehmen oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen. Die Aussage im Urteil bezog sich zwar notwendigerweise auf den zu entscheidenden Fall, der einen Rentner betraf, bei dem der Zahlbetrag aus Sozialpflichtversicherungs- und Zusatzversorgungsrente über dem Höchstbetrag einer nach dem SGB VI zu berechnenden Rente lag. Sie gilt jedoch generell und grundsätzlich im Hinblick auf die vom Gesetzgeber getroffene „Systementscheidung” auch für Fälle, in denen der Anspruch auf Regelaltersrente gleich hoch oder niedriger als die höchstmögliche SGB VI-Rente ist. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen einer – zulässigen – richterlichen Rechtsfortbildung, die Gesetze weiterführt und ergänzt, und einer unzulässigen, im Gegensatz zur rechtspolitischen Grundentscheidung und Wertung des Gesetzgebers stehenden Korrektur des Gesetzes (vgl hierzu BVerfGE 54, 277, 299 f).

Mit seinem Vorbringen in der Revision beanstandet der Kläger letztlich im wesentlichen diese „Systementscheidung” des Gesetzgebers. Seiner Auffassung, die Regelungen im AAÜG und im SGB VI seien verfassungswidrig, kann jedoch nicht gefolgt werden. Der 4. Senat hat im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993 ebenfalls festgestellt, daß er die oben definierte „Systementscheidung” jedenfalls derzeit für verfassungsgemäß hält. Der 4. Senat hat an seiner Auffassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten und diese in der Folgezeit weiter vertieft (vgl ua Urteile vom 30. März 1994, 4 RA 62/93, vom 14. September 1995, 4 RA 1/94 – SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 2, vom 14. September 1995, 4 RA 90/94BSGE 76, 257 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 3, vom 16. November 1995, 4 RA 33/93BSGE 77, 65 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 4, vom 5. März 1996, 4 RA 110/94 und 4 RA 34/95, vom 14. Mai 1996, 4 RA 75/95, sowie vom 29. August 1996, 4 RA 12/95). Der erkennende Senat hat sich diesen Entscheidungen angeschlossen (vgl Urteile vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, und vom 18. September 1996, 5/4 RA 5/94) und hält auch nach erneuter Überprüfung daran fest, daß Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen nicht als „echte” Sozialversicherung anzusehen sind, deshalb im Gegensatz zur Sozialpflichtversicherungsrente eine gesonderte Überführung gerechtfertigt ist, und keine Verfassungswidrigkeit besteht.

Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention weder ersichtlich noch vom Kläger schlüssig dargetan.

Hinsichtlich des Revisionsantrages zu Buchst d) hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, daß der Kläger nicht verlangen kann, daß das in der DDR gewährte Zurechnungsjahr wegen Arbeitslosigkeit bei der pauschalierten Berechnung der Altersversorgung gemäß § 307b Abs 5 SGB VI über den 1. Januar 1992 hinaus berücksichtigt werde. Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an, die keiner Ergänzung bedürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173972

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