Verfahrensgang

SG Rostock (Urteil vom 22.09.1993)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 22. September 1993 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung des Klägers, insbesondere darüber, ob ihm ein Anspruch auf Neuberechnung der Rente sowie auf Weiterzahlung und Dynamisierung einer Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR zusteht.

Der im Jahr 1923 geborene Kläger war rentenversicherungspflichtig zuletzt bis März 1988 als Kapitän eines Fährschiffes bei der Deutschen Reichsbahn tätig. Im Mai 1958 wurde er in die Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI), eingeführt durch Verordnung vom 17. August 1950 (GBl Nr 93 S 844) und geändert durch die Verordnung vom 28. Juni 1952 (GBl S 510), aufgenommen, aus der ihm eine Altersversorgung in Höhe von 60 vH des im letzten Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes nach Vollendung des 65. Lebensjahres bzw bei Eintritt von Erwerbsunfähigkeit ohne Begrenzung auf höchstens 800,00 Mark zugesagt wurde. Zum 1. Januar 1974 trat er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) der ehemaligen DDR bei und entrichtete laufend Beiträge. Ab 1. April 1988 bezog er monatlich eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (408,00 Mark) sowie eine Zusatzrente (1.353,00 Mark) nach den Grundsätzen der §§ 28 und 29 der Verordnung über die Freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung vom 17. November 1977 (FZR-VO), insgesamt 1.761,00 Mark (Bescheid des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung – vom 28. Januar 1988). Zum 1. Dezember 1989 änderten sich die Beträge dahingehend, daß die Sozialpflichtversicherungsrente auf 478,00 Mark monatlich erhöht wurde, so daß bei gleichbleibender Höhe der Zusatzrente ein Betrag von 1.831,00 Mark ausgezahlt wurde (undatierter Änderungsbescheid des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung). Der neue Gesamtzahlbetrag von 1.831,00 Mark monatlich wurde am 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 von Mark auf DM umgestellt (undatierter Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten).

Der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung setzte mit undatiertem Bescheid nach der 1. Rentenanpassungsverordnung (≪1. RAV≫ vom 14. Dezember 1990, BGBl I S 2867) die Rentenansprüche des Klägers im Gesamtzahlbetrag unverändert wie folgt neu fest: Die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung setzte er auf 618,00 DM neu fest, glich sie auf 752,00 DM an und paßte sie zum 1. Januar 1991 auf 865,00 DM an. Die Leistung aus der zusätzlichen Versorgung minderte er zur Erhaltung des bisherigen Gesamtbetrages von 1.353,00 DM gemäß § 6 Abs 2 und 3 der 1. RAV auf 1.079,00 DM. Durch undatierten Bescheid über die Rentenanpassung nach der 2. Rentenanpassungsverordnung (≪2. RAV≫ vom 19. Juni 1991, BGBl I S 1300) paßte der Träger der Rentenversicherung Überleitungsanstalt Sozialversicherung die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung ab 1. Juli 1991 auf 995,00 DM an und minderte die Leistung aus der zusätzlichen Versorgung wegen des Grenzbetrages von 1.500,00 DM (§ 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 der 2. RAV) auf 836,00 DM, so daß der Gesamtbetrag von 1.831,00 DM unverändert blieb. Durch Bescheid vom 28. November 1991 über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” stellte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte fest, die bisher gezahlte Versichertenrente werde künftig als Regelaltersrente geleistet. Die neben der Rente gezahlte Leistung aus der Zusatzversorgung sei durch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1608, 1677) in die Rentenversicherung überführt worden. Künftig würden diese Leistungen als einheitliche Leistung der Rentenversicherung gezahlt. Die persönlichen Entgeltpunkte würden in einem maschinellen Verfahren aus den der bisherigen Rente der Sozialpflichtversicherung zugrundeliegenden Daten ermittelt (§ 307b Abs 5 SGB VI). Der Monatsbetrag der Regelaltersrente belief sich nach Erhöhung um 6,84 % ab Januar 1992 auf 1.956,24 DM. Bei der Berechnung legte die Beklagte 49 Jahre versicherungspflichtige Tätigkeit zugrunde. Da der aus 49,3724 Entgeltpunkten (Ost) ermittelte Rentenbetrag unter dem erhöhten besitzgeschützten Zahlbetrag von 1.956,24 DM blieb, wurde dieser abzüglich des vom Kläger zu tragenden Beitragsanteils zur Krankenversicherung (125,20 DM) in Höhe von 1.831,04 DM weitergeleistet.

Mit seinem Widerspruch vom 23. Dezember 1991 wandte sich der Kläger dagegen, daß seine Altersrente seit Juli 1990 nicht dynamisiert und seine zur FZR gezahlten Beiträge nicht berücksichtigt worden seien. Er vertrat die Ansicht, daß die Überführung der Zusatzversorgung in die gesetzliche Rentenversicherung sowie die durchgeführte Berechnungsweise gegen Verfassungsrecht verstoße. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 1992 unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen zurück.

Mit der beim SG Rostock erhobenen Klage vom 2. September 1992 hat der Kläger die Anerkennung seiner Zusatzversorgung als FZR-Rente, deren entsprechende Angleichung ab Juli 1990 sowie die endgültige Neuberechnung der Rente ab Januar 1992 unter weiterer Berücksichtigung eines Zurechnungsjahres wegen Arbeitslosigkeit begehrt. Hinsichtlich der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat er sich auf ein in einem Parallelverfahren eingereichtes verfassungsrechtliches Gutachten berufen. Durch Urteil vom 22. September 1993 hat das SG die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Zahlbeträge seien zutreffend festgestellt. Grundlage des Zahlbetrages sei die zum 1. Juli 1990 auf DM umgestellte Versorgung. Gemäß § 6 Abs 2 und 3 der 1. RAV sowie § 8 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 der 2. RAV seien die Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung und die Leistung aus der Zusatzversorgung richtig berechnet worden. Bei den Ansprüchen nach der Verordnung vom 17. August 1950 habe es sich nicht um eine Zusatzrente iS der FZR-VO, sondern um eine echte Zusatzversorgung aus der AVI gehandelt. Diese sowie die Altersrente seien zum 1. Januar 1992 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Der Kläger könne eine Dynamisierung der Zahlbeträge aus der Zusatzversorgung nicht verlangen. Die Abschmelzung dieser Leistungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente sei kein Eingriff in verfassungsmäßig geschützte Rechte des Klägers. Gemäß § 307b Abs 5 SGB VI sei ab 1. Januar 1992 eine vorläufige Umwertung im pauschalierten Verfahren vorgesehen. Auf eine endgültige Rentenumwertung bestehe derzeit kein Anspruch.

Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision mit Zustimmung der Beklagten eingelegt. Mit ihr begehrt er weiterhin eine individuell neu berechnete Regelaltersrente sowie daneben eine ungekürzte und dynamisierte Zusatzversorgung und trägt im wesentlichen vor: Die „Liquidierung” der Zusatzversorgung und die jahrelange Verweigerung einer rechtzeitigen und rechtmäßigen Neuberechnung der Rente verstießen gegen Grund- und Menschenrechte. Er habe einen Anspruch auf die in der DDR rechtsstaatlich erworbenen Ansprüche. Die insoweit ergangenen Bescheide seien nach Art 19 des Einigungsvertrages (≪EV≫ vom 31. August 1990, BGBl II S 889) bestandskräftig geblieben. § 24 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, 1457) sei durch den EV nicht außer Kraft gesetzt worden. Die dort getroffene Regelung sei nur insoweit verfassungswidrig, als sie eine „sanfte” Abschmelzung der Zusatzversorgung zum Gegenstand habe. Art 3 GG sei verletzt, weil durch die Überführung der Rentenansprüche – entgegen Art 143 Abs 1 und Art 2 GG – dauerhaft die Bundesrepublik Deutschland in unterschiedliche Rechtsgebiete mit unterschiedlicher Gestaltung und Anwendung der Grundrechte aufgeteilt werde. Die ehemaligen Bürger der DDR würden im Vergleich zu den Bürgern der alten Bundesländer schlechter gestellt. Ihnen werde durch die systemwidrige Abschmelzung der Zusatzversorgung die „zweite Säule” der Alterssicherung genommen, die in der Bundesrepublik Deutschland der Beibehaltung des Lebensstandards im Alter diene. Darüber hinaus würden durch die Nichtberücksichtigung eines Einkommens von über dem 1,8fachen der Beitragsbemessungsgrenze alle auf ein niedrigeres Versorgungsniveau gesetzt. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung verstoße schließlich sowohl gegen Art 14 GG als auch gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte, weil die in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen liquidiert würden. Dies stehe im Gegensatz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Unionsvertrag, BGBl II S 537) und zum EV. Denn danach seien sämtliche erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung zu überführen gewesen. Die Überführung in ein anderes System berechtige nur zur Änderung von Modalitäten, nicht jedoch könne ein fremdes Rentenversicherungssystem nachträglich übergestülpt werden. Schließlich sei die im EV enthaltene Zahlbetragsgarantie eine Realwertgarantie; sie verpflichte zur Anpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten. Sämtliche die Rentenüberführung betreffenden Regelungen verstießen letztlich gegen das Rechtsstaatsgebot; sie seien unbestimmt und in sich widersprüchlich. Zudem könnten sie nicht in einer vertretbaren Art und zumutbaren Frist durchgesetzt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 22. September 1993 aufzuheben, den Bescheid (ohne Datumsangabe) des Gemeinsamen Trägers der Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 1. RAV, den Bescheid (ohne Datumsangabe) des Trägers der Rentenversicherung Überleitungsanstalt Sozialversicherung über die Rentenanpassung gemäß der 2. RAV und den Bescheid der Beklagten vom 28. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1992 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger

  1. ab 1. Juli 1990 die jeweils angepaßte Regelaltersrente festzusetzen, zu zahlen und zu dynamisieren sowie zuzüglich dazu dem Kläger die ursprüngliche ungekürzte Zusatzrente bzw Zusatzversorgung in Höhe von 1.353,00 DM monatlich zu zahlen und zu dynamisieren,
  2. ab 1. Januar 1992 aufgrund der zur FZR entrichteten Beiträge einen zusätzlichen Rentenanteil zumindest in Höhe der angepaßten Ansprüche aus der AVI oder eine zusätzliche Versorgung zu zahlen und zu dynamisieren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers für die Zeit ab 1. Juli 1990 gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI in Höhe von monatlich 2.250,00 DM neu festgestellt (Bescheid vom 26. April 1994).

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

Der während des Revisionsverfahrens gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI ergangene Bescheid der Beklagten vom 26. April 1994 ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Soweit das Urteil des SG der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt, ist eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf eine höhere Altersrente bzw Altersversorgung des Klägers ab Juli 1990 nicht ersichtlich. Das SG hat die Klage gegen die zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 ergangenen Bescheide sowie gegen den Bescheid vom 28. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1992 zu Recht abgewiesen. Ebensowenig sind hieran angeschlossene Rentenanpassungsmitteilungen unrichtig.

Vom 1. Juli 1990 an stand dem Kläger nach § 23 Abs 1 Satz 1 RAnglG (seit dem 3. Oktober 1990 mit der Maßgabe des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 8) bis zur Überführung des Versorgungsanspruchs in die Rentenversicherung der Gesamtbetrag aus Sozialpflichtversicherungsrente und Zusatzversorgung aus der AVI zu, der durch die Bescheide des FDGB und der staatlichen Versicherung der DDR verbindlich festgesetzt war. Dieser Gesamtbetrag war in unveränderter Höhe (aber in DM) weiterzuzahlen. Die Summe aus beiden Leistungen stellte den Gesamtbestand an Rechten und Ansprüchen des Klägers auf Altersversorgung dar, die er in seinem Arbeitsleben in der DDR erworben hatte und die er nach Maßgabe des EV (iVm dem in Ausführung des Art 20 des Unionsvertrages ergangenen RAnglG) bundesrechtlich erhalten konnte (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, 4 RA 40/92BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Die Bescheide der Leistungsträger waren gemäß Art 19 EV über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und nach Art 19 Satz 3 EV für die Beteiligten bindend. Demgemäß schrieben die aufgrund von Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst f des EV (EV Nr 9f) mit Zustimmung des Bundesrates ordnungsgemäß ergangenen Rechtsverordnungen der Bundesregierung den zuvor rechtmäßig erlangten Anspruch auf den Gesamtzahlbetrag zunächst unter Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente bei gleichzeitiger Abschmelzung der Zusatzversorgung fort, wie dies auch beim Kläger im Bescheid zum 1. Januar 1991 der Fall war (§§ 2, 6 der 1. RAV). Gemäß §§ 3, 4 und 8 der 2. RAV wurde die Rente aus der Sozialpflichtversicherung um 15 vH erhöht; der Gesamtzahlbetrag betrug nach dem Bescheid zum 1. Juli 1991 unverändert 1.831,00 DM.

Der erkennende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG entschieden, daß es sich bei der Versorgung aus der AVI nicht um eine „echte” Sozialversicherungsrente, sondern um eine Versorgungsleistung selbst dann gehandelt hat, wenn ein Versicherter mit einer Versorgungszusage der AVI später zusätzlich Mitglied der FZR geworden ist, und daß die einheitlich gewährte „Zusatzrente” an Rentendynamisierungen nicht teilnimmt (Urteil des Senats vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran hält der Senat auch im vorliegenden Fall nach erneuter Überprüfung fest.

Ein Anspruch auf begrenzte Dynamisierung der Zusatzversorgung ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – insbesondere nicht aus § 24 Abs 5 RAnglG. Die in der Vorschrift vorgesehene schonende Abschmelzung der Zusatzversorgungsrenten, die eine Erhöhung des Gesamtzahlbetrages bei gleichzeitiger teilweiser Erhöhung der zusätzlichen Versorgung zuließ, fand keine Anwendung mehr, und zwar auch nicht für die Zeit bis 31. Dezember 1991. Insoweit verkennt Rokita (SGb 1994, S 1, 8), daß § 24 RAnglG vom EV nicht übernommen wurde (vgl EV Nr 9 Buchst b Satz 4; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Auch für die Zeit ab 1. Januar 1992 hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Rente und Zusatzrente. Die von der Beklagten zutreffend pauschaliert nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Altersrente entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Sie wird insoweit vom Kläger auch nicht beanstandet.

Die Ansprüche des Klägers auf Sozialpflichtversicherungsrente und auf Rente aus der AVI wurden ab Januar 1992 durch einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt und nach diesen Vorschriften pauschaliert berechnet. Mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind grundsätzlich die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Die Zusatzversorgungssysteme der DDR (§ 2 Abs 1 AAÜG) waren schon zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt worden. Ab 1. Januar 1992 sind die Vorschriften des SGB VI an die Stelle der Bestimmungen der DDR getreten (gesetzliche Schuldgrundersetzung/Novation; BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO). Sofern die pauschaliert berechnete Rente – wie im Fall des Klägers – geringer war als der Gesamtbetrag, der auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts dem Betroffenen zustand, war zu der Rente ein aus den allgemeinen Regelungen des SGB VI nicht herleitbarer Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der Rentenversicherung hinzugetreten. Dieser Rentenzuschlag war der Höhe nach als bloßer Bestandsschutzbetrag ausgestaltet, dh als variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem Gesamtzahlbetrag, der dem Betroffenen nach dem am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Recht zustand, und dem jeweiligen Betrag der Rente nach dem SGB VI (§ 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI; so BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, aaO).

Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Weiterzahlung und Dynamisierung der Leistung aus der Zusatzversorgung ist demnach nicht ersichtlich. Der 4. Senat des BSG hat bereits im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993, ausgehend von der „Systementscheidung” des Gesetzgebers, grundsätzlich alle in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen, ausgeführt, es gebe keine gültige Rechtsnorm, die einer Person, die von den Regelungen des § 307b SGB VI erfaßt werde, Leistungen zuerkenne, die über die Sozialpflichtversicherungsrente und den Rentenzuschlag nach dem SGB VI hinausgehe; der dortige Kläger habe insoweit keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers; es liege außerhalb der funktionalen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit, die Stelle der normsetzenden Instanz einzunehmen oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen. Die Aussage im Urteil bezog sich zwar notwendigerweise auf den zu entscheidenden Fall, der einen Rentner betraf, bei dem der Zahlbetrag aus Sozialpflichtversicherungs- und Zusatzversorgungsrente über dem Höchstbetrag einer nach dem SGB VI zu berechnenden Rente lag. Sie gilt jedoch generell und grundsätzlich im Hinblick auf die vom Gesetzgeber getroffene „Systementscheidung” auch für Fälle, in denen der Anspruch auf Regelaltersrente gleich hoch oder niedriger als die höchstmögliche SGB VI-Rente ist. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen einer – zulässigen – richterlichen Rechtsfortbildung, die Gesetze weiterführt und ergänzt, und einer unzulässigen, im Gegensatz zur rechtspolitischen Grundentscheidung und Wertung des Gesetzgebers stehenden Korrektur des Gesetzes (vgl hierzu BVerfGE 54, 277, 299 f).

Mit seinem Vorbringen in der Revision beanstandet der Kläger letztlich im wesentlichen diese „Systementscheidung” des Gesetzgebers. Seiner Auffassung, die Regelungen im AAÜG und im SGB VI seien verfassungswidrig, kann jedoch nicht gefolgt werden. Der 4. Senat hat im vorgenannten Urteil vom 27. Januar 1993 ebenfalls festgestellt, daß er die oben definierte „Systementscheidung” jedenfalls derzeit für verfassungsgemäß hält. Der 4. Senat hat an seiner Auffassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten und diese in der Folgezeit weiter vertieft (vgl ua Urteile vom 30. März 1994, 4 RA 62/93, vom 14. September 1995, 4 RA 1/94 – SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 2, vom 14. September 1995, 4 RA 90/94BSGE 76, 257 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 3, vom 16. November 1995, 4 RA 33/93BSGE 77, 65 = SozR 3-8120 Kap VII H III Nr 9 Nr 4, vom 5. März 1996, 4 RA 110/94 und 4 RA 34/95, vom 14. Mai 1996, 4 RA 75/95, sowie vom 29. August 1996, 4 RA 12/95). Der erkennende Senat hat sich diesen Entscheidungen angeschlossen (vgl Urteile vom 17. Juli 1996, 5/4 RA 21/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, und vom 18. September 1996, 5/4 RA 5/94) und hält auch nach erneuter Überprüfung daran fest, daß Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen nicht als „echte” Sozialversicherung anzusehen sind, deshalb im Gegensatz zur Sozialpflichtversicherungsrente eine gesonderte Überführung gerechtfertigt ist, und keine Verfassungswidrigkeit besteht.

Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte weder ersichtlich noch vom Kläger schlüssig dargetan.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173974

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