Rn 3

Kommt es zur Vorlage eines Insolvenzplans, so kann bis zu dessen Rechtskraft (d. h. unanfechtbare gerichtliche Bestätigung nach § 248) geraume Zeit vergehen, in der die gesetzlichen Grundsätze gelten. Folglich wäre der Verwalter gemäß § 159, § 196 Abs. 1 verpflichtet, die sofortige Verwertung der Massegegenstände zu betreiben und das Erlangte zu verteilen. Dabei bräuchte er auf den vorgelegten Plan keine Rücksicht zu nehmen und der Fortgang der Verwertung könnte dem Plan die Grundlage entziehen, bevor die Gläubiger Gelegenheit hatten, über die Annahme des Plans zu entscheiden. Als Ausweg aus dieser Interessenkollision eröffnet § 233 Satz 1 die Möglichkeit, die eigentlich geltenden gesetzlichen Regeln bis zur Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans (oder seiner Ablehnung) auszusetzen, wenn die zur Vorlage eines Plans Berechtigten, d. h. der Verwalter oder der Insolvenzschuldner, einen Antrag stellen und eine Gefährdung des Plans besteht. Die Aussetzung der Verwertung soll den Regelfall darstellen. Normalerweise wird der Aussetzungsantrag nur bei einem vom Schuldner vorgelegten Plan virulent. Hat der Verwalter einen eigenen, insbesondere einen auf einer entsprechenden Beschlussfassung der Gläubigerversammlung beruhenden Insolvenzplan erstellt, ist dem bereits eine vorübergehende Aussetzung der Verwertung des schuldnerischen Vermögens immanent.[3]

[3] Braun-Braun/Frank, § 233 Rn. 7 m. w. N.; Uhlenbruck-Lüer/Streit, § 233 Rn. 5 ff.; a. A.: K. Schmidt-Spliedt, § 233 Rn. 1 (wegen haftungsrechtlicher Absicherung des Insolvenzverwalters ausdrücklicher Antrag notwendig).

2.1 Voraussetzungen

2.1.1 Vorgelegter Insolvenzplan

 

Rn 3a

Aus der Formulierung "Gefährdung der Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans" folgt zunächst, dass für die Aussetzung der Verwertung kein Raum ist, wenn der Plan noch nicht vorgelegt, sondern nur angekündigt worden ist. Die Absicht, einen Insolvenzplan einzureichen, rechtfertigt es also nicht, die Verwertung auszusetzen.[4]

Unterschiedlich beurteilt wird im Schrifttum[5] die Frage, ob nach Einreichung des Plans, aber bevor über dessen eventuelle Zurückweisung nach § 231 entschieden ist, vom Gericht schon eine Aussetzungsentscheidung getroffen werden kann. Die herrschende Meinung lehnt das mit dem Hinweis auf die systematische Stellung von § 233, d. h. nach § 231 ab.[6] Der Wortlaut der Norm streitet hierfür allerdings nicht. Das Gesetz spricht nur von einem "vorgelegten", nicht hingegen von einem "zugelassenen" Insolvenzplan. Vergegenwärtigt man sich Sinn und Zweck von § 233, der die Gefahr, dass die Umsetzung eines eingereichten Plans durch eine Verwertungsmaßnahme gefährdet wird, beseitigen will, sprechen die besseren Gründe für die Mindermeinung: Auch im Zeitraum zwischen der Einreichung des Plans und dessen in der Einleitung des Verfahrens nach § 232 zum Ausdruck kommender "Zulassung" besteht die Gefahr, dass dem Plan wegen der Fortsetzung der Verwertung die Grundlage entzogen wird.[7]

Aus dem gleichen Grunde ist es auch zulässig, bereits im Eröffnungsverfahren einen Aussetzungsantrag zu stellen.[8] Allerdings setzt das die Planeinreichung schon zu diesem Zeitpunkt voraus.

Wird der Aussetzungsantrag erst nach Rechtskraft des Insolvenzplans gestellt, ist er nicht mehr zulässig.[9]

[4] Andres/Leithaus, § 233 Rn. 2.
[5] Veröffentlichte gerichtliche Entscheidungen sind nicht bekannt.
[6] Andres/Leithaus, § 233 Rn. 2.
[7] Wie hier: Brünkmans/Thole-Laroche, S. 490 Rn. 15.
[8] Andres/Leithaus, § 233 Rn. 2.
[9] Uhlenbruck-Lüer/Streit, § 233 Rn. 9.

2.1.2. "Durchführung" des Plans

 

Rn 3b

Entgegen dem Wortlaut von § 233 muss nicht zwingend die Durchführung des Plans gefährdet sein. Es genügt bereits, dass dessen "Annahme" durch die Gläubiger gefährdet ist.

2.1.3. "Fortsetzung" der Verwertung und Verteilung

 

Rn 3c

Nicht nur die Fortsetzung der Verwertung/Verteilung kann die Durchführung des Plans gefährden. Auch der Beginn der Verwertung/Verteilung der Masse kann der Plandurchführung die Grundlage entziehen, weshalb auch er Anknüpfungspunkt für einen Aussetzungsantrag sein kann.[10]

[10] MünchKomm-Breuer, § 233 Rn. 8.

2.1.4 Gefährdung des Plans

 

Rn 4

Eine Gefahr für die Planumsetzung ergibt sich aus der Kollision der Pflicht des Verwalters, einerseits gemäß § 159 nach Abhaltung des Berichtstermins unverzüglich die Verwertung des Schuldnervermögens durchzuführen, und andererseits dem Erfordernis der Wahrung des Status quo, damit die Abwicklung auf der Grundlage eines Plans möglich bleibt. Wird der Status quo gefährdet, hat das Gericht deshalb im Falle eines entsprechenden Antrags des Schuldners oder des Verwalters die Verwertung und Verteilung auszusetzen. Gleichzeitig wird damit der Verwalter der Gefahr einer Haftung aus § 60 enthoben, weil die Pflicht zur Verwertung entfällt.

 

Rn 5

Die Gefährdung des Insolvenzplans wird sich i. d. R. daraus ergeben, dass der Verwalter im Falle einer sofortigen Verwertung entweder bewegliche Gegenstände aus der Masse entfernt, die für eine geplante Fortführung des Unternehmens gebraucht werden oder die zusammen mit anderen Bestandteilen der Masse als eine fortführungsfähige Einheit zu einem höheren Preis hätten veräußert werden...

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