Rn 4

Die Bindungswirkung tritt nur ein, wenn im Verfahren nach § 126 eine Sachentscheidung getroffen wurde. Sie besteht folglich nicht, wenn im Verfahren nach § 126 der Antrag als unzulässig abgewiesen wurde.[2] Im Einzelnen hat die Bindungswirkung drei Voraussetzungen:

[2] A/G/R/Hergenröder, InsO, 4. Aufl. 2020, § 127 Rn. 14; HK-InsO/Linck, 10. Aufl. 2020, § 127 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Schöne, InsO, 82. Lfg. 2019, § 127 Rn. 18.

2.2.1 Kündigungsschutzprozess

 

Rn 5

Dem Rechtsstreit, in dem die Bindungswirkung eintreten soll, muss nach § 127 Abs. 1 Satz 1 eine Klage des Arbeitnehmers gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst oder die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, zugrunde liegen. Dieser Rechtsstreit darf noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sein.[3]

2.2.2 Rechtskraft des Beschlusses

 

Rn 6

Die Bindungswirkung tritt nach dem Wortlaut des § 127 Abs. 1 Satz 1 erst ein, sobald der nach § 126 ergangene Beschluss rechtskräftig ist. Gemeint ist hiermit die formelle Rechtskraft, also der Umstand, dass die Entscheidung von keinem Beteiligten mehr angefochten werden kann.[4] Ob der Beschluss nach § 126 in Rechtskraft erwachsen ist, ist für jeden von diesem Beschluss betroffenen Arbeitnehmer separat zu prüfen, weil das Arbeitsgericht mitunter die Rechtsbeschwerde nur bezüglich einiger Arbeitnehmer zugelassen haben wird (§ 126 Rn. 39).

 

Rn 7

Hat das Arbeitsgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, tritt die Rechtskraft des im Verfahren nach § 126 ergangenen Beschlusses mit seiner Verkündung ein (§ 126 Rn. 38). Hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, tritt die Rechtskraft, wenn die Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird, in dem Zeitpunkt ein, in dem die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 126 Rn. 40) abläuft.[5] Ist die Rechtsbeschwerde zugelassen und eingelegt, vom Bundesarbeitsgericht jedoch zurückgewiesen worden, tritt die Rechtskraft mit der Verkündung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts oder, sofern keine Verkündung erfolgt, in dem – in der Gerichtsakte zu dokumentierenden – Augenblick ein, in dem die Ausfertigungen des Beschlusses von der Geschäftsstelle des Bundesarbeitsgerichts an das Postunternehmen zur Beförderung übergeben werden.[6]

[4] BAG 25.02.2015, 5 AZR 849/13, juris, Rn. 34; Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 84 Rn. 23.
[5] Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 84 Rn. 23.
[6] Vgl. BVerwG 26.01.1994, 6 C 2/92, juris, Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg 14.03.2017, OVG 3 A 21.16, juris, Rn. 12; OVG Thüringen 30.04.2021, 3 SO 378/19, juris, Rn. 24.

2.2.3 Erfasster Arbeitnehmer

 

Rn 8

Die Bindungswirkung gilt nur hinsichtlich der Arbeitnehmer, bezüglich derer im Verfahren nach § 126 eine Sachentscheidung getroffen wurde. Der Wortlaut des § 127 Abs. 1 Satz 1, der davon spricht, dass der Arbeitnehmer in dem Antrag nach § 126 Abs. 1 bezeichnet gewesen sein muss, ist ungenau und daher berichtigend auszulegen. Darauf, ob der Arbeitnehmer in dem Antrag, durch den der Insolvenzverwalter das Verfahren nach § 126 eingeleitet hat, genannt gewesen ist, kann es nicht (allein) ankommen. Denn damit ist noch nicht gesagt, dass auch hinsichtlich dieses Arbeitnehmers eine Sachentscheidung nach § 126 Abs. 1 ergangen ist. Vorstellbar ist etwa, dass hinsichtlich einzelner im Antrag aufgeführter Arbeitnehmer im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht (§ 126 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG) kein mündlicher Antrag gestellt worden ist; in diesem Fall betrifft der von dem Arbeitsgericht erlassene Beschluss diese Arbeitnehmer nicht (§ 126 Rn. 42). Entscheidend ist daher, ob im Verfahren nach § 126 bezüglich des konkreten Arbeitnehmers eine Sachentscheidung getroffen worden ist. Dies setzt voraus, dass der Tenor der nach § 126 ergangenen Entscheidung ausdrücklich auf den konkreten Arbeitnehmer Bezug nimmt, entweder indem im Tenor festgestellt wird, dass die Kündigung dieses Arbeitnehmers (dieses Beteiligten am Beschlussverfahren) sozial gerechtfertigt ist, oder indem der Tenor den Ausspruch enthält, dass der Antrag hinsichtlich dieses Arbeitnehmers abgewiesen wird.[7]

 

Rn 9

Demgegenüber setzt die Bindungswirkung nicht voraus, dass dem betroffenen Arbeitnehmer im Verfahren nach § 126 "ausreichend" rechtliches Gehör gewährt worden ist.[8] Denn solch eine Prüfung würde das Kündigungsschutzverfahren überfrachten, wobei auch unklar ist, wann das rechtliche Gehör "ausreichend" gewesen ist. Der Gesetzgeber sah es als selbstverständlich an, dass die Beteiligungsrechte des Arbeitnehmers im Verfahren nach § 126 gewahrt werden und ihm dort insbesondere rechtliches Gehör gewährt wird (Art. 103 Abs. 1 GG). Geschieht dies nicht, muss der Arbeitnehmer im Verfahren nach § 126 seine Beteiligung mit den dort zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln erzwingen. Ist ihm die verfahrenseinleitende Antragsschrift oder die Ladung zum Anhörungstermin nicht zugestellt worden, ist er an dem Verfahren bereits nicht im ...

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