Gesetzestext

 

(1) 1Kündigt der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer, der in dem Antrag nach § 126 Abs. 1 bezeichnet ist, und erhebt der Arbeitnehmer Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst oder die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, so ist die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren nach § 126 für die Parteien bindend. 2Dies gilt nicht, soweit sich die Sachlage nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung wesentlich geändert hat.

(2) Hat der Arbeitnehmer schon vor der Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren nach § 126 Klage erhoben, so ist die Verhandlung über die Klage auf Antrag des Verwalters bis zu diesem Zeitpunkt auszusetzen.

1. Normzweck

 

Rn 1

Die Vorschrift ergänzt § 126. Ohne die durch § 127 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Bindungswirkung für den Kündigungsschutzprozess und ohne die in § 127 Abs. 2 angeordnete Aussetzung des Kündigungsschutzprozesses wäre das Verfahren nach § 126 sinnlos. Denn der Zweck des § 126, über die soziale Rechtfertigung einer Vielzahl von Kündigungen in einem einheitlichen "Sammelverfahren" zu entscheiden (§ 126 Rn. 1), könnte nicht erreicht werden, wenn parallel zu dem Sammelverfahren über individuelle Kündigungsschutzklagen verhandelt würde und in diesen Kündigungsschutzprozessen in Bezug auf die soziale Rechtfertigung anderslautende Entscheidungen ergehen könnten als im "Sammelverfahren".

2. Bindungswirkung

 

Rn 2

§ 127 Abs. 1 verzahnt das "Sammelverfahren" des § 126 mit den individuellen Kündigungsschutzprozessen, indem er anordnet, dass die in dem "Sammelverfahren" getroffene Entscheidung für den Kündigungsschutzprozess bindend ist. Ein Verfahren nach § 126 schließt etwaige individuelle Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern nicht aus, sondern stellt lediglich sicher, dass das dortige Ergebnis auch für die Individualklagen maßgeblich ist.

2.1 Bedeutung

 

Rn 3

Bindungswirkung bedeutet, dass die Gerichte im Kündigungsschutzprozess ihrer Entscheidung über die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung den im Verfahren nach § 126 ergangenen Beschluss zugrunde legen müssen. Im Kündigungsschutzprozess darf (vorbehaltlich § 127 Abs. 1 Satz 2, hierzu unten Rn. 16 ff.) keine Entscheidung ergehen, die der im Verfahren nach § 126 ergangenen Entscheidung widerspricht. Die Bindungswirkung ist damit mehr als eine Vermutung. Dem Arbeitnehmer steht im Kündigungsrechtsstreit nicht der Beweis des Gegenteils offen.[1]

[1] Kübler/Prütting/Bork/Schöne, InsO, 82. Lfg. 2019, § 127 Rn. 10.

2.2 Voraussetzungen

 

Rn 4

Die Bindungswirkung tritt nur ein, wenn im Verfahren nach § 126 eine Sachentscheidung getroffen wurde. Sie besteht folglich nicht, wenn im Verfahren nach § 126 der Antrag als unzulässig abgewiesen wurde.[2] Im Einzelnen hat die Bindungswirkung drei Voraussetzungen:

[2] A/G/R/Hergenröder, InsO, 4. Aufl. 2020, § 127 Rn. 14; HK-InsO/Linck, 10. Aufl. 2020, § 127 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Schöne, InsO, 82. Lfg. 2019, § 127 Rn. 18.

2.2.1 Kündigungsschutzprozess

 

Rn 5

Dem Rechtsstreit, in dem die Bindungswirkung eintreten soll, muss nach § 127 Abs. 1 Satz 1 eine Klage des Arbeitnehmers gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst oder die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist, zugrunde liegen. Dieser Rechtsstreit darf noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sein.[3]

2.2.2 Rechtskraft des Beschlusses

 

Rn 6

Die Bindungswirkung tritt nach dem Wortlaut des § 127 Abs. 1 Satz 1 erst ein, sobald der nach § 126 ergangene Beschluss rechtskräftig ist. Gemeint ist hiermit die formelle Rechtskraft, also der Umstand, dass die Entscheidung von keinem Beteiligten mehr angefochten werden kann.[4] Ob der Beschluss nach § 126 in Rechtskraft erwachsen ist, ist für jeden von diesem Beschluss betroffenen Arbeitnehmer separat zu prüfen, weil das Arbeitsgericht mitunter die Rechtsbeschwerde nur bezüglich einiger Arbeitnehmer zugelassen haben wird (§ 126 Rn. 39).

 

Rn 7

Hat das Arbeitsgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, tritt die Rechtskraft des im Verfahren nach § 126 ergangenen Beschlusses mit seiner Verkündung ein (§ 126 Rn. 38). Hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, tritt die Rechtskraft, wenn die Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird, in dem Zeitpunkt ein, in dem die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 126 Rn. 40) abläuft.[5] Ist die Rechtsbeschwerde zugelassen und eingelegt, vom Bundesarbeitsgericht jedoch zurückgewiesen worden, tritt die Rechtskraft mit der Verkündung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts oder, sofern keine Verkündung erfolgt, in dem – in der Gerichtsakte zu dokumentierenden – Augenblick ein, in dem die Ausfertigungen des Beschlusses von der Geschäftsstelle des Bundesarbeitsgerichts an das Postunternehmen zur Beförderung übergeben werden.[6]

[4] BAG 25.02.2015, 5 AZR 849/13, juris, Rn. 34; Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 84 Rn. 23.
[5] Germelmann/Matthes/Prütting/Spinner, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 84 Rn. 23.
[6] Vgl. BVerwG 26.01.1994, 6 C 2/92, juris, Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg 14...

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