Was gilt für die Urlaubsabgeltung im Insolvenzverfahren?
Ein vorläufiger Insolvenzverwalter verwaltet das Unternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wie ist mit den Urlaubsabgeltungsansprüchen von Beschäftigten umzugehen, wenn deren Arbeitsleistung durch den sogenannten starken vorläufigen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird? Das Bundesarbeitsgericht vertrat hier lange die Auffassung, dass noch offene Urlaubsansprüche der Beschäftigten vom Insolvenzverwalter nur anteilig als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) beziehungsweise als Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) zu berichtigen sind.
Von dieser Auffassung ist der Neunte Senat auf Nachfrage des Sechsten Senats bereits in seinem Beschluss im Februar 2021 abgerückt. Das aktuelle Urteil des Sechsten Senats gibt die nunmehr einheitliche Rechtsauffassung des BAG zum insolvenzrechtlichen Rang des Urlaubsabgeltungsanspruchs wieder.
Arbeitnehmer fordert Urlaubsabgeltung als Masseverbindlichkeit
Der Arbeitnehmer wurde im Insolvenzeröffnungsverfahren vom damaligen starken vorläufigen Insolvenzverwalter bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Arbeit herangezogen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens forderte er für die Urlaubstage, die er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen hatte, Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.391,30 Euro brutto. Aus seiner Sicht habe diese Zahlung durch den Insolvenzverwalter vorrangig als Masseverbindlichkeit zu erfolgen. Der nunmehrige Insolvenzverwalter lehnte die Zahlung ab, da es sich seiner Meinung nach bei der Urlaubsabgeltung nur um eine - nachrangig zu erfüllende - zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung handelte.
BAG: Urlaubsabgeltung in voller Höhe Masseverbindlichkeit
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision des ehemaligen Arbeitnehmers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Urlaubsabgeltung sei in voller Höhe als Masseverbindlichkeit zu berichtigen. In seinem Urteil führte das Gericht aus, dass § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO die Begründung von Masseverbindlichkeiten vorsehe, "soweit" der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Daher müssten alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten erfüllt werden, wenn sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmenden entscheide. Nach Auffassung des Senats sind hiervon nicht nur Ansprüche, die unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen erfasst, sondern auch solche, denen keine unmittelbare Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 2021, Az: 6 AZR 94/19; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 23 Sa 505/18
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