Leitsatz (amtlich)

a) Der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB setzt nicht voraus, dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht.

b) § 1686 BGB kann in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind (hier: Jugendamt).

c) Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Eine solche anderweitige Möglichkeit kann ggf. der Umgang mit dem Kind darstellen, aber auch in sonstigen Informationsquellen bestehen, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.

d) Zum Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte nach § 1686 BGB beanspruchen kann.

 

Normenkette

BGB § 1686

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 27.06.2016; Aktenzeichen 15 WF 74/16)

AG Öhringen (Beschluss vom 18.04.2016; Aktenzeichen 2 F 106/16)

 

Tenor

Der Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Stuttgart vom 27.6.2016 wird von Amts wegen wie folgt berichtigt:

- Der erste Satz von Ziff. 2 der Beschlussformel beginnt richtig wie folgt: "Auf die Beschwerde des Jugendamts wird (...)".

- Im ersten Satz unter Ziff. II. 2 der Gründe sind die Worte "als Ergänzungspfleger" ersatzlos zu streichen.

Auf die Rechtsbeschwerde wird der vorbezeichnete Beschluss aufgehoben, soweit die auf Auskunftserteilung gerichteten Anträge des weiteren Beteiligten zu 1) gegen die weiteren Beteiligten zu 2) und zu 3) zurückgewiesen worden sind. Im Übrigen (Auskunftsanspruch gegen die weiteren Beteiligten zu 4) wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.

Wert: 3.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) begehrt von der Kindesmutter (Beteiligte zu 2), dem Jugendamt (Beteiligter zu 3) und den Pflegeeltern (Beteiligte zu 4) Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Sohnes.

Rz. 2

Der Antragsteller ist der Vater des am 1.2.2006 ehelich geborenen Kindes und von dessen Mutter inzwischen geschieden. Bereits kurz nach der Geburt zogen Mutter und Kind zu den Eheleuten H., die bereits die Pflegeeltern der Mutter waren und nun Pflegeeltern des Kindes sind. Im Juli 2008 wurden den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Stellung von Jugendhilfeanträgen und das Recht zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Für die Mutter besteht eine Betreuung. Das Kind hat mit beiden Eltern Umgang. Wegen des - aktuell nur begleitet stattfindenden - Umgangs mit dem Antragsteller ist ein weiteres familiengerichtliches Verfahren anhängig.

Rz. 3

Im Februar 2016 hat der Antragsteller beantragt, die Kindesmutter, die Pflegeeltern und das Jugendamt zu monatlichen detaillierten schriftlichen Auskünften über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verpflichten, und dabei eine Reihe von Punkten aufgeführt, auf die sich die Auskunft erstrecken solle. Das AG hat diesem Antrag insoweit entsprochen, als es die Kindesmutter und die Pflegeeltern verpflichtet hat, dem Jugendamt halbjährlich Bericht zu erstatten, und das Jugendamt verpflichtet hat, diese Auskünfte an den Antragsteller weiterzuleiten. Als von der Auskunftspflicht umfasst hat es dabei "insb. (...) die Entwicklung des Kindes, (...) etwaige Erkrankungen und Impfungen/Allergien etc., die schulischen Leistungen sowie ein aktuelles Foto des Kindes" bezeichnet und den Antrag im Übrigen abgewiesen.

Rz. 4

Hiergegen haben das Jugendamt und der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller hat zudem beantragt, die Antragsgegner zur Unterlassung bestimmter Behauptungen zu verpflichten. Das OLG hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, auf die Beschwerde des Jugendamts in Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses die Anträge des Antragstellers vollständig zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Rz. 5

Mit der beschränkt eingelegten Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine auf Auskunft gerichteten Anträge in vollem Umfang weiter.

II.

Rz. 6

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Auskunftsanträge gegen die Kindesmutter und das Jugendamt richtet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Rz. 7

1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Rz. 8

Nach § 1686 BGB sei lediglich ein Elternteil zur Auskunft verpflichtet. Deshalb scheide eine Auskunftsverpflichtung der Pflegeeltern ebenso wie eine solche des Jugendamts als Ergänzungspfleger von vornherein aus. Auch die Mutter sei nicht auskunftsverpflichtet, weil das Kind sich nicht in ihrer Obhut befinde. Denn sie könne aus eigener Anschauung und Kenntnis der persönlichen Verhältnisse keine Auskunft geben, und weder Pflegeeltern noch Jugendamt seien ihr gegenüber auskunftspflichtig.

Rz. 9

Es bestehe auch kein Anlass, die Auskunftspflicht des § 1686 BGB durch dessen entsprechende Anwendung auf die Pflegeeltern und das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu erstrecken. Der Gesetzgeber habe lediglich einen Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind aufhalte, zur Auskunft verpflichten wollen, nicht aber Dritte, gleich in welcher Funktion sie in die Betreuung des Kindes eingebunden seien. Deshalb fehle es an einer gesetzgeberischen Lücke. Die gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen den Schutz der Elternrechte des Antragstellers. Denn es sei ihm unbenommen, das Jugendamt nach § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII auf Vermittlung und Hilfestellung hinsichtlich der Auskunft in Anspruch zu nehmen. Dieses habe ihm angeboten, ihm im Rahmen der Hilfeplangespräche sowie in gesonderten Gesprächen Auskunft zu erteilen, doch habe der Antragsteller solche Gesprächsmöglichkeiten bislang nicht wahrgenommen.

Rz. 10

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

Rz. 11

a) Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung unterliegt die angefochtene Entscheidung nicht bereits deshalb (teilweise) der Aufhebung, weil das OLG den erstinstanzlichen Beschluss auf die Beschwerde des Kindes abgeändert habe, ohne dass eine solche eingelegt gewesen sei.

Rz. 12

Zutreffend ist zwar, dass das OLG in der Beschlussformel die Abänderung auf eine Beschwerde des Kindes ausgesprochen und in den Gründen ausgeführt hat, "die Beschwerde des Jugendamts als Ergänzungspfleger" sei begründet. Hierbei handelt es sich jedoch um offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 42 Abs. 1 FamFG. Das OLG führt im Sachverhalt zutreffend aus, dass das Jugendamt gegen den Beschluss des AG Beschwerde eingelegt habe. Wie sich aus der damit in Bezug genommenen Beschwerdeschrift ohne Weiteres ergibt, wurde das Jugendamt dabei nicht als gesetzlicher Vertreter des Kindes, sondern aus eigenem Beschwerderecht gem. § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG tätig. Außer der im angefochtenen Beschluss gesondert abgehandelten Beschwerde des Antragstellers gab es keine weitere Beschwerde, so dass das OLG allein auf die vom Jugendamt eingelegte Beschwerde abgestellt haben kann und insoweit eine schlichte Falschbezeichnung vorliegt. Diese kann der Senat als zuständiges Rechtsbeschwerdegericht selbst berichtigen (vgl. BGH v. 28.6.2006 - XII ZB 9/04, NJW-RR 2006, 1628 Rz. 18 m.w.N.; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl., § 42 Rz. 31; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim FamFG 5. Aufl., § 42 Rz. 30).

Rz. 13

b) Die vom Antragsteller geltend gemachten Auskunftsansprüche lassen sich mit der vom OLG gewählten Begründung nicht verneinen. Anders als in der angefochtenen Entscheidung angenommen setzt der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB zum einen nicht zwingend voraus, dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind in einem Sinn ausübt, wie er etwa §§ 1629 Abs. 2 Satz 2, 1684 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. insoweit BGH v. 12.3.2014 - XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 Rz. 16) zugrunde liegt. Grundsätzlich kommt daher auch die auf Umgangskontakte beschränkte Kindesmutter als Anspruchsgegnerin in Betracht. Zum anderen ist die entsprechende Anwendung des § 1686 BGB auf andere Auskunftsverpflichtete als den Elternteil nicht von vorneherein ausgeschlossen, wobei sich der Anspruch im vorliegenden Fall nicht gegen die Pflegeeltern, sondern nur gegen das Jugendamt richten kann.

Rz. 14

aa) Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Die Vorschrift stellt ihrem Wortlaut nach nicht darauf ab, welcher Elternteil die Obhut über das Kind ausübt, sondern setzt allein ein berechtigtes Interesse voraus. Dieses kann nach richtiger Ansicht grundsätzlich auch gegenüber einem "nur" umgangsberechtigten Elternteil bestehen (vgl. etwa OLG Brandenburg FamRZ 2007, 2003 f.; Erman/Döll BGB, 14. Aufl., § 1686 Rz. 1; Fröschle Sorge und Umgang Rz. 1321; MünchKomm/Hennemann BGB, 6. Aufl., § 1686 Rz. 5; Palandt/Götz BGB, 76. Aufl., § 1686 Rz. 4; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 5; a.A. wohl BeckOK/BGB/Veit [Stand: 1.5.2016] § 1686 Rz. 4; jurisPK/BGB/Poncelet [Stand: 15.10.2016] § 1686 Rz. 13). Das ergibt sich sowohl aus der Gesetzgebungsgeschichte als auch aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung.

Rz. 15

(1) In § 1686 Satz 1 BGB ist der Auskunftsanspruch des Elternteils durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997 (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG; BGBl. I, 2942) mit Wirkung zum 1.7.1998 geregelt worden. Im Gegensatz zur Vorläuferbestimmung des § 1634 Abs. 3 Satz 1 BGB ist auskunftsberechtigt nicht mehr nur derjenige Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht. Während der Auskunftsanspruch ursprünglich geschaffen wurde, um das mit Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts einhergehende Informationsdefizit des umgangsberechtigten Elternteils auszugleichen (BT-Drucks. 8/2788, 55), kommt dem Anspruch nunmehr neben dieser reinen Ersatzfunktion zusätzlich eine Ergänzungsfunktion gegenüber dem Umgangsrecht zu (BeckOK/BGB/Veit [Stand: 1.5.2016] § 1686 Rz. 1 m.w.N.; NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl., § 1686 Rz. 3; Palandt/Götz BGB, 76. Aufl., § 1686 Rz. 1; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 2).

Rz. 16

§ 1686 BGB will dem Grundsatz nach jedem Elternteil ohne Rücksicht auf die Verteilung des Sorgerechts (vgl. BT-Drucks. 13/4899, 107) ermöglichen, vom anderen Elternteil die wesentlichen Informationen zu den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erhalten, an die er anders nicht in zumutbarer Weise gelangen kann. Ein solches Informationsbedürfnis kann aber auch gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil etwa hinsichtlich solcher Vorgänge bestehen, die sich im Rahmen des Umgangs ereignet haben (Palandt/Götz BGB, 76. Aufl., § 1686 Rz. 4; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 5).

Rz. 17

(2) Ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille lässt sich, anders als das OLG meint, den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/4899, 107) nicht entnehmen. Dort ist ausgeführt, der Auskunftsanspruch solle nicht mehr davon abhängen, dass derjenige, der Auskunft erhalten wolle, nicht Inhaber der Sorge sei. Vielmehr könne "auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge insb. gegenüber demjenigen Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, ein Auskunftsbedürfnis bestehen." Damit wird lediglich beispielhaft ein Fall beschrieben, in dem ein berechtigtes Interesse des (mit)sorgeberechtigten Elternteils auf Auskunft vorliegen kann, ohne aber die Obhut des Auskunftsverpflichteten zur Anspruchsvoraussetzung zu erheben.

Rz. 18

bb) Mit Blick auf den Gesetzeszweck kann § 1686 BGB in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil sind (OLG Hamm Beschluss vom 1.8.2016 - 4 UF 99/16 - juris Rz. 7; DIJuF-Rechtsgutachten JAmt 2013, 203, 204; Fröschle Sorge und Umgang Rz. 1323 f.; Gottschalk in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1686 Rz. 5; Horndasch in Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Stand: Februar 2016] Teil E Rz. 150; NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl., § 1686 Rz. 5; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 5; so dem Grundsatz nach auch MünchKomm/BGB/Hennemann 6. Aufl., § 1686 Rz. 6; a.A. BeckOK/BGB/Veit [Stand: 1.5.2016] § 1686 Rz. 4; Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 6. Aufl., § 1686 Rz. 1; jurisPK/BGB/Poncelet [Stand: 15.10.2016] § 1686 Rz. 14; Maier in Meyer-Götz Familienrecht 3. Aufl., § 7 Rz. 172; Palandt/Götz BGB, 76. Aufl., § 1686 Rz. 3). Vorliegend kommt insoweit allein das Jugendamt als Anspruchsgegner in Betracht.

Rz. 19

(1) Zwar hat der Gesetzgeber sowohl im Zuge des Kindschaftsrechtsreformgesetzes als auch im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 4.7.2013 (BGBl. I, 2176), mit dem der die Zuständigkeit des FamG regelnde letzte Halbsatz des § 1686 BGB gestrichen wurde, an der Formulierung "Elternteil" festgehalten. Es fehlt aber an jedem Anhaltspunkt dafür, dass er dabei auch die Fälle bedacht hat, in denen kein anderer Elternteil mehr vorhanden oder aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht der andere Elternteil, sondern nur ein Dritter in der Lage ist, die wesentlichen Auskünfte zu den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erteilen. Die Gesetzesmaterialien sind insoweit unergiebig (vgl. BT-Drucks. 13/4899, 107 und 17/12163 S. 8). Das Augenmerk des Gesetzgebers lag vielmehr jeweils auf der Person des Auskunftsberechtigten, während der andere Elternteil als der Auskunftsverpflichtete ersichtlich als gegeben angesehen und die Person des Anspruchsgegners nicht weiter hinterfragt wurde. Mithin ist nicht von einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung gegen die Auskunftspflicht anderer Personen als der Eltern, sondern vom Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke auszugehen.

Rz. 20

Die Interessenlage des Elternteils, der auf eine Auskunft angewiesen ist, um Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen seines Kindes zu erlangen, lässt sich nicht danach unterscheiden, ob der andere Elternteil oder "nur" ein in seiner rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem Elternteil vergleichbarer Dritter zur Auskunftserteilung in der Lage ist. Stets geht es darum, dem aus dem von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geschützten Elternrecht fließenden berechtigten Informationsbedürfnis Geltung zu verschaffen (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 1.8.2016 - 4 UF 99/16 - juris Rz. 7; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 5).

Rz. 21

(2) Die Auskunftspflicht trifft in entsprechender Anwendung des § 1686 BGB in erster Linie die Person, die kraft des Sorgerechts über die zur Auskunft erforderlichen Informationen verfügt bzw. an diese gelangen kann. Dies ist regelmäßig der Vormund oder - im Rahmen der ihm übertragenen Sorgerechtsbefugnisse - der Pfleger, weil er in seiner rechtlichen Stellung einem Elternteil am nächsten kommt. Nur soweit sich der Sorgerechtsinhaber die erforderlichen Informationen nicht verschaffen kann, kommt als Anspruchsgegner im Einzelfall auch derjenige in Betracht, der aufgrund eines sonstigen einem Elternteil vergleichbaren Fürsorgeverhältnisses für das Kind, etwa der Ausübung der tatsächlichen Obhut, zur Auskunftserteilung in der Lage ist.

Rz. 22

(3) Danach kann sich der Auskunftsanspruch des Kindesvaters im vorliegenden Fall nicht gegen die Pflegeeltern, sondern allenfalls gegen das Jugendamt richten. Denn dieses ist hier in seiner Stellung am ehesten einem Elternteil vergleichbar, soweit die Kindesmutter als der nach § 1686 BGB eigentlich verpflichtete Elternteil zu einer Auskunft aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls nicht in der Lage ist.

Rz. 23

Das folgt zum einen daraus, dass das Jugendamt als Ergänzungspfleger teilweise Inhaber des Sorgerechts ist und als solcher insoweit Zugriff auf die zur Auskunft erforderlichen Informationen hat. Zum anderen ergibt es sich aber vor allem aus dem Fürsorgeverhältnis zwischen dem Jugendamt und dem in der Vollzeitpflege befindlichen Kind, in dessen Rahmen die Betreuung und das Leben des Kindes in der Pflegefamilie der Aufsicht des Jugendamts unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2006 - III ZR 2/06, FamRZ 2006, 1264, 1265 f. und BGHZ 166, 268 = FamRZ 2006, 544, 545). Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII soll das Jugendamt den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Pflegeperson eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Erziehung gewährleistet. Ferner benötigen die Pflegeeltern nach § 44 SGB VIII eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege, die nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu versagen ist, wenn das Wohl des Kindes in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist (BGH, Beschl. v. 19.2.2014 - XII ZB 165/13, FamRZ 2014, 732 Rz. 25; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.10.2004 - III ZR 254/03, FamRZ 2005, 93, 95 f.). Zudem hat das Jugendamt nach § 36 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VIII einen Hilfeplan aufzustellen und dabei auch die Pflegeeltern zu beteiligen. Mithin weist das Gesetz dem Jugendamt bei der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie die zentrale Stellung zu, die dem Grundsatz nach die entsprechende Anwendung des § 1686 BGB rechtfertigt. Auf diese Weise ist zudem gewährleistet, dass das Jugendamt vor Auskunftserteilung prüfen kann, ob die Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (§ 1686 Halbs. 2 BGB).

Rz. 24

c) Soweit es die Auskunftspflicht der Kindesmutter und des Jugendamts anbelangt, stellt sich der angefochtene Beschluss auch nicht aus anderen Gründen (teilweise) als richtig dar (§ 74 Abs. 2 FamFG). Insbesondere lässt sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an einer Auskunftserteilung i.S.d. § 1686 BGB durch die Kindesmutter und das Jugendamt nicht mit hinreichender Sicherheit verneinen.

Rz. 25

aa) Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten (vgl. etwa OLG Köln Beschl. v. 28.6.2016 - 10 UF 21/15 - juris Rz. 10; OLG Jena Beschl. v. 13.5.2016 - 1 UF 109/16 - juris Rz. 12; OLG Brandenburg Beschl. v. 11.4.2014 - 3 UF 50/13 - juris Rz. 61; Gottschalk in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1686 BGB Rz. 8; jurisPK/BGB/Poncelet [Stand: 15.10.2016] § 1686 Rz. 16 m.w.N.; Palandt/Götz BGB, 76. Aufl., § 1686 Rz. 4 m.w.N.; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 6 m.w.N.; zu § 1634 Abs. 3 BGB vgl. etwa BayObLG FamRZ 1996, 813).

Rz. 26

Eine solche anderweitige Möglichkeit kann ggf. der Umgang mit dem Kind darstellen. Dies gilt allerdings nur, wenn hierdurch nicht der mit dem Umgangsrecht auch verbundene Zweck, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu pflegen sowie einer Entfremdung vorzubeugen (vgl. BVerfG FamRZ 2013, 361 Rz. 19 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14.1.1987 - IVb ZR 65/85, FamRZ 1987, 356, 358 m.w.N.), gefährdet wird und das Kind in der Lage sowie willens ist, dem Elternteil die erforderlichen Informationen zu erteilen (OLG Jena Beschl. v. 13.5.2016 - 1 UF 109/16 - juris Rz. 13; OLG Brandenburg Beschl. v. 11.4.2014 - 3 UF 50/13 - juris Rz. 61; MünchKomm/BGB/Hennemann 6. Aufl., § 1686 Rz. 8; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 7). Ebenfalls in Betracht kommt im Einzelfall beispielsweise, dass der Elternteil sich - etwa als Inhaber (von Teilen) der Personensorge - die Informationen unschwer von Dritten verschaffen kann (vgl. dazu Gottschalk in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1686 BGB Rz. 6), oder dass er auf sonstige Informationsquellen wie regelmäßige Hilfeplangespräche oder auch Protokolle hierüber zu verweisen ist, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.

Rz. 27

bb) Hinreichende Feststellungen dazu, ob solche anderweitigen, ein berechtigtes Interesse des Antragstellers ausschließenden Informationsmöglichkeiten bestehen, hat das OLG - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Das AG ist hier davon ausgegangen, dass die Umgangskontakte nicht damit belastet werden sollten, dass das Kind entsprechende Auskünfte erteilt, und hat sonstige Informationsquellen nicht erwogen.

Rz. 28

Das berechtigte Interesse lässt sich derzeit auch nicht gegenüber der Kindesmutter oder dem Jugendamt verneinen. Nachdem es an Feststellungen zum Umfang der von der Kindesmutter wahrgenommenen Umgangskontakte ebenso fehlt wie zu denen des Antragstellers, kann nicht beurteilt werden, inwiefern die Kindesmutter über von der Auskunftspflicht umfasste Informationen verfügt, die dem Antragsteller nicht zur Verfügung stehen. Gleichfalls ungeklärt ist, ob und inwieweit eigenständigen Informationsbedürfnissen des Antragstellers gegenüber dem Jugendamt durch die von diesem angebotene Teilnahme an den Hilfeplangesprächen oder durch die Übersendung der entsprechenden Protokolle genügt werden kann.

Rz. 29

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher teilweise aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist insoweit an das OLG zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG).

Rz. 30

a) Bei seiner neuerlichen rechtlichen Beurteilung hat das OLG darauf Bedacht zu nehmen, dass der Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte beanspruchen kann, sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Der Elternteil soll in die Lage versetzt werden, sich einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes zu verschaffen. Die von § 1686 BGB erfassten persönlichen Verhältnisse beinhalten alle insoweit wesentlichen Umstände, insb. das schulische Fortkommen, außerschulische Betätigungen, die gesundheitliche Situation und die soziale Entwicklung des Kindes (vgl. etwa OLG Hamm Beschl. v. 1.8.2016 - 4 UF 99/16 - juris Rz. 8; Gottschalk in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1686 BGB Rz. 10; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 13).

Rz. 31

Das Maß und die Häufigkeit der geschuldeten Auskunft haben sich an diesem Zweck zu orientieren, so dass in der Regel zwar die Übersendung der Kopie von Schulzeugnissen, nicht aber detaillierte Angaben zum Tagesablauf des Kindes, ins Einzelne gehende Erziehungsberichte oder ärztliche Unterlagen und Dokumentationen zu verlangen sind (vgl. etwa Fröschle Sorge und Umgang Rz. 1326 ff.; Gottschalk in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1686 BGB Rz. 10 f. m.w.N.; Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 6. Aufl., § 1686 BGB Rz. 4; MünchKomm/BGB/Hennemann 6. Aufl., § 1686 Rz. 11 f. m.w.N.; NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl., § 1686 Rz. 8 ff.; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 14 f. m.w.N.). Nicht umfasst von den persönlichen Verhältnissen i.S.d. § 1686 BGB ist die vermögensrechtliche Situation des Kindes (BeckOK/BGB/Veit [Stand: 1.5.2016] § 1686 Rz. 5; Fröschle Sorge und Umgang Rz. 1329; NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl., § 1686 Rz. 10; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rz. 12 f.). Inwieweit es bei - wenn auch unregelmäßigem - Umgangskontakt des Auskunftsberechtigten der Übersendung eines Fotos des Kindes bedarf, ist eine Frage des Einzelfalls. Zu bereits vorhandenen Informationen bedarf es keiner Auskunft (vgl. Fröschle Sorge und Umgang Rz. 1333; MünchKomm/BGB/Hennemann 6. Aufl., § 1686 Rz. 7), die sich im Übrigen nur auf Umstände mit aktuellem Bezug erstrecken muss (vgl. Erman/Döll BGB, 14. Aufl., § 1686 Rz. 2; NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl., § 1686 Rz. 9).

Rz. 32

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob und inwieweit ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung vorliegt, ist derjenige der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 1288, 1289; BeckOK/BGB/Veit [Stand: 1.5.2016] § 1686 Rz. 3; jurisPK/BGB/Poncelet [Stand: 15.10.2016] § 1686 Rz. 16, 20).

Rz. 33

b) Die Zurückverweisung gibt dem OLG Gelegenheit, die Notwendigkeit der bislang unterbliebenen persönlichen Anhörungen des Kindes und der Kindeseltern (§§ 159 f. FamFG) einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen.

Rz. 34

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 10179721

BGHZ 2018, 168

NJW 2017, 1239

NJW 2017, 8

FamRZ 2017, 378

FuR 2017, 206

JR 2018, 245

JurBüro 2017, 333

JZ 2017, 183

MDR 2017, 524

FF 2017, 128

FF 2017, 168

FamRB 2017, 89

NJW-Spezial 2017, 166

ZKJ 2017, 146

FK 2017, 19

FK 2017, 39

JAmt 2017, 307

NZFam 2017, 121

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