Wann auch die Großeltern unterhaltspflichtig sind

Das OLG Oldenburg hat der Klage einer Mutter eines Kindes gegen dessen Großeltern auf Auskunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse stattgegeben. Das Auskunftsverlangen soll der Vorbereitung einer Unterhaltsklage dienen.

Neben den Eltern kann auch die Großeltern die Pflicht treffen, ihren Enkeln Unterhalt zu zahlen, solange diese sich in der Ausbildung befinden und keine eigenen Einkünfte erzielen. Die Großeltern haften aber grundsätzlich nur sekundär nach den primär verpflichteten Eltern, können je nach Einkommensverhältnissen grundsätzlich aber zur Zahlung des vollen Kindesunterhalts verpflichtet sein. Unterhaltsklagen gegen die Großeltern sind in der familiengerichtlichen Praxis dennoch eher selten.

Erfolgreiche Auskunftsklage gegen die Großeltern

Das OLG Oldenburg hat kürzlich einer Auskunftsklage gegen die Großeltern - in Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung des Familiengerichts - stattgegeben. Das OLG verwies auf § 1607 BGB wonach die Großeltern zur Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen werden können, wenn

  • die Eltern wegen mangelnder Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zahlen können (§ 1607 Abs. 1 BGB, Ausfallhaftung) oder
  • der Unterhaltsanspruch rechtlich nur schwer durchsetzbar ist (§ 1607 Abs. 2 BGB, Ersatzhaftung).

Familiengericht verwies die Mutter auf eine Vollzeittätigkeit

Im konkreten Fall hatte die Kindesmutter Unterhalt für ihren fünfjährigen Sohn verlangt. Sie war der Auffassung wegen der Versorgung ihres Kindes nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeiten zu können. Der Kindesvater befinde sich in einer Ausbildung und zahle lediglich 30 Euro monatlich an Unterhalt. Das Familiengericht hatte den Antrag der Kindesmutter gegen die Großeltern auf Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kindesmutter die Eingehung einer Vollzeitbeschäftigung zumutbar sei. Infolge ihrer Halbtagstätigkeit sei sie daran gehindert, den Barunterhalt für das Kind aufzubringen. Dies könne nicht zulasten der Großeltern gehen.

OLG verneint Leistungsfähigkeit der Kindesmutter

Dies sah das OLG anders und ließ offen, ob die Mutter eines 5-jährigen Kindes zu einer vollzeitigen Tätigkeit verpflichtet wäre. Infolge ihrer grundsätzlich begrenzten beruflichen Möglichkeiten ging das OLG davon aus, dass die Kindesmutter selbst bei einer Vollzeittätigkeit keine ausreichenden Einnahmen erzielen könne, um den Unterhalt ihres Kindes ganz oder teilweise aufzubringen. Bei Berücksichtigung eines monatlichen Selbstbehalts der Kindesmutter in Höhe von 1.400 Euro sei es äußerst unwahrscheinlich, dass ein möglicher Vollzeitverdienst der Mutter für die Erbringung des erforderlichen Kindesunterhalts ausreiche.

Großeltern haften auch für Unterhaltsrückstände

Auch die Tatsache, dass der Kindesvater inzwischen eine Arbeitsstelle angetreten hatte und seitdem in geringfügigen Umfang Unterhalt zahlte, führt nach Auffassung des OLG nicht zu einer anderen Einschätzung. Es seien noch erhebliche Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit offen. Ob und in welcher Höhe die Großeltern als sekundär Verpflichtete zur Zahlung von Unterhalt herangezogen werden können, lasse sich erst nach Vorlage der erforderlichen Auskünfte zum Einkommen der Großeltern entscheiden. Vor diesem Hintergrund sei der Auskunftsantrag gerechtfertigt.

(OLG Oldenburg, Beschluss v. 16.12.2021,13 UF 85/21).

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Hintergrund:

Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Gemäß § 1605 BGB sind sie auch einander zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Gemäß § 1606 BGB besteht allerdings eine Rangfolge der Unterhaltspflichten. Hiernach haften unter den Verwandten der aufsteigenden Linie die näheren vor dem entfernteren Verwandten, d.h. die Eltern vor den Großeltern.

Nachrangige Unterhaltspflicht der Großeltern

Die sekundäre Unterhaltspflicht der Großeltern kommt nach Auffassung des BGH auch dann zum Zuge, wenn die primär unterhaltspflichtigen Eltern des Kindes durch die Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern über Gebühr belastet würden. Der vom BGH entschiedene Fall betraf eine Konstellation, in der die Eltern eines minderjährigen Kindes bei Berücksichtigung des ihnen zustehenden Selbstbehaltes für den eigenen Unterhalt (zurzeit 1.400 Euro) nicht zur Zahlung des vollen Unterhalts in der Lage waren. Infolge der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern steht diesen nach der Rechtsprechung gegenüber ihren minderjährigen Kindern nur ein reduzierter Selbstbehalt, der sogenannte notwendige Selbstbehalt (zurzeit 1.160 Euro) zu.

Keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern bei gut situierten Großeltern

Nach der Rechtsprechung des BGH kann in einem solchen Fall finanziell beengter Einkommensverhältnisse der Eltern eine Ersatzhaftung der Großeltern zum Zuge kommen. Laut BGH müssen die Kindeseltern sich nämlich dann nicht auf die gesteigerte Unterhaltspflicht verweisen lassen, wenn finanziell gut situierte Großeltern vorhanden sind. Im konkreten Fall verfügte der barunterhaltsverpflichtete Elternteil über ein monatliches Einkommen von rund 1.400 Euro und zahlte an die teilzeitbeschäftigte Mutter monatlich 100 Euro Kindesunterhalt. Die Eltern des Kindesvaters und damit Großeltern des Kindes verfügten über monatliche Einnahmen in Höhe von ca. 3.500 Euro (Großvater) und 2.200 Euro (Großmutter).

Großeltern haben höheren Selbstbehalt

Der BGH bejahte in diesem Fall grundsätzlich die Unterhaltspflicht der Großeltern. Diese seien gegen eine übermäßige Inanspruchnahme dadurch ausreichend geschützt, dass ihnen ein deutlich höherer Selbstbehalt als den Eltern in Höhe von derzeit 2.000 Euro plus die Hälfte des darüber liegenden Einkommens zuzuerkennen sei. Aus den Einkünften, die über diesen großzügigen Selbstbehalt hinausgehen, müssen die Großeltern nach dem Urteil des BGH die Unterhaltszahlungen für ihre Enkel bestreiten (BGH, Beschluss v. 27.10.2021, XII ZB 123/21).

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