Verfahrensgang

AG Northeim (Aktenzeichen 11 F 258/21)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG).

II. Die Beschwerde hat keine Erfolgsaussichten, soweit die Antragsgegner als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden.

III. Bei Umstellung des Antrags auf Teilschuldnerschaft hat ein Auskunftsantrag Aussicht auf Erfolg.

IV. Den Antragsgegnern wird eine Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde bis zum 2. Dezember 2021 gesetzt.

V. Den Beteiligten wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss binnen gleicher Frist gegeben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um Unterhaltsansprüche des Antragstellers gegen seine Großeltern väterlicherseits, die Antragsgegner. Der Kindesunterhaltsanspruch gegenüber dem Vater des Antragstellers ist in Höhe des Mindestunterhalts durch Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Rheine vom 1.12.2017 tituliert. Der Kindesvater zahlt monatlich 30 EUR. Der Antragsteller lebt im Haushalt seiner Mutter, die teilzeitbeschäftigt ist.

Der Antragsteller hat die Antragsgegner als Gesamtschuldner im Wege des Stufenantrags auf Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und auf Zahlung eines nach Auskunftserteilung zu beziffernden Unterhalts ab März 2021 in Anspruch genommen.

Die Antragsgegner haben die Abweisung des Antrags beantragt. Sie sind der Auffassung, dass eine Auskunftserteilung nicht geschuldet sei, da der Antragsteller den Ausfall vorrangiger Unterhaltspflichtiger nicht schlüssig vorgetragen habe.

Das Amtsgericht hat sich der Auffassung der Antragsgegner angeschlossen und den Auskunfts- sowie Leistungsantrag abgewiesen. Hinsichtlich der Kindesmutter sei nur dargetan, dass sie halbtags arbeite. Im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern bestehe aber grundsätzlich trotz der Betreuung des Kindes eine weitergehende Erwerbsobliegenheit. Anhand der vorgelegten Einkommensbescheinigung könne nicht nachgeprüft werden, ob die Mutter in der Lage sei, die Teilzeittätigkeit aufzustocken. Hinsichtlich des Kindesvaters sei dessen Leistungsunfähigkeit nicht dargelegt, indem weder das Nettoeinkommen mitgeteilt worden sei noch vorgetragen sei, ob ein fiktives Einkommen anzurechnen sei. Dass die Rechtsverfolgung aus dem bestehenden Unterhaltstitel erheblich erschwert sei, sei ebenfalls nicht dargetan. Allein der Vortrag, dass man weiterhin mühsame Vollstreckungsversuche unternehme, reiche nicht aus.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II. Die Beschwerde ist zulässig und bietet nach derzeitiger Beurteilung Aussicht auf Erfolg. Großeltern haften als Ersatz- bzw. Ausfallschuldner nach § 1607 Abs. 1 und Abs. 2 BGB allerdings nur anteilig nach ihren jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, aber nicht als Gesamtschuldner.

Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Auskunftserteilung nicht besteht, wenn es auf die Einkommensverhältnisse der Antragsgegner nicht ankommt. Das wäre dann der Fall, wenn eine Ersatzhaftung der Großeltern nicht in Betracht käme. Nach insoweit vom Amtsgericht abweichender Auffassung des Senats ist dies indessen nicht der Fall.

Großeltern haften nachrangig für den Unterhalt minderjähriger Kinder, wenn ein vorrangig haftender Verwandter aufgrund des § 1603 BGB - d.h. mangels Leistungsfähigkeit - nicht unterhaltspflichtig ist (§ 1607 Abs. 1 BGB) oder wenn die Rechtsverfolgung - gegen den an sich leistungsfähigen - vorrangig verpflichteten Verwandten ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§ 1607 Abs. 2 BGB). Erheblich erschwert ist die Rechtsverfolgung nach allgemeiner Ansicht auch, wenn die materiellrechtliche Unterhaltsverpflichtung auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruht, in das das Kind aber tatsächlich nicht vollstrecken kann (Langeheine in MünchKomm BGB, 2020, § 1607 Rn. 13; Wendl/Dose-Klinkhammer, § 2 Rn. 799). Im Hinblick auf die Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 2 BGB wird bei fiktiven Einkünften vertreten, dass zwischen den Eltern differenziert werden müsse: Handele es sich um die Haftung des Elternteils, bei dem das Kind lebt und das es im Unterhaltsverfahren gegen die Großeltern vertritt, könne es treuwidrig sein, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes unter Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit Einkünfte nicht zieht und dies als Begründung einer Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 2 S. 1 BGB für das Enkelkind vorbringt (Wönne in Wendl/Dose, § 2 Rn. 1039). Die Frage kann indessen dahinstehen. Die Kindesmutter ist auch unter Berücksichtigung fiktiver Einkünfte nicht, jedenfalls nicht im vollen Umfang, in der Lage, den Mindestunterhalt zu leisten, so dass eine Ersatzhaftung der Großeltern schon nach § 1607 Abs. 1 BGB eingreift.

Auch wenn man mit dem Amtsgericht annimmt, dass der Antragsteller nicht ausreichend vorgetragen hat, aus welchen Gründen seine Mutter ihre Tätigkeit nicht aufstocken könnte, folgt daraus noch nicht, dass die Mutter als leistungsfä...

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