Verfahrensgang

AG Nordhorn (Aktenzeichen 11 F 258/21 VU)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 17.09.2021 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegner werden verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen über ihre jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter Vorlage von Urkunden, aus denen sich ihre jeweiligen Einkünfte aus Rente, Erwerbstätigkeit oder aus Kapitalvermögen für die Monate April 2020 bis einschließlich März 2021 ergeben sowie Auskunft zu erteilen über Grundvermögen und Kapitalvermögen.

Im Übrigen wird der Beschluss vom 17.09.2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über den Leistungsantrag (Antrag zu 2) einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht - Familiengericht - Nordhorn zurückverwiesen.

Die Entscheidung ist sofort wirksam.

II. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um Unterhaltsansprüche des Antragstellers gegen seine Großeltern väterlicherseits, die Antragsgegner. Der Kindesunterhaltsanspruch gegenüber dem Vater des Antragstellers ist in Höhe des Mindestunterhalts durch Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Rheine vom 1.12.2017 tituliert. Der Kindesvater zahlt monatlich 30 EUR. Der Antragsteller lebt im Haushalt seiner Mutter, die teilzeitbeschäftigt ist.

Der Antragsteller hat die Antragsgegner als Gesamtschuldner im Wege des Stufenantrags auf Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und auf Zahlung eines nach Auskunftserteilung zu beziffernden Unterhalts ab März 2021 in Anspruch genommen.

Die Antragsgegner haben die Abweisung des Antrags beantragt. Sie sind der Auffassung, dass eine Auskunftserteilung nicht geschuldet sei, da der Antragsteller den Ausfall vorrangiger Unterhaltspflichtiger nicht schlüssig vorgetragen habe.

Das Amtsgericht hat sich der Auffassung der Antragsgegner angeschlossen und den Auskunfts- sowie Leistungsantrag abgewiesen. Hinsichtlich der Kindesmutter sei nur dargetan, dass sie halbtags arbeite. Im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern bestehe aber grundsätzlich trotz der Betreuung des Kindes eine weitergehende Erwerbsobliegenheit. Anhand der vorgelegten Einkommensbescheinigung könne nicht nachgeprüft werden, ob die Mutter in der Lage sei, die Teilzeittätigkeit aufzustocken. Hinsichtlich des Kindesvaters sei dessen Leistungsunfähigkeit nicht dargelegt, indem weder das Nettoeinkommen mitgeteilt worden sei noch vorgetragen sei, ob ein fiktives Einkommen anzurechnen sei. Dass die Rechtsverfolgung aus dem bestehenden Unterhaltstitel erheblich erschwert sei, sei ebenfalls nicht dargetan. Allein der Vortrag, dass man weiterhin mühsame Vollstreckungsversuche unternehme, reiche nicht aus.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter, er nimmt die Antragsgegner jedoch nunmehr als Teilschuldner in Anspruch.

Im Beschwerdeverfahren ist unstreitig geworden, dass der Vater des Antragstellers beginnend ab dem 01.09.2021 Unterhalt für den Antragsteller zahlt.

Der Antragsteller beantragt,

wie erkannt.

Die Antragsgegner beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Beschwerde für unbegründet, weil der Antragsteller nunmehr von seinem Vater Unterhalt beziehe.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Auskunftserteilung nicht besteht, wenn es auf die Einkommensverhältnisse der Antragsgegner nicht ankommt. Das wäre dann der Fall, wenn eine Ersatzhaftung der Großeltern nicht in Betracht käme. Dies ist indessen nicht der Fall.

Großeltern haften nachrangig für den Unterhalt minderjähriger Kinder, wenn ein vorrangig haftender Verwandter aufgrund des § 1603 BGB - d.h. mangels Leistungsfähigkeit - nicht unterhaltspflichtig ist (§ 1607 Abs. 1 BGB) oder wenn die Rechtsverfolgung - gegen den an sich leistungsfähigen - vorrangig verpflichteten Verwandten ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§ 1607 Abs. 2 BGB). Erheblich erschwert ist die Rechtsverfolgung nach allgemeiner Ansicht auch, wenn die materiellrechtliche Unterhaltsverpflichtung auf der Zurechnung fiktiven Einkommens beruht, in das das Kind aber tatsächlich nicht vollstrecken kann (Langeheine in MünchKomm BGB, 2020, § 1607 Rn. 13; Wendl/Dose-Klinkhammer, § 2 Rn. 799). Im Hinblick auf die Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 2 BGB wird bei fiktiven Einkünften vertreten, dass zwischen den Eltern differenziert werden müsse: Handele es sich um die Haftung des Elternteils, bei dem das Kind lebt und das es im Unterhaltsverfahren gegen die Großeltern vertritt, könne es treuwidrig sein, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes unter Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit Einkünfte nicht zieht und dies als Begründung einer Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 2 S. 1 BGB für das Enkelkind vorbringt (Wönne in Wendl/Dose, § 2 Rn. 1039). Die Frage kann indesse...

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