Das Wichtigste in Kürze:

1. Handelt es sich um eine Berufung der StA, kann nach § 329 Abs. 2 ohne den Angeklagten verhandelt werden, wenn er "nicht genügend entschuldigt" nicht erscheint.
2. Nach § 329 Abs. 3 Alt. 1 ist gegen den ausgebliebenen Angeklagten die Vorführung oder Verhaftung anzuordnen, wenn bei einer Berufung der StA nicht ohne ihn verhandelt werden kann.
3. In § 329 Abs. 5 S. 1 ist eine Informationspflicht des Gerichts vorgesehen, falls nach § 329 Abs. 2 S. 1 2. Alt. über eine Berufung der StA ohne Angeklagten und vertretungsbefugten Verteidiger verhandelt worden ist, und der Angeklagte noch erscheint.
4. Nach § 329 Abs. 5 S. 2 ist die Rücknahme der Berufung der StA abweichend von § 303 auch ohne Zustimmung des unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten zulässig.
 

Rdn 804

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 640, und bei → Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Allgemeines, Teil B Rdn 785.

 

Rdn 805

1. Handelt es sich um eine Berufung der StA, kann nach § 329 Abs. 2 ohne den Angeklagten verhandelt werden, wenn er "nicht genügend entschuldigt" nicht erscheint (zum HB BVerfG NJW 2001, 1341; wegen der Einzel. Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 110). Daran hat sich durch die Neuregelung des § 329 nichts geändert. Allerdings sollen durch die Neufassung des Abs. 2 2. Alt – "Abwesenheit nicht genügend entschuldigt" – nun auch die Fälle des nachträglichen Sich-Entfernens und des Versetzens in einen verhandlungsunfähigen Zustand (Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3) erfassen werden (so BT-Drucks 18/3562, S. 72; Spitzer StV 2016, 48, 53 f.; zw. Deutscher StRR 2015, 284; → Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Ausbleiben/Wartezeit, Teil B Rdn 792).

 

☆ Tritt für den Angeklagten ein vertretungsberechtigter Verteidiger auf, gelten auch hier die bei →  Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Vertretung des Angeklagten , Teil B Rdn  835  ff., dargestellten Grundsätze der Erforderlichkeitsprüfung (BT-Drucks 18/3562, S. 74).vertretungsberechtigter Verteidiger auf, gelten auch hier die bei → Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, Vertretung des Angeklagten, Teil B Rdn 835 ff., dargestellten Grundsätze der Erforderlichkeitsprüfung (BT-Drucks 18/3562, S. 74).

Gerade in diesen Fällen muss der Verteidiger darauf achten, ob nicht ggf. die sich aus § 244 Abs. 2 ergebende → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 422, eine Verhandlung in Anwesenheit des Angeklagten erforderlich macht. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn sich das Gericht einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten verschaffen muss, so z.B. bei einer Strafmaßberufung der StA (BayObLG DAR 1987, 315 [Rüth]; OLG Hamm StV 1997, 346; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 21; OLG Köln StraFo 2011, 360; → Berufung, Berufungshauptverhandlung, Teil B Rdn 722).

 

Rdn 806

2. Nach § 329 Abs. 3 Alt. 1 ist gegen den ausgebliebenen Angeklagten die Vorführung oder Verhaftung anzuordnen, wenn bei einer Berufung der StA nicht ohne ihn verhandelt werden kann (→ Zwangsmittel bei Ausbleiben des Angeklagten, Teil Z Rdn 4336). Die Vorführung des Angeklagten dürfte i.Ü. auch dann grds. zulässig sein, wenn allein der Nebenkläger Berufung eingelegt hat (OLG Köln NStZ 2014, 296). Die Zwangsmaßnahmen stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie zur Durchführung der HV geboten sind. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Anwesenheit des Angeklagten in der Verhandlung über eine Berufung der StA erforderlich ist, steht dem Berufungsgericht ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Ausfüllung (im Beschwerdeverfahren) nur eingeschränkt zu überprüfen ist (KG, Beschl. v. 12.7.2017 – 4 Ws 115/17). Der Erlass eines HB nach § 329 Abs. 3 setzt nicht voraus, dass der Angeklagte zunächst unter Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu einem Fortsetzungstermin geladen wurde (KG, a.a.O.).

 

☆ Haben Angeklagter und StA Berufung eingelegt, wird zunächst in Fällen des § 329 Abs. 1 die Berufung des Angeklagten verworfen und sodann über die Berufung der StA nach § 329 Abs. 2 S. 1 2. Alt. in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt oder bei erforderlicher Anwesenheit dessen zwangsweise Vorführung angeordnet (§ 329 Abs. 3 1. Alt.).Angeklagter und StA Berufung eingelegt, wird zunächst in Fällen des § 329 Abs. 1 die Berufung des Angeklagten verworfen und sodann über die Berufung der StA nach § 329 Abs. 2 S. 1 2. Alt. in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt oder bei erforderlicher Anwesenheit dessen zwangsweise Vorführung angeordnet (§ 329 Abs. 3 1. Alt.).

 

Rdn 807

3. In § 329 Abs. 5 S. 1 ist eine Informationspflicht des Gerichts vorgesehen, falls nach § 329 Abs. 2 S. 1 2. Alt. über eine Berufung der StA ohne Angeklagten und vertretungsbefugten Verteidiger verhandelt worden ist. Hiernach hat der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist (→ Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3224, einen erscheinenden Angeklagten oder vertretungsberechtigten Verteidiger von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in s...

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