Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Verteidiger muss eine Berufungs-HV ebenso sorgfältig vorbereiten wie die HV 1. Instanz.
2. Nach allg. Meinung sind insbesondere Berufungsverfahren, in denen dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (§ 111a) worden ist, ebenso wie Haftsachen, beschleunigt zu führen.
3. Für die Berufungs-HV gelten nach § 332 grds. dieselben Bestimmungen wie für eine HV in 1. Instanz, soweit sich nicht aus den §§ 324, 325 etwas anderes ergibt.
4. Der (Wahl-)Verteidiger und der Angeklagte sind zur Berufungs-HV zu laden.
5. Die Berufungs-HV beginnt mit dem Aufruf zur Sache.
6. Nach § 324 Abs. 1 S. 1 hält der Berichterstatter einen Vortrag über die bisherigen Ergebnisse des Verfahrens.
7. Für die Vernehmung des Angeklagten zur Sache und für die Beweisaufnahme gelten die gleichen Grundsätze wie für die HV 1. Instanz.
8. Abweichungen von den Grundsätzen der HV 1. Instanz gibt es aber z.B. bei der Verlesung von Schriftstücken.
9. Das in 1. Instanz des beschleunigten Verfahrens nach § 420 zulässige vereinfachte Beweisverfahren gilt für das Berufungsverfahren im beschleunigten Verfahren nicht.
10. Erscheint der Angeklagte in der Berufungs-HV ohne ausreichende Entschuldigung nicht, muss das Gericht im Zweifel seine Berufung nach § 329 Abs. 1 S. 1 verwerfen.
11. Das Plädoyer des Verteidigers kann in der Berufungs-HV gegenüber dem in der 1. Instanz Besonderheiten aufweisen.
 

Rdn 723

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Richtige Bemessung der Sperrfrist, VA 2002, 126

ders., Entziehung der Fahrerlaubnis – Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer und Sperrfrist, VA 2012, 142

Deutscher, Zur Neufassung des § 329 StPO, StRR 2015, 284

Kropp, Zur Dauer der Ungeeignetheit im Rahmen des § 111a StPO, NStZ 1997, 471

Loos/Radtke, Das beschleunigte Verfahren (§§ 417420 StPO) nach dem Verbrechensbekämpfungsgesetz – 1. Teil: NStZ 1995, 569, 2. Teil

NStZ 1996, 7

Moldenhauer/Wenske, Die Verständigung in Strafsachen und die Berufungsinstanz, zugleich Anmerkung zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 6.10.2010 (III- 4 RVs 60/10), NStZ 2012, 184

Neuhaus, Das Beweisverwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO und seine praktische Bewältigung in der Rechtsmittelinstanz, ZAP F. 22, S. 339

Ranft, Das beschleunigte Verfahren (§§ 417420 StPO) in der Rechtsmittelinstanz, NStZ 2004, 424

Rieß, Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979, NJW 1978, 2265

Schäfer, Das Berufungsverfahren in Jugendsachen, NStZ 1998, 330

Schlothauer, Vereinfachte Beweisaufnahme nach dem Verbrechensbekämpfungsgesetz auch in der Berufungsinstanz?, StV 1995, 46

ders., Europäische Prozesskostenhilfe und notwendige Verteidigung Zur Umsetzung der "Legal Aid"-Richtlinie EU 2016/1919 in deutsches Strafprozessrecht, StV 2018, 169

Spitzer, Das Recht des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungshauptverhandlung, StV 2016, 48

Wenske, Das Verständigungsgesetz und das Rechtsmittel der Berufung, NStZ 2015, 137

s.a. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 640.

 

Rdn 724

 

1. Hinweis für den Verteidiger!

Der Verteidiger muss eine Berufungs-HV ebenso sorgfältig vorbereiten wie die HV 1. Instanz. Dabei muss er vor allem berücksichtigen, dass es sich um die letzte Tatsacheninstanz handelt, in der der Sachverhalt, von dem später das Revisionsgericht auszugehen hat, festgeschrieben wird.

 

Rdn 725

Zur Vorbereitung der Berufungs-HV gehört auf jeden Fall:

Der Verteidiger wird i.d.R. die Akten erneut einsehen, schon allein um sich das Protokoll der HV in 1. Instanz kopieren zu können. Nur mit Kenntnis des Protokolls kann er sachgerecht entscheiden, ob er der Verlesung von Vernehmungsprotokollen aus der 1. Instanz zustimmt oder nicht (s. Teil B Rdn 753 ff.). Darüber hinaus erfährt er auf diese Weise, ob die StA ggf. weitere Ermittlungen durchgeführt hat, ob also neue/andere Beweismittel zur Verfügung stehen.
Der Verteidiger muss sich außerdem überlegen, ob er ggf. gem. § 323 Abs. 1 i.V.m. § 219 einen → Beweisantrag zur Vorbereitung der Hauptverhandlung, Teil B Rdn 1208, stellt. Die dort gemachten Ausführungen gelten entsprechend. Das Berufungsgericht muss diesen dann, insbesondere wenn es sich um eine Annahmeberufung handelt, bescheiden (BVerfG NStZ 2002, 43). Für die Vorbereitung der Berufungs-HV muss der Verteidiger allerdings auch § 323 Abs. 4 beachten. Danach hat der Vorsitzende der Berufungskammer bei der Auswahl der zur Berufungs-HV zu ladenden Zeugen auf eine Benennung in einer Berufungsbegründung Rücksicht zu nehmen (→ Berufung, Berufungsbegründung, Teil B Rdn 660). Das zwingt m.E. den Verteidiger dazu, sämtliche Zeugen zu benennen, die etwas zur Entlastung des Angeklagten beitragen können. Dann werden diese im Zweifel auch alle geladen (ähnl. Dahs, Rn 875).

Geht es um die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln, muss sich der Verteidiger schon vor der HV mit der Frage auseinandersetzen, ob ein beim AG nicht geltend gemachter Widerspruch (→ Widerspruchslösung, Teil W Rdn 4012) entgegen der h.M. in der obergerichtlichen Rspr. nicht doch (erstmals) in der Berufungs-HV geltend gemacht werd...

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