1. Versichertes Risiko

 

Rz. 12

Keine Haftpflichtversicherung deckt jedes denkbare Schadensereignis i.S. einer Allgefahrenversicherung ab. Der Versicherungsschutz erfasst nur die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers (Generalklausel: A 1 Ziff. 1 AVB/Ziff. 3.1 (1) AHB), sofern sie aus dem im konkreten Vertrag übernommenen versicherten Risiko als Privatperson (vgl. Rdn 141 ff.) oder als Unternehmer (vgl. Rdn 159 ff.) resultiert. Durch Auslegung der Vertragsunterlagen (einschließlich der maßgeblichen Bedingungswerke) ist zu ermitteln, ob ein konkretes Schadenereignis unter das versicherte Risiko fällt. Insbesondere bei der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung kann es hier auf Einzelheiten, etwa eine zugrunde gelegte Betriebsbeschreibung, ankommen (vgl. Rdn 170 ff.).

2. Versicherungsfall

 

Rz. 13

Gem. A 1 Ziff. 3.1 S. 1 AVB/Ziff. 1.1 S. 1 AHB gewährt der Versicherer:

Zitat

"Versicherungsschutz … für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird."

In Ziff. 1.1 S. 1 AHB ist diese Formulierung um den Zusatz

Zitat

"Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos …"

ergänzt. Das erklärt sich durch die Beschreibung der eigentlichen vertragsgegenständlichen Risiken in den hinzuzunehmenden BBR, während die AVB insoweit alles in Abschnitt A 1 des Teil A regeln.

 

Rz. 14

Versicherungsfall ist dabei das Schadenereignis, also der äußere Vorgang, der die Schädigung des Dritten unmittelbar herbeigeführt hat. Streitig war, ob es sich hierbei um das Ereignis handelt, das den Schaden kausal verursacht hat (Kausalereignis) oder um jenes, das den Schaden hat, eintreten bzw. offenbar werden lassen (Folgeereignis). Der BGH hat 1980[11] die von ihm seit 1957[12] vertretene Kausalereignistheorie zugunsten der Folgeereignistheorie aufgegeben. Einige Stimmen in der Rechtsprechung[13] sehen dies im Einzelfall zugunsten der Kausalereignistheorie durchaus ­anders.

Die Änderung des Wortlautes im Jahre 1982 in §§ 1 und 3 AHB von "Ereignis" in "Schadenereignis" spricht jedoch für die vom BGH vertretene Folgeereignistheorie. In A Ziff. 3.1 S. 2 AVB/Ziff. 1.1. S. 2 AHB ist das klarstellend formuliert:

Zitat

"Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadensverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an."

Einzelne Haftpflichtversicherungen, etwa die für Architekten und Ingenieure[14] oder auch für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Notare (vgl. § 10 Rdn 183), stellen allerdings auch heute noch auf das Kausalereignis ab. Maßgeblich ist dann das zum Schaden führende fehlerhafte Verhalten.

 

Rz. 15

Das Schadenereignis muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein, also in dem Zeitraum, für den der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat. Dieser beginnt mit dem materiellen Versicherungsbeginn (B 1 Ziff. 1 S. 1 AVB/Ziff. 8 S. 1 AHB, vgl. Rdn 46 bzw. § 1 Rdn 57).

[11] Vgl. BGH NJW 1981, 870 = VersR 1981, 421.
[12] Vgl. BGH NJW 1957, 1477 = BGHZ 25, 34.
[13] So z.B. OLG Karlsruhe NJW-RR 2004 1331 = r+s 2004, 413 = VersR 2005, 397 (Schreiner); OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 1269 = VersR 2006, 65 (Softwarelieferung), die es jeweils an der Auslegung der konkreten Bedingungen festmachen.
[14] Vgl. Veith/Gräfe/Gebert/Bock-Wehr, § 18 Rn 118.

3. Mitversicherte

 

Rz. 16

Die §§ 43 ff. VVG zur Versicherung für fremde Rechnung (vgl. § 1 Rdn 320 ff.) gelten auch in der Haftpflichtversicherung. A 1 Ziff. 2 AVB erstreckt den Versicherungsschutz auch auf Haftpflichtansprüche, die sich gegen andere Personen als den Versicherungsnehmer richten. Die Mitversicherung unterscheidet sich naturgemäß in der Privathaftpflichtversicherung von der in der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (vgl. Rdn 143 bzw. Rdn 166). Die Mitversicherten sind begünstigte Dritte i.S.d. §§ 328 ff. BGB.

 

Rz. 17

Die für den Versicherungsnehmer maßgeblichen Regelungen gelten gem. A 1 Ziff. 2.2 S. 1 AVB/Ziff. 27.1 S. 1 AHB mit Ausnahme der Vorsorgeversicherung (A 1 Ziff. 2.2 S. 2 AVB/Ziff. 27.1 S. 2 AHB – vgl. Rdn 40 ff.) auch für die Mitversicherten. Nach A 1 Ziff. 2.4 S. 1 AVB/Ziff. 27.2 S. 1 AHB verbleibt die Verfügungsbefugnis über die Deckungsansprüche aber beim Versicherungsnehmer.

 

Rz. 18

A 1 Ziff. 2.3 AVB stellt klar, dass der Versicherungsschutz für den Versicherungsnehmer und den Mitversicherten gleichermaßen entfällt, wenn die Voraussetzungen für Risikobegrenzungen oder Deckungsausschlüsse nur in einer der beiden Personen begründet sind. Bei Altverträgen gab es eine solche Regelung nicht – es kam darauf an, ob die Tatbestände personenbezogen waren oder nicht.[15] Die AVB bedingen allerdings in einigen (personenbezogenen) Klauseln ausdrücklich A 1 Ziff. 2.3 AVB wieder ab (z.B. in A 1...

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