Rz. 41

Selbst wenn der Gläubiger über einen titulierten Anspruch verfügt, weiß er genau genommen nicht, ob er diesen Anspruch gegen den Schuldner letztlich durchsetzen kann. Es besteht also Ungewissheit über die Erfolgsaussichten der Zwangsvollstreckung. Durch eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner könnte für den Gläubiger diese Ungewissheit zumindest gemildert werden. Auf jeden Fall wird dadurch eine geplante oder bereits laufende Vollstreckungsmaßnahme vorläufig abgewendet.

 

Rz. 42

Deshalb kann bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner während der Zwangsvollstreckung unter den Voraussetzungen der Nr. 1000 VV RVG (siehe § 2 Rdn 166 ff.) neben der Gebühr der Nr. 3309 VV RVG eine 0,7 Einigungsgebühr (Nr. 1000 Ziff. 2 VV RVG) entstehen, wenn gleichzeitig eine Vollstreckungsmaßnahme durch das Vollstreckungsgericht oder durch den Gerichtsvollzieher betrieben wird. Übrigens ist die Nr. 1003 VV RVG nicht zutreffend, wenn eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 2 RVG zur Anwendung kommt.

Allerdings gilt dies nicht, wenn der Gerichtsvollzieher kraft des ihm verliehenen öffentlichen Amtes in Ausübung der staatlichen Vollstreckungsgewalt dem Schuldner Ratenzahlungen gewährt. Die Entscheidung darüber liegt nämlich beim Gerichtsvollzieher. Deshalb liegt kein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner vor. Nach § 802b Abs. 2 ZPO kann der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung für bis zu 12 Monate aufschieben und vom Schuldner Ratenzahlungen einziehen. Der Verzicht des Gläubigers auf den Widerspruch gegen den vom Gerichtsvollzieher festgesetzten Zahlungsplan (§ 802 Abs. 3 S. 2 ZPO) stellt keine Mitwirkung des RA des Gläubigers an der Ratenvereinbarung dar, wie es Nr. 1000 Anm. Abs. 2 VV RVG fordert. Deshalb löst die Entscheidung des Gerichtsvollziehers über die Gestattung von Ratenzahlungen keine Einigungsgebühr für den RA aus. Auch mehrere Entscheidungen verneinen das Entstehen einer Einigungsgebühr in diesen Fällen (LG Duisburg, Beschluss vom 12.08.2013 – 7 T 131/13; AG Augsburg, Beschluss vom 11.11.2013 – 1 M 9500/13; AG Schleswig, Beschluss vom 02.05.2014 – 61 M 6/14).

 

Rz. 43

Wenn der Gerichtsvollzieher dem Schuldner Ratenzahlungen gestattet hat, stellt dies auch keine besondere Angelegenheit nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG dar. Der RA kann hierfür folglich keine Verfahrensgebühr erhalten, wenn es ein kombinierter Auftrag an den Gerichtsvollzieher war, der nach dem Versuch der gütlichen Einigung durch den Gerichtsvollzieher weitere Vollstreckungsmaßnahmen vornehmen sollte (BGH, Beschluss vom 18.07.2019 – I ZB 104/18). Wenn jedoch der RA den Gerichtsvollzieher nur mit der gütlichen Einigung beauftragen sollte, könnte er die Verfahrensgebühr erhalten – dies ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich.

 

Rz. 44

Falls der RA keinen Auftrag zu einer Vollstreckungsmaßnahme hat, sondern einen Auftrag zur außergerichtlichen Einigung mit dem (verurteilten) Schuldner und auftragsgemäß eine Vereinbarung über Ratenzahlungen mit dem Schuldner abschließt, entsteht auch eine 0,7 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 2 VV RVG. Dies wäre dann eine außergerichtliche Anwaltstätigkeit, die außer der Einigungsgebühr auch noch eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zur Entstehung kommen ließe – da eine titulierte Forderung unbestritten ist, muss dann Nr. 2300 Anm. Abs. 2 VV RVG angewendet werden. Der Gläubiger wäre jedoch schlecht beraten, wenn er einen solchen Auftrag erteilen würde und anschließend eventuell die Kosten selber tragen müsste; deshalb ist dieser Fall wohl sehr unwahrscheinlich.

 

Rz. 45

Es ist bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner darauf zu achten, dass der Schuldner auch die Kosten dieser Vereinbarung mit übernimmt, da er dann neben der 0,3 Vollstreckungsgebühr auch die 0,7 Einigungsgebühr als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 ZPO erstatten muss. Andernfalls würden diese Kosten nach § 98 S. 1 ZPO als "gegeneinander aufgehoben" gelten (siehe § 1 Rdn 41 ff.).

 

Rz. 46

Der Gegenstandswert für eine Ratenzahlungsvereinbarung beträgt nach § 31b RVG nur 50 Prozent des titulierten Anspruchs. Wenn der RA Vollstreckungsauftrag hat – wovon auszugehen ist – muss nach § 25 Abs. 1 Ziff. 1 Hs. 1 RVG der titulierte Anspruch einschließlich der Nebenforderungen der Berechnung zugrunde gelegt werden. Siehe hierzu § 3 Rdn 110 f., § 2 Rdn 166 ff., § 2 Rdn 182 f. und § 8 Rdn 19.

 

Beispiel:

RAin Rosenstiel hat Vollstreckungsauftrag hinsichtlich eines Urteils über 5.000,00 EUR und festgesetzter Kosten von 1.354,23 EUR. Sie beauftragt den Gerichtsvollzieher Scharf mit der Zwangsvollstreckung; die Zinsen betragen bis dahin 645,77 EUR. Nachdem sich der Gerichtsvollzieher bei dem Schuldner Willig telefonisch zur Vollstreckung angemeldet hat, erscheint Willig im Büro der RAin Rosenstiel und bietet an, monatlich 100,00 EUR Raten zu zahlen, wenn die Vollstreckung eingestellt wird. RAin Rosenstiel gelingt es mit Einverständnis des Gläubigers eine Ratenvereinbarung mit dem Schuldner abzuschließen, worin de...

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