Rz. 100

Die Kosten der Immobilie sind im Grundsatz nur insoweit gegenzurechnen, als sie solche Positionen betreffen, die von einem Mieter nicht verlangt werden können. Alle verbrauchsbedingten Kosten sowie alle nicht verbrauchsbedingten Kosten, die auch ein Mieter zahlen müsste, hat der in der Ehewohnung verbliebene Ehepartner zu tragen, ohne dass er diese Kosten dem Wohnvorteil entgegen setzen kann. Alle auf einen Mieter umlegbaren Betriebskosten dürfen folglich vom Wohnwert nicht abgezogen werden.[104]

aa) Unabhängig vom Zeitpunkt abziehbare Kosten

 

Rz. 101

Unabhängig vom Zeitpunkt abgezogen und damit unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden

Zinsen
notwendige Instandhaltungskosten für die Beseitigung unaufschiebbarer Mängel
Hausverwalterkosten.

Abgestellt wird dabei vom BGH auf tatsächlich geleistete Zahlungen.[105]

[105] BGH FamRZ 1995, 291, 293.

bb) Tilgungsleistungen

 

Rz. 102

Tilgungsleistungen, die nach der Trennung erbracht werden, sind nach der neueren Rechtsprechung des BGH immer unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.[106]

[106] BGH v. 18.1.2017– XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519 mit Anm. Hauß = FuR 2017, 258; vgl. auch BGH v. 4.7.2018 – XII ZB 448/17, FamRZ 2018, 1506 = FuR 2018, 540 Tz. 31; ausführlich Borth, FamRZ 2017, 682; Borth, FamRZ 2019, 160.

cc) Abziehbarkeit von sonstigen Kosten

 

Rz. 103

Bei der Bemessung des Wohnvorteils geht die Rechtsprechung im Ansatz davon aus, dass der Eigentümer wegen der ersparten Miete billiger lebt als ein Mieter. Kosten die mit dem Eigentum verbunden sind, mindern folglich diesen Wohnvorteil, wenn nicht auch ein Mieter solche Kosten zahlen müsste.

 

Rz. 104

Bei den Nebenkosten hat der BGH früher[107] verbrauchsunabhängige Nebenkosten wie Grundsteuern, Hausversicherungen generell als abzugfähig angesehen. Dies hat der BGH ausdrücklich aufgegeben.[108]

 

Rz. 105

Von dem Wohnvorteil dürfen deswegen künftig nur noch Kosten abgezogen werden, die nicht nach der ll. Berechnungsverordnung auf einen Mieter umgelegt werden können und deswegen allein einen Eigentümer treffen.

 

Rz. 106

Nicht abziehbar sind Kosten einer allgemeinen Renovierung z.B. nach dem Auszug des Partners.

[108] BGH v. 27.5.2009 – XII ZR 78/08, FamRZ 2009, 1300 mit Anm. Schürmann = NJW 2009, 2523 mit Anm. Born.

dd) Doppelverwertungsverbot beachten!

 

Rz. 107

Sind bestimmte Kosten wie z.B. Tilgungs- und Zinsleistungen bereits im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden, so scheidet eine Berücksichtigung in anderen Rechtsbeziehungen wie z.B. beim Gesamtschuldnerausgleich aus. Umgekehrt kann einer Berücksichtigung beim Unterhalt entgegenstehen, dass die gleiche Position bereits im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung oder des Zugewinnausgleichs berücksichtigt worden ist (Doppelverwertungsverbot; siehe Rdn 68 ff.).[109] Auch bei einer gezahlten Nutzungsvergütung gem. § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB[110] kann das Doppelverwertungsverbot relevant werden.

[109] Ausführlich zum Doppelverwertungsverbot siehe Viefhues, FuR 2013, 610 und 2013, 674; Götsche, FuR 2014, 202.

ee) Praktische Behandlung in der anwaltlichen Beratung:

 

Rz. 108

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Eheleute nach der Trennung in Verkennung der wirtschaftlichen Realitäten sich an den Gedanken klammern "das Haus für die Kinder zu erhalten".

 

Rz. 109

Bei der anwaltlichen Beratung sollte sobald als möglich dem Mandanten die rein wirtschaftlich zu beantwortende Frage gestellt werden, ob einer der Ehegatten nach der Scheidung mit all den damit verbundenen finanziellen Veränderungen überhaupt noch über ausreichende finanzielle Substanz verfügen wird, die mit dem Haus bzw. der Eigentumswohnung verbundenen finanziellen Belastungen auf lange Sicht alleine tragen zu können.

 

Rz. 110

Dabei sind die folgenden Auswirkungen der Trennung und Scheidung zu Bedenken

Belastung durch zwei Wohnungen,
Wechsel der Steuerklasse,
Reduzierung vorhandenen Vermögens durch den Zugewinnausgleich,
Verminderung der Rentenanrechte durch den Versorgungsausgleich mit der Notwendigkeit, die eigene Altersversorgung wieder aufzustocken,
Belastung durch Unterhaltspflichten,
ggf. auch Gerichts- und Anwaltskosten

Kann diese Frage nicht mit einem eindeutigen und durch Tatsachen abgesicherten "JA" beantwortet werden, sollte so schnell wie möglich der Verkauf des Hauses in die Wege geleitet werden.

Verzögerungen führen nur dazu, dass u.U. die Schulden gegenüber den Banken weiter anwachsen und unnötige Streitigkeiten über die Verrechnung des Wohnwertes im Unterhalt ausgelöst werden (Einzelheiten siehe unten Rdn 158).

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