Rz. 158

Zahlreiche juristische Auseinandersetzungen ergeben sich in der Praxis immer wieder aus der Tatsache, dass die Eheleute ein gemeinsames Haus oder eine gemeinsame Eigentumswohnung besitzen (Streit über die Anrechnung von Schulden und eines Wohnvorteils im Unterhalt, Streit über die Schuldenverteilung, Ärger mit Banken über die Kredite.)

Vielfach sehen die Eheleute das gemeinsame Haus mit sehr idealistischen Augen und machen sich zu lang falsche Vorstellungen über ihre wirtschaftlichen Realitäten.

Die Argumentation der Mandanten erfolgt dann regelmäßig nach dem folgenden Schema:

Man hat das mit großem Aufwand gebaut und sich für die Finanzierung über lange Jahre erhebliche Opfer auferlegt. Es bestehen keine finanziellen Reserven.
Das Haus oder die Eigentumswohnung ist also die eigentliche – und oft einzige – "finanzielle Lebensleistung" der Ehegatten.
Man will das Haus zumindest für die Kinder erhalten.
Man hängt ja so an dem Haus, man hat daran ja so viel selbst gemacht, das könne ja nicht vor die Hunde gehen!

Diese Haltung führt dazu, dass die Ehegatten die wirtschaftlichen Realitäten nicht einsehen wollen und notwendige – aber schmerzhafte – Entscheidungen vor sich her schieben. Folge davon ist, dass sich die Schulden weiter aufhäufen und die wirtschaftliche Situation sich weiter verschlechtert oder gar eskaliert – das alles verbunden mit gegenseitigen Schuldzuweisungen der Eheleute.

 

Praxistipp:

Drängen Sie Ihren Mandanten nachhaltig dazu, sich möglichst früh die Frage zu stellen, ob einer der beiden Ehegatten finanziell in der Lage ist, das Haus alleine zu halten – also neben Unterhaltszahlungen und ggf. der Belastung durch Zugewinnausgleich die Kredite langfristig alleine abzuzahlen.
Diese – knallhart und emotionslos allein nach kaufmännischen Gesichtspunkten – zu beantwortende Frage verdrängen viele Eheleute! Stattdessen liefert man sich heftige Auseinandersetzungen über die Anrechnung des Wohnvorteils und die Verteilung der Schulden. Nutznießer dieser die Realitäten ignorierenden Verhaltensweise sind letztlich nur die Banken, denn die Schulden laufen weiter auf.

Auch die Vorstellung vieler Ehegatten über den zu erzielenden Kaufpreis bedürfen oft einer Korrektur:

Die Überzeugung, im nächsten Jahr seien die Grundstückspreise besser, haben mit der Realität oft wenig zu tun. Zudem fressen zusätzliche Zinsen den potentiellen Mehrerlös vielfach auf.
Leider kommt es in der Praxis auch nicht selten vor, dass ein – mehr oder weniger – handwerklich begabter Ehegatte erhebliche Eigenleistungen im Hause erbracht hat und der Ansicht ist, die selbst mühsam verlegten Fliesen im Badezimmer oder die kunstvoll verlegte Deckenvertäfelung brächte einen höheren Kaufpreis ein. Die – für ihn traurige – Realität ist meist, dass der Erwerber wegen dieser Hobby-Handwerkerleistungen, eher auf einen Preisabschlag dringt, weil er sie mühsam wieder beseitigen muss!
Wenn ein Ehegatte der Ansicht ist, es sei ein höherer Verkaufspreis zu erzielen, so muss er auch eigene Anstrengungen zum Verkauf unternehmen. Er kann nicht dem anderen Ehegatten allein die Aktivitäten überlassen und lediglich die von diesem beigebrachten Angebote pauschal als zu niedrig ablehnen.
Wirtschaftlich völlig verfehlt ist es, den Streit bis zur Teilungsversteigerung fortzusetzen,[166] denn dabei wird das Objekt in aller Regel unterhalb des tatsächlichen Verkaufspreises den Eigentümer wechseln.

In der anwaltlichen Beratung sollten die Mandanten zur Beantwortung dieser Frage unter rein finanziellen Kriterien gedrängt werden!

Kann diese Frage eindeutig bejaht werden, sollte mit dem anderen Ehegatten und den finanzierenden Banken möglichst frühzeitig eine entsprechende Regelung – unter Beachtung der gesetzlichen Formvorschriften – vereinbart werden. Damit können diese Faktoren dann auch leichter aus der Unterhaltsberechnung herausgehalten werden.
Regelmäßig ist bei normalen Einkommensverhältnissen diese Frage aber zu verneinen. Auch dann sollte umgehend mit den finanzierenden Banken Kontakt aufgenommen werden. Ziel muss hier sein, das Haus möglichst schnell zu verkaufen, um die laufenden Belastungen zu verringern bzw. ganz zu beseitigen. Beide Ehegatten sollten im eigenen Interesse aktiv daran mitwirken, hier einen Käufer zu finden, der genug für das Haus zahlt.
 

Praxistipp:

Bei einer Übertragung von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen zwischen Ehegatten ist auch zu beachten, dass es zur Steuerpflicht gem. § 23 EStG (Gewinnversteuerung) kommen kann, wenn der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung des Grundstücks nicht mindestens 10 Jahre beträgt (sog. Trennungsfalle)!
Für den Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks und damit für die Berechnung des Zehnjahres-Zeitraums gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG kommt es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen (Verkaufs-) Vertrages, also des zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts an.[167] Der Vertragsabschluss muss innerhalb der Spekulationsfrist für beide Vertragsparteien bi...

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