Rz. 68

Das Doppelverwertungsverbot (zu den Aktiva § 10 Rdn 21) hat auch bei Schulden und Verbindlichkeiten Bedeutung.[71] Bei diesen Passiva kann es aber zu sehr unterschiedlichen Überschneidungen kommen, denn eine Verbindlichkeit kann für die folgenden rechtlichen Regelungsbereiche Bedeutung haben:

den Unterhalt,
den Gesamtschuldnerausgleich (oder ähnliche Formen des internen Ausgleichs der Ehegatten) bei solchen Verbindlichkeiten, die gemeinschaftlich aufgenommen worden sind,
das zu zahlende Nutzungsentgelt für die Ehewohnung (§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB, §§ 741, 745 Abs. 2 BGB) und Haushaltsgegenstände (§ 1361a Abs. 3 BGB, § 1568b Abs. 3 BGB).[72]

Für den Zugewinn kann dies erst dann relevant werden, wenn bereits die Zustellung des Scheidungsantrages erfolgt ist,

 

Rz. 69

In der Diskussion wird vielfach vereinfachend von Schulden oder Verbindlichkeiten gesprochen. Jedoch muss zur Erörterung der hier einschlägigen Überschneidungsmöglichkeiten bei den Schuldenbelastungen sauber und deutlich differenziert werden zwischen:

den laufend aufzubringenden Zinsen,
den (ggf. regelmäßigen) Tilgungsleistungen, die der Verminderung des Darlehensbetrages führen und
dem (restlichen) Darlehensbetrag als "negativem Kapital".
 

Rz. 70

Die regelmäßige Abzahlung von Verbindlichkeiten beinhaltet im Regelfall sowohl Zins als auch Tilgung. Bei der Bereinigung des Nettoeinkommens für eine Unterhaltsberechnung sind – soweit die Schulden selbst als unterhaltsrechtlich relevant anzuerkennen sind – auf jeden Fall die Zinsbelastungen anzuerkennen. Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Schuldenbelastungen ist der Unterhaltspflichtige darlegungs- und beweispflichtig.[73]

 

Rz. 71

Dagegen ist der Abzug des Tilgungsanteils nur in bestimmten Fallgestaltungen möglich (so z.B. im Zusammenhang mit der Wohnwertberechnung). Denn die Tilgung von Schulden ist letztlich Vermögensbildung, die aber regelmäßig – soweit sie nur einem Partner zugute kommt – nicht der anderen Unterhaltspartei entgegengehalten werden kann. Eine Ausnahme besteht dann, wenn sich die Tilgungsleistungen als zusätzliche Altersvorsorge darstellen.[74]

 

Rz. 72

Beim späteren Zugewinn geht es um den Ausgleich des vorhandenen Kapitals. Die Höhe des Kapitals wird aber nur durch Tilgungsleistungen beeinflusst, die gezahlten Zinsen spielen keine Rolle. Daher kann es bei der Betrachtung des Verbots der Doppelverwertung von Schulden im Verhältnis zwischen Unterhalt und Zugewinn immer nur darum gehen, eine doppelte Berücksichtigung der Tilgungsleistungen zu verhindern.[75]

 

Rz. 73

Der Gesamtschuldnerausgleich betrifft dagegen das negative Kapital, die Tilgungsleistungen und die Zinszahlungen.[76]

 

Rz. 74

Dabei spielt nicht in allen Fällen der zeitliche Aspekt eine Rolle. Hier ist zu differenzieren:

Geht es um eine Überschneidung mit dem Zugewinnausgleich,[77] so ist zu beachten, dass dort nur bis zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrages erbrachte Leistungen auf Schulden berücksichtigt werden können, denn diese kamen i.d.R. beiden Ehegatten zugute. Ein späterer Schuldenabbau kann sich hierauf nicht mehr auswirken.
Dagegen ist eine Regelung im Unterhalt und beim Nutzungsentgelt regelmäßig auf Dauer ausgelegt, also nicht von einem Stichtag abhängig. Überschneidungen sind daher auch auf Dauer möglich.
Beim Gesamtschuldnerausgleich kann es einmal um Regelungen zum Ausgleich des an einem bestimmten Tag bestehenden restlichen Darlehensbetrags (des "negativen Kapitalbetrags") gehen, aber auch um den Ausgleich laufender (bereits erbrachter oder zukünftiger) Raten.
[71] Ausführlich zum Doppelverwertungsverbot siehe Viefhues, FuR 2013, 610 und 2013, 674, Götsche, FuR 2014, 202.
[72] Hierzu s. Finke, FF 2007, 185, 191 ff.
[73] BGH FamRZ 1990, 283, 287.
[74] Siehe Kleffmann/Soyka, Praxishandbuch Unterhaltsrecht, 2012, Kap. 2 Rn 308 m.w.N.
[75] Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 317, 319; Kogel, FamRZ 2006, 1040.
[77] Zum Verhältnis zwischen Gesamtschuldnerausgleich und Zugewinn siehe auch BGH v. 6.11.2019 – XII ZB 311/18, FamRZ 2020, 231.

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