Rz. 346

Für vom Arbeitgeber geleistete Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Umzugskosten gibt es regelmäßig separate Vereinbarungen mit Rückzahlungsklauseln, die sich auf einen Zeitraum von meist zwei bis drei Jahren beziehen und nach denen sich die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers monatlich gem. Betriebszugehörigkeit jeweils um 1/24 bzw. 1/36 mindert. Solche einzelvertragliche Vereinbarungen sind grds. zulässig (vgl. BAG v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21, juris Rn 21). Im Fall der Aufhebung des Anstellungsverhältnisses sind diese darauf zu überprüfen, ob sie wirksam sind bzw. ob sie ggf. eine unzulässige Kündigungserschwerung beinhalten. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21, juris Rn 20). Das BAG betont, dass die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Eine Bindungsdauer von drei Jahren sei dann regelmäßig unangemessen lang (vgl. BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12; vgl. zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten § 17 Rdn 454 ff., 462; vgl. zur Rückzahlung von Umzugskosten § 17 Rdn 944 ff., 957 ff.). Die Grundsätze zur Zulässigkeit von Verträgen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten gelten unabhängig davon, dass der Rückzahlungsanspruch ggf. in der Form eines Darlehens gem. § 607 Abs. 2 BGB geschuldet werden soll (vgl. BAG v. 26.10.1994 – 5 AZR 390/92, DB 1995, 632 = NZA 1995, 305). Wie bei (reinen) Darlehen muss der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er seine etwaigen Rückzahlungsansprüche nicht realisieren kann, wenn die Aufhebungsvereinbarung eine Abgeltungsklausel enthält und die Rückzahlung nicht ausdrücklich anderweitig geregelt ist (s.o. Rdn 343; vgl. § 16 des Mustervertrags, Rdn 454).

 

Rz. 347

Das BAG betont in seinen Entscheidungen insbesondere das Erfordernis der Transparenz. In Formularverträgen enthaltene Rückzahlungsklauseln über Weiterbildungskosten entsprächen nur dann dem Transparenzgebot, wenn sie keine vermeidbaren Unklarheiten nach Grund und Höhe enthielten und für den Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Beurteilungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bestünden (vgl. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12 Krankenpfleger). Ebenso entschied das BAG zugunsten eines Arbeitnehmers, der nach der Rückzahlungsverpflichtung für jeden Fall der Eigenkündigung zur Rückzahlung verpflichtet war, ohne danach zu differenzieren, ob der Beendigungsgrund dem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zuzuordnen sei (vgl. BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12). Es sei nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnis anknüpfen, können daher gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. BAG v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21, juris Rn 21). Dem Arbeitgeber sei es ohne Weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsfeld nicht (mehr) nutzen kann (vgl. BAG v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21, juris Rn 27).

 

Rz. 348

Entfällt nach dem Fortbildungsvertrag (Traineevertrag in einem IT-Beratungsunternehmen) die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitgebers alleine dann, wenn die Pflichtwidrigkeit derart schwerwiegend ist, dass sie einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB darstellt, ist dies eine unzulässige Verengung der Fälle, in denen sich der fortgebildete Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur rückzahlungsfreien Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. Eine solche Rückzahlungsklausel ist unangemessen benachteiligend und damit unwirksam i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. LAG Hamm v. 11.2.2022 – 1 Sa 648/21, juris Ls. 2 und Rn 69). Unwirksam ist auch eine Rückzahlungsklausel, wenn sie nicht hinreichend klar und verständlich ist, weil die Erstattungskosten dem Grunde und der Höhe nach nicht im Rahmen des Möglichen angegeben sind. Eine exakte Bezifferung ist nicht verpflichtend, aber Art und Berechnung sind unverzichtbar (vgl. BAG v. 21.8.2012 – 3 ATZ 698/10).

 

Rz. 349

Verpflichtet eine vertragliche Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in der Klausel vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens ...

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