Entscheidungsstichwort (Thema)

Wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bei Rückforderung von Fortbildungskosten. Unangemessene Benachteiligung bei Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten. Unwirksamkeit einer Rückforderungsklausel bei Nichtberücksichtigung berechtigter Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Rückforderung von Fortbildungskosten bei pflichtwidrigem Verhalten. Erstattung von Fortbildungskosten nach Bereicherungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Differenziert eine Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag danach, dass der fortgebildete Arbeitnehmer im Falle der Eigenkündigung während der Bindungsfrist zur Rückzahlung nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber dazu einen wichtigen Grund gegeben hat, ist damit regelmäßig ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB gemeint.

Entfällt die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitgebers alleine dann, wenn die Pflichtwidrigkeit derart schwerwiegend ist, dass sie einen wichtigen Grund darstellt, ist dies eine unzulässige Verengung der Fälle, in denen sich der fortgebildeten Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur rückzahlungsfreien Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. Eine solche Rückzahlungsklausel ist unangemessen benachteiligend und damit unwirksam i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

 

Normenkette

BGB §§ 305, 307, 626, 157, 133, 305c, 622; GG Art. 12; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 19.05.2021; Aktenzeichen 3 Ca 2704/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.05.2021 - 3 Ca 2704/20 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagende Arbeitgeberin fordert von der beklagten Arbeitnehmerin Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten.

Die Klägerin, die ein IT-Beratungsunternehmen betreibt, vereinbarte mit der Beklagten am 28.03.2018 einen Arbeitsvertrag als Account Managerin zu einem Bruttomonatsverdienst von 3.000 €. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde auf den 15.04.2020 festgelegt und setzte den erfolgreichen Abschluss einer vorangegangenen Traineeausbildung voraus. Über diese Ausbildung schlossen die Parteien - ebenfalls am 28.03.2018 - einen Traineevertrag. Zur Grundlage dieses Vertrages machte die Klägerin Klauseln, die sie üblicherweise beim Abschluss von Traineeverträgen verwendet und die nach beiderseitigem Verständnis der Parteien Allgemeine Geschäftsbedingungen sind.

Der Traineevertrag sah eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.800 € brutto vor. Er regelte u.a. Folgendes:

"§ 1 Gegenstand der Ausbildung

(1) Auf Wunsch des Trainees ermöglicht der Arbeitgeber diesem eine 24-monatige Vertriebsausbildung nach Maßgabe des diesem Vertrag als wesentlichem Bestandteil beigefügten Ausbildungsrahmenplans (Anlage 1) mit internen und externen Trainingsmaßnahmen, Ausbildungsstufen und Schulungen.

(2) Ziel der Vertriebsausbildung ist die Fortbildung des Trainees zu einem qualifizierten IT-Verkäufer (Account Manager); durch die Vertriebsausbildung soll die berufliche Qualifikation des Trainees nachhaltig verbessert werden, um ihn nach deren Abschluss als selbstständig und eigenverantwortlich tätigen IT-Verkäufer (Account Manager) einsetzen zu können. Die Vertriebsausbildung ist keine Ausbildung i. S. des Berufsbildungsgesetzes.

(3) Der Trainee wird in den ersten 12 Monaten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Ab dem 13. Ausbildungsmonat wird er im Rahmen einer Betreuung durch einen Mentor vermehrt praxisnahe Kompetenzen erlernen.

(4) Die Vertriebsausbildung liegt zum einen im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers, um die Einsatzfähigkeit des Trainees im Betrieb zu erhöhen und ihm im Anschluss an die Vertriebsausbildung einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Mindestbedingungen, wie sie in Anlage 3 dieser Vereinbarung niedergelegt sind, anzubieten. Überwiegend entspricht die Teilnahme aber dem Interesse des Trainees, um seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern. Seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, werden nach erfolgreichem Abschluss dieser Vertriebsausbildung deutlich verbessert.

§ 2 Dauer der Ausbildung

(1) Die Vertriebsausbildung beginnt am 15. April 2018 und ist auf zwei Jahre befristet, endet somit am 14. April 2020.

(2) Der Traineevertrag kann beidseits unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB gekündigt werden.

(...)

(5) Eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB bleibt hiervon unberührt.

(...)

§ 6 Leistungen des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber gewährt dem Trainee in der Erwartung, dass er das Ziel der Vertriebsausbildung erfolgreich erreicht und nach Abschluss ein Arbeitsverhältnis begründet wird, folgende Leistungen:

a) Freistellung von der Arbeit für die Zeit sämtlicher Ausbildungsstufen, externen sowie internen Lehrveranstaltungen und etwaigen Prüfungen unter Fortzahlung der Fortbildungsvergütung gem. § 4 in bisheriger Höhe einschließlich der Ar...

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