Rz. 6

Der Pflichtteilsanspruch beträgt zwei Drittel des Wertes des gesetzlichen Erbteils des Pflichtteilsberechtigten (§ 396 Abs. 2 S. 2 ZGB); er ist damit wesentlich höher als der des BGB, weil der Gesetzgeber der Regelung der ehemaligen Sowjetunion gefolgt ist.[8] Der Berechnung des Pflichtteils wird der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt (§ 396 Abs. 2 S. 2 ZGB). Dabei sind vom Nachlasswert alle Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen, die dem Pflichtteilsanspruch im Range vorgehen, was sich nach der in § 410 Abs. 1 ZGB enthaltenen Reihenfolge bestimmt. Demnach sind Vermächtnisse und Auflagen nachrangig. Umstritten ist, wie die dem überlebenden Ehegatten nach § 365 Abs. 1 S. 3 ZGB vorneweg gebührenden Haushaltsgegenstände bei der Berechnung des Pflichtteils zu behandeln sind.[9] Gegenüber dem BGB ergibt sich für den Pflichtteil ein weiterer Unterschied daraus, dass er unabhängig davon ist, in welchem Güterstand der Erblasser lebte.[10]

 

Rz. 7

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch (§ 396 Abs. 2 S. 1 ZGB). Er entsteht mit dem Erbfall (§ 396 Abs. 3 S. 2 ZGB), ist eine Nachlassverbindlichkeit (§ 396 Abs. 3 S. 1 ZGB) und richtet sich damit gegen die Erben (§ 409 ZGB). Jedoch kann der Erbe zur Erfüllung des Pflichtteils ein ihm auferlegtes Vermächtnis im Innenverhältnis soweit kürzen, dass der Pflichtteil von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Das Gleiche gilt für eine Auflage (§ 398 Abs. 1 ZGB). Jedoch ist einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber die Kürzung nur soweit zulässig, dass diesem der Pflichtteil verbleibt (§ 398 Abs. 2 ZGB). Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, kann er das Vermächtnis oder die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein Pflichtteil verbleibt (§ 398 Abs. 3 ZGB).[11]

 

Rz. 8

Der Pflichtteilsanspruch ist vererblich (§ 396 Abs. 4 ZGB) und verjährt zwei Jahre nach Kenntnis des Erbfalls und vom Inhalt des Testaments, spätestens aber zehn Jahre nach dem Erbfall (§ 396 Abs. 3 S. 3 ZGB).

 

Rz. 9

Das Verhältnis zwischen Pflichtteilsanspruch und letztwilligen Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten regelt § 397 ZGB, der weitgehend den §§ 2305 bis 2307 BGB entspricht. Ist der dem Pflichtteilsberechtigten zugewandte Erbteil geringer als zwei Drittel des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte gegenüber den Miterben einen Pflichtteilsanspruch im Werte des an zwei Drittel fehlenden Teils geltend machen (§ 397 Abs. 1 ZGB). Ist der Wert des hinterlassenen Erbteils nicht größer als der Pflichtteilsanspruch und sind zugleich Vermächtnisse oder Auflagen zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten angeordnet, so entfallen diese kraft Gesetzes (§ 397 Abs. 2 S. 1 ZGB, analog § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB). Ist der Wert des hinterlassenen Erbteils jedoch größer, so kann der Pflichtteilsberechtigte entweder den Erbteil mit diesen Belastungen annehmen oder aber den Erbteil ausschlagen und den vollen Pflichtteilsanspruch verlangen (§ 397 Abs. 2 S. 2 ZGB, analog § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB). Wurde allerdings eine Testamentsvollstreckung angeordnet, so hat der Pflichtteilsberechtigte diese auf alle Fälle zu dulden.[12] Vor- und Nacherbschaft kennt das DDR-ZGB nicht, so dass diesbezüglich keine Regelung veranlasst war. Soweit dem Berechtigten ein Vermächtnis zugewandt wird, gelten die Bestimmungen über den Pflichtteilsanspruch und Erbteil entsprechend (§ 397 Abs. 3 ZGB).

 

Rz. 10

Die Vereinfachung des Pflichtteilsrechts brachte es mit sich, dass Regeln zur Ausgleichung, Anrechnung, zur Pflichtteilsentziehung und -beschränkung in guter Absicht wie auch zum Pflichtteilsverzicht fehlten.[13] Dafür sind die Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeitsgründe im Vergleich zum BGB weiter gefasst (§§ 406 bis 408 ZGB). Vor dem Inkrafttreten des ZGB abgeschlossene Erbverzichtsverträge behielten jedoch ihre Wirksamkeit und Wirkung.[14] Vorschriften zum Schutz des Pflichtteilsanspruchs gegen lebzeitige Schenkungen gab es keine, insbesondere keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch, wodurch sich intertemporale Probleme ergeben, wenn Schenkungen unter Geltung des DDR-ZGB erfolgten, der Erbfall aber nach dem 2.10.1990 eintritt und dann auf das Erb- und Pflichtteilsrecht die Bestimmungen des BGB Anwendung finden (siehe Rdn 12).

[8] Freytag, ZRP 1991, 304; Ort, NJ 1975, 238.
[9] Zum Streitstand MüKo-BGB/Frank, 3. Aufl. 1997, § 2303 Rn 35 m.w.N.
[10] Ebenroth, Erbrecht, Rn 1008; MüKo-BGB/Frank, 3. Aufl. 1997, § 2303 Rn 33.
[11] § 398 Abs. 3 ZGB dürfte weiter gehen als § 2318 Abs. 3 BGB, weil im DDR-ZGB die Worte "wegen der Pflichtteilslast" fehlen, so dass der pflichtteilsberechtigte Erbe seinen eigenen Pflichtteil uneingeschränkt verteidigen kann und nicht nur wegen der Pflichtteilslast, die durch Ansprüche anderer Pflichtteilsberechtigter entstehen, vgl. Soergel/Dieckmann, Vor § 2303 BGB Rn 28.
[12] Haas, in: Bengel/Reimann, Handbuch Testamentsvollstreckung, IX Rn 101 ff.
[13] Siehe de Leve, Erbrecht, S. 30.
[14] Siehe de Leve, Erbrecht, S. 32.

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