Rz. 11
Am 3.10.1990 trat für das Gebiet der DDR das Erbrecht des BGB in Kraft, Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB. Dies gilt für alle ab diesem Zeitpunkt eingetretenen Erbfälle. Eine Ausnahme ergibt sich allein gem. Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB für vor dem 3.10.1990 geborene nichteheliche Kinder, die entsprechend dem für sie damals geltenden Recht ihren gleichberechtigten Status mit ehelichen Kindern behielten. Es dauerte bis zum 1.4.1998 (Art. 227 EGBGB), bis diese auch nach BGB gleichgestellt wurden.[15] Ein Unterschied ergibt sich nun nur noch für vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder, die nach ZGB gleichberechtigt erbten, während in den alten Bundesländern weiterhin Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG Anwendung findet und damit für diese nach wie vor ein Erb- und Pflichtteilsrecht ausschließt. Für die Anwendung des Rechts des Beitrittsgebiets ist nach wohl überwiegender Meinung entscheidend, wo der Erblasser am 2.10.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.[16] Nur diese Auslegung ist sinnvoll, denn die Bestimmung soll zum damaligen Zeitpunkt begründete Positionen schützen.
Rz. 12
Das seit dem 1.1.1976 geltende ZGB der DDR kannte keine dem Pflichtteilsergänzungsanspruch entsprechende Regelung. Daher war umstritten, ob ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen besteht, die ein in der früheren DDR lebender Erblasser vor dem Beitritt gemacht hat, der aber erst nach dem 2.10.1990 verstorben ist. Gründe des Vertrauens- und Bestandsschutzes sprechen dagegen,[17] auch wenn sich aus Art. 235 § 1 EGBGB keine Einschränkung hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 2325, 2329 BGB entnehmen lässt. Der BGH hat diesen Fall einer interlokalen, ja sogar intertemporalen Rechtskollision dahingehend entschieden, dass §§ 2325, 2329 BGB auch auf diese Fälle anwendbar seien.[18] Dabei räumt er ein, dass es sich um den Fall einer unechten Rückwirkung einer Gesetzesbestimmung handele. Bei der deshalb wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlichen Interessenabwägung gibt er jedoch dem Interesse an der Rechtseinheit nach der Wiedervereinigung den Vorrang vor dem Erwerbsinteresse des Beschenkten und der Testierfreiheit des Erblassers. Er begründet dies hierbei auch mit der geringeren Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs,[19] aber auch damit, dass bei Abschluss des Schenkungsvertrages kurz vor dem Beitritt nicht mehr auf den Fortbestand des DDR-Erbrechts vertraut werden konnte. Aber selbst wenn man einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zubilligt, gilt auch hier das Niederstwertprinzip:[20] der Umstand, dass infolge der Änderung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein Grundstück nach dem Beitritt einen wesentlich höheren Wert hat, muss ebenso außer Betracht bleiben wie die in der DDR mitunter geleisteten, aber illegalen Schwarzgeldzahlungen. Lag bei Vollzug einer Grundstückszuwendung im Grundbuch ein entgeltliches Geschäft vor, so kann daraus durch die Wertsteigerung nach der Deutschen Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft werden.[21] Den Interessen der Pflichtteilsberechtigten kann jedoch in bestimmten Fällen aus dem Gesichtspunkt des höheren "inneren Wertes" geholfen werden, jedoch nicht bereits bei Schenkungen im Jahre 1983, da eine Wertsteigerung damals noch nicht vorhersehbar war.[22] Zudem ist die Zahl der noch zur Entscheidung anstehenden Fälle begrenzt, da wegen der Zehn-Jahresfrist in § 2325 Abs. 3 BGB Erbfälle nach dem 2.10.2000 nur noch dann betroffen sind, wenn es sich um eine Ehegattenschenkung handelt oder wenn diese Frist aus anderen Gründen – etwa wegen eines Nießbrauchsvorbehalts – noch nicht abgelaufen ist.
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen