Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Art. 235 § 1 EGBGB stellt hinsichtlich der „erbrechtlichen Verhältnisse” auf den Zeitpunkt des Erbfalles ab. Zu den „erbrechtlichen Verhältnissen” gehören zweifelsfrei auch die Beziehungen zwischen den Pflichtteilsberechtigten und den Erben, also die §§ 2303 f. BGB einschließlich der Ergänzungspflicht gem. §§ 2325 f. BGB.

2. In Fällen, in denen der Erbfall ab dem 03.10.1990 eingetreten ist, die Schenkung aber vor diesem Zeitpunkt erfolgte und diese bei der Berechnung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

EGBGB Art. 235 § 1; BGB §§ 2325, 2329

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 29.10.1998; Aktenzeichen 9-O-3500/98)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteils des Landgerichtes Dresden vom 29.10.1998, Az: 9 O 3500/98, abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

  1. dem Kläger Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses über sämtliche von dem am 30.09.1997 verstorbenen G … M … getätigten ergänzungspflichtigen Zuwendungen in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall,
  2. den Wert des hälftigen Miteigentumsanteils des im Grundbuch von L …, Blatt …, als Flurstück … / eingetragenen Grundstückes …, D., durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum 19.02.1991 zu ermitteln.

Im Übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Dresden zurückverwiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt DM 30.000,00.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten als Erbin im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung hinsichtlich seines Pflichtteilsanspruchs.

Am 30.09.1997 verstarb A … G … M … (im Folgenden: Erblasser), der Vater des Klägers. Er war Witwer, weitere Abkömmliche außer dem Kläger sind nicht vorhanden.

Mit notariellem Testamtent vom 30.09.1989 (Anlage K 2, Bl. 12/13 dA) hatte der Erblasser die Beklagte, seine Nichte, als Alleinerbin eingesetzt. Seinen beweglichen Nachlass hatte der Erblasser dem Kläger als Vermächtnis zugewandt und den Kläger zum Testamentsvollstrecker bestimmt.

Mit notariellem Vertrag vom 22.08.1990 (Anlage K 3, Bl. 14/15 dA) übertrug der Erblasser zusammen mit Frau F … das ihm in ungeteilter Erbengemeinschaft mit Frau F … gehörende Grundstück in L …, …, Flurstück …/…, Bl. … in L … an die Beklagte. Als einzige Gegenleistung übernahm die Beklagte die Forderung der Stadtsparkasse D …, die per 01.07.1990 mit DM 6.789,52 valutierte. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 19.02.1991.

Mit Schreiben vom 12.02.1998 forderte der Kläger die Beklagte zur Übergabe einer Kopie der notariellen Schenkungsurkunde auf. Mit Schreiben vom 07.04.1998 forderte er Wertermittlung und Zahlung. Die Beklagte wies die Forderungen mit Schreiben vom 09.04., 08.06. und 02.06.1998 zurück, da die Schenkung zu DDR-Zeiten erfolgt sei.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass § 2325 BGB auch auf Schenkungen zu DDR-Zeiten anzuwenden sei, wenn der Erbfall ab dem 03.10.1990 eingetreten sei.

Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt,

  1. in der ersten Stufe durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über

    1. sämtliche von dem am 30.09.1997 verstorbenen G … M … getätigten ergänzungspflichtigen Zuwendungen in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall

      sowie

    2. den Wert des hälftigen Miteigentumsanteiles des im Grundbuch von L …, Blatt …, als Flurstück … / eingetragenen Hausgrundstücks …, D …, durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens,
  2. in der zweiten Stufen erforderlichenfalls Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben hat, als sie dazu im Stande ist,
  3. in der dritten Stufe an den Kläger dessen Pflichtteil i.H.v. 1/2 des sich aus der Auskunft und der Wertermittlung ergebenden Wertes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

… die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung wiederholt, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht bestehe, da die Schenkung vor dem 03.10.1990 erfolgt sei.

Mit Urteil vom 29.10.1998 hat das Landgericht Dresden die Klage abgewiesen – nachdem es dem Kläger zuvor Prozesskostenhilfe bewilligt hatte.

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehe nicht, da der Kläger im Zeitpunkt der Schenkung nicht pflichtteilsberechtigt gewesen sei. Außerdem stelle das Auskunftsbegehren eine unzulässige Ausforschung dar, da über den Notarvertrag vom 22.08.1990 hinaus keinerlei Anhaltspunkte für unentgeltliche Verfügungen des Erblassers gegeben seien.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen diese Argumentation des Landgerichts und wiederholt seine Rechtsauffassung, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch auch gegeben sei, wenn die Schenkung vor dem 03.10.1990 erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 11.01.1999 (Bl. 120 f. dA)...

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