Talent-Management-Kolumne: Die tägliche Wertschätzung

Wie viel Wertschätzung brauchen Talente? Und wie gibt man sie ihnen? Mit diesen Fragen setzt sich heute Kolumnist Martin Claßen auseinander. Er warnt Talent Manager auch davor, diese Fragen zu unterschätzen.

Müsste man die Ziele sämtlicher Instrumente im Talent Management auf einen kurzen Nenner bringen, würde es "Wertschöpfung plus Wertschätzung" heißen. Die Betonung liegt dabei auf dem Plus. Heute können Herausforderungen der Zukunft von einer Organisation nur mit präsenten, kompetenten und engagierten Menschen bewältigt werden - die dafür bei Laune gehalten werden möchten. Daher dreht sich im Talent Management ganz viel um die Balance im Umgang mit Führungskräften und Mitarbeitern. Im Sinne von Wertschöpfung und im Geiste der Wertschätzung. Diese steht im Fokus der heutigen Kolumne.

Der Dritte eines jeden Monats: Tag der Wertschätzung

Eine durchaus begrüßenswerte Initiative des Netzwerks "Heartleaders", das sich für Business mit Herz und Haltung einsetzt, greift freilich zu kurz. Der Dritte eines jeden Monats – also der dritte Januar, der dritte Februar, et cetera – wird bundesweit zum Tag der Wertschätzung erklärt. Diese Wertschätzungstage stehen jeweils unter einem bestimmten Motto wie die Homepage heartleaders.de erläutert. Dafür bieten die Heartleaders ein ganzes Bündel von Tipps zur richtigen Wertschätzung - am Dritten, jeden Monat. Schauen Sie in den Kalender. Der nächste Tag der Wertschätzung ist nicht mehr weit. Aber was soll nun an diesem Tag konkret passieren?

Wertschätzung ist nämlich ein komisches Ding. Die allermeisten Empfänger von Wertschätzung – besonders tatsächliche oder vermeintliche Talente – haben höchste Erwartungen. Lassen doch bereits die beiden Bestandteile des Wortes, Wert und Schatz, einiges herbeiwünschen. Zumal in beiden Begriffen ziemlich offensichtlich eine materielle Komponente eingebettet ist. Für viele Führungskräfte und Mitarbeiter ist also das Datum an dem die monatliche Gehaltszahlung auf dem Konto gutgeschrieben wird ihr Tag der Wertschätzung. Nur merken dies die wenigsten.

Tägliche Ration an Wertschätzung

Zudem wird mit Wertschätzung, das ist ein Phänomen unserer Zeit, neben dem schnöden Mammon immer mehr Immaterielles verbunden: Respekt, Anerkennung, Bedeutsamkeit. Menschen brauchen dies für ihre Einordnung ins Sozialsystem, wie es eine Organisation nun einmal ist. Diese Form von Wertschätzung sollte Talenten und im Grunde jedem Mitarbeiter allerdings öfter als nur einmal im Monat verabreicht werden. Nicht wenige Talente benötigen ihre tägliche Ration, manche sogar eine stündliche. Im Talent Management ist Wertschätzung zur Droge geworden, mit entsprechendem Suchtpotenzial und Entzugsphänomenen.

Eigentlich, liebe Heartleader, müsstet ihr eher einen Tag im Monat ohne Wertschätzung ausrufen. An dem alle Wertschätzungsgeber, also die Chefs, einmal so richtig kräftig durchatmen können. Denn für den Geber kann Wertschätzung mitunter ziemlich anstrengend werden. Dafür wird an allen anderen Tagen Wertschätzung zur Selbstverständlichkeit. Sonst sind sie weg, die Talente. Sie gehen dann dorthin, wo noch mehr wertgeschätzt wird. Ohne Wertschätzung läuft in vielen Firmen heute gar nichts mehr.


Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.