Marktgespräch HR Tech mit Sebastian Theisen von Agenda

Der mittelständische Softwareanbieter Agenda aus Rosenheim gehört zu den Spezialisten für die Lohn- und Gehaltsabrechnung. Sie gilt als eine der komplexesten Disziplinen im Personalwesen - nur wenige Anbieter wagen sich daran. Doch ein Selbstläufer ist das Geschäft deshalb noch lange nicht. Im Marktgespräch HR Tech erklärt Marketing- und Verkaufschef Sebastian Theisen, wie das Unternehmen sich im Verdrängungswettbewerb behaupten möchte.

Seit knapp 40 Jahren unterstützt Agenda Steuerberater, Buchhalter und Unternehmen mit Softwarelösungen, Servicedienstleistungen und Fachwissen. Der Spezialist widmet sich der Lohn- und Gehaltsabrechnung, einer der komplexesten Disziplinen im Personalwesen. Der Grund: das deutsche Steuerrecht gilt als eines der kompliziertesten weltweit. Wer da den Überblick behält, dem winkt ein lukratives Geschäft. Der Rosenheimer Softwarehersteller mit 350 Mitarbeitenden bedient nach eigenen Angaben 350.000 Anwender. Diese erstellen mit der Software im Monat knapp eine Millionen Lohnabrechnungen. Das klingt beachtlich, spiegelt die Marktmacht des Anbieters jedoch nur bedingt wider. Zum Vergleich: Der größte Mitbewerber, die Datev mit 8.400 Beschäftigen, einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro und 14 Millionen Abrechnungen monatlich spielt gewissermaßen in einer eigenen Liga.

Schneller wachsen als die Konkurrenz

Dennoch scheinen die Geschäfte bei Agenda zu laufen. "Wir verzeichnen jedes Jahr ein solides Wachstum", sagt Sebastian Theisen. Zahlen nennt er nicht. Wachstum allein ist allerdings noch kein Indikator für den Erfolg. Denn der Markt für Lohn- und Gehaltssoftware ist ein Verdrängungswettbewerb. Wer darin bestehen will, muss also schneller wachsen als die Konkurrenz. Im Falle von Agenda ist das Datev, die im Geschäftsjahr ein Umsatzwachstum von 7,6 Prozent verzeichnete. Theisen scheint trotzdem zuversichtlich und verweist auf eine Auszeichnung, die sein Unternehmen im vergangenen Jahr bereits zum zweiten Mal infolge erhalten hat: "Bayerns Best 50". Damit ehrt das Wirtschaftsministerium des Freistaats alle fünf Jahre branchenübergreifend 50 Unternehmen aus Bayern, die die Zahl ihrer Beschäftigen sowie ihren Umsatz überdurchschnittlich steigern konnten. Theisen und seine Mitarbeitenden sind stolz darauf.

Mittelfristig sieht er Wachstumschancen durch das Angebot von Dienstleistungen, die das Software-Portfolio erweitern. "Wir merken, dass gerade kleinere und mittelständische Unternehmen zunehmend personelle Engpässe bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung haben", sagt Theisen. Agenda könne dann sowohl temporär als auch dauerhaft die Lohnbuchhaltung übernehmen. Ob das Outsourcing-Geschäft ein dauerhaftes Standbein werden könne, sieht Theisen – anders als Martijn Brand, Senior Vice President beim Payroll-Riesen ADP - eher skeptisch. Perspektivisch könnte eine fortschreitende Automatisierung der Lohn- und Gehaltsabrechnung das Auslagern der Prozesse jedoch überflüssig machen.

Keine Angst vor Personio

Die Automatisierung sieht Theisen als größte Chance für sein Unternehmen. Denn anders als in vergleichsweise jüngeren Disziplinen von HR Tech wie etwa People Analytics, sind bei der Payroll technologisch eher keine Quantensprünge mehr zu erwarten. Das größte Ziel sei eine Vollautomatisierung der Prozesse. Es geht also um Effizienz und Kostenersparnis. Ein Schritt auf dem Weg dahin sei die Entwicklung einer cloudbasierten Lösung, sagt Theisen. Wann Agenda diese anbieten möchte, lässt er offen. Es dürfte also noch etwas dauern. Bis dahin setzt Theisen auf andere Argumente im Wettbewerb um neue Kunden: Fachexpertise, Kundensupport und Leistungsbreite. Insbesondere letztere sei entscheidend im heterogenen Markt der kleinen und mittelständischen Unternehmen (bis 800 Mitarbeitende): "Die Anforderungen variieren je nach Branche, Größe und Beschäftigungsverhältnis extrem stark." Agenda könne diese Bandbreite bedienen, behauptet Theisen. Deshalb bereitet ihm die Ankündigung von Personio, das sich im gleichen Marktsegment bewegt, eine eigenen Payroll-Lösung entwickelt zu haben, keine Kopfschmerzen. Eine rudimentäre Lohnabrechnung zu entwickeln sei eine Sache, alle möglichen Sonderfälle und -formen abzudecken, dagegen eine ganz andere Nummer.

Nachhaltigkeit bislang kein Verkaufsargument

Etwas versteckt auf der Website des Softwareanbieters findet sich ein Hinweis zur "Green Agenda". Darin verschreibt sich das Unternehmen, wie derzeit viele, der Klimaneutralität. Was jedoch überrascht: Die Rosenheimer scheinen das Vorhaben konsequenter und ambitionierter anzugehen, als es nötig wäre, um sich einen "grünen Anstrich" zu verpassen. Keine Flugreisen zu Geschäftsterminen, ein rein virtueller Vertrieb, eine (fast) elektrische Dienstwagenflotte, Strom nur aus regenerativen Quellen, Photovoltaik auf dem Firmengebäude, übrig gebliebenes Essen von Firmenveranstaltungen und die Reste des Kantinenessens gehen an die lokale Tafel. Agenda tut einiges, will die Maßnahmen aber nicht als Verkaufsargument verstanden wissen. "Bislang spielt die Nachhaltigkeit im Sales noch eine untergeordnete Rolle", sagt Theisen. Möglicherweise könnte sich das in Zukunft ändern, wenn Unternehmen die Nachhaltigkeitsbemühungen ihrer Lieferanten genauer unter die Lupe nehmen. Bis dahin wird sich Agenda im Kerngeschäft behaupten müssen. Und das ist getrieben von Preis, Effizienz und Funktionsumfang.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.