Marktgespräch HR-Software mit Christof Leiber von Atoss

Atoss gehört zu den wenigen HR-Software-Anbietern, die den Sprung aufs Börsenparkett gewagt haben. Seit ihrem Börsengang im Jahr 2000 hat die Aktie ihren Wert um rund 1.300 Prozent gesteigert. Darin spiegelt sich die erfolgreiche Entwicklung des durch den Gründer geführten Münchner Unternehmens wider. Mit einer Cloud-Strategie möchte Finanzvorstand Christof Leiber diesen Kurs fortsetzen.

An Umsatzrekorde ist man bei Atoss gewöhnt. Auf 170 Millionen Euro soll der Jahresumsatz im laufenden Geschäftsjahr steigen, im ersten Quartal lag das Wachstum bei 16 Prozent. Es wäre die 19. Steigerung in Umsatz und Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr in Folge, wie Finanzvorstand Christof Leiber betont. Er ist seit fast zweieinhalb Jahrzehnten an Bord und mitverantwortlich für die erfolgreiche Entwicklung des Münchner Softwareherstellers, wo Gründer und größter Aktionär Andreas F.J. Obereder als Vorstandsvorsitzender weiterhin die Geschicke lenkt.

Feste Größe im Workforce Management

Atoss gehört im Markt für Workforce-Management-Systeme zu den wichtigsten Anbietern in Europa und verfügt über eine Produktportfolio, das von Arbeitszeiterfassung, Zeitwirtschaft, operativer und strategischer Personalplanung über Mitarbeiter-Self Services bis zu HR-Analytics reicht. Damit gehört das Unternehmen zu den Profiteuren des EuGH-Urteils zur Zeiterfassung. Auch der Fach- und Arbeitskräftemangel in vielen Branchen spielt dem Anbieter in die Karten, weil er die Personaleinsatzplanung auf der Agenda der Personalbereiche nach oben rückt.

Gute Voraussetzungen also für Leiber, der den rasanten Wachstumskurs der vergangenen beiden Jahre (17 beziehungsweise 33 Prozent Umsatzplus in 2022 und 2023) fortsetzen möchte. Damit läge das Unternehmen deutlich über dem Marktwachstum für HR Tech, das schätzungsweise bei acht bis neun Prozent pendelt. Während andere Hersteller, die ähnlich schnell zugelegt haben, inzwischen massiv an der Preisschraube drehen, fallen die Erhöhungen bei Atoss eher moderat aus. Rund fünf Prozent mehr mussten die Kunden für die Produkte des Anbieters zuletzt bezahlen. "Die Preisanpassungen werden sich auch künftig in einem vertretbaren Rahmen bewegen", sagt Leiber.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Cloud-Geschäft geschaffen

Möglich ist das, weil der Anbieter sein Wachstum zu gleichen Teilen aus Neugeschäft und Ausweitung des Bestandsgeschäftes erzielt. Für Leiber ist es auch des Resultat eines Produktportfolio, dass sich auf Ergänzungen, Erweiterungen und Innovationen stützt. Von letzteren profitieren jedoch vor allem die Cloud-Kunden des Anbieters. Denn nur ihnen stehen alle Neuerungen zur Verfügung. Leiber begründet das damit, dass Künstliche Intelligenz eine Dynamik in die Entwicklung von Software-Lösungen bringe, die Anbieter auf On-Premise-Systemen nicht in vollem Umfang nutzen könnten. Dahinter dürfte jedoch noch eine andere Überlegung stecken: Wer den vollen Leistungsumfang nutzen möchte, soll in die Cloud wechseln. Denn dort liegt die Zukunft. Noch macht der Anbieter seinen Kunden allerdings wenig Druck.

"Wir haben noch keinen großen Push in Richtung Cloud-Nutzung gemacht", sagt Leiber. Stattdessen hat Atoss seit dem Jahr 2020 massiv in seine Technologie- und Produktarchitektur investiert, um die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Cloud-Geschäft zu schaffen. Nun wolle man die Bestandskunden schrittweise in die Cloud migrieren, etwa fünf bis zehn Prozent jedes Jahr. Davon betroffen sind zwei der drei Kundengruppen des Anbieters: die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und die Großunternehmen, insgesamt rund 3.300 Kunden. Etwa ein Viertel davon nutzt bereits die Cloud-Lösungen.

Anders sieht es bei der dritten Gruppe, den Kleinstunternehmen aus. In diesem Segment hat Atoss mehr als 12.000 Kunden, die die Lösung "Crewmeister" nutzen, eine ausschließlich cloud-basierte Software, die seit 2014 in einer Ausgründung entwickelt wird. Gemessen am Gesamtumsatz macht das Produkt bislang nur fünf Prozent aus, 80 Prozent stammen aus dem Großkunden-, 15 Prozent aus dem KMU-Geschäft. Gemessen am Entwicklungspotenzial setzt Leiber jedoch große Hoffnungen in diese Zielgruppe. "Wir haben unsere Cloud-Lösung auf eine Hyper-Scaler-Plattform gesetzt", sagt der Finanzvorstand. Das soll ein schnelles Wachstum in einem Markt ermöglichen, der bislang wenig adressiert sei. Oft würden Arbeitszeiten in Kleinstunternehmen auf Papier erfasst. Also müsse Atoss keine Bestandssysteme verdrängen. "Mit Crewmeister erzielen wir die höchsten Wachstumsraten", sagt Leiber. Damit schielt er auf einen Markt, der rund 2,6 Millionen Kleinstunternehmen in Deutschland umfasst.

Premiumanbieter- und Technologieführer auf dem Markt

Das Hauptgeschäft wird mittelfristig weiterhin im KMU- und Enterprise-Geschäft liegen. Dort sieht Leiber einen fragmentierten Verdrängungsmarkt, in dem sich das Unternehmen als Premiumanbieter- und Technologieführer positioniert. Diesen Anspruch möchte er mit neuen Cloud-Funktionen wie beispielsweise KI-gestützter Personalbedarfsprognose für Unternehmen im Gesundheitssektor unterstreichen. Gemeinsam mit Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS und dem Kunden Universitätsmedizin Mainz hat der Anbieter einen Prototypen für einen bedarfsgerechten Personaleinsatz entwickelt, der sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit als auch die Rechts- und Versorgungssicherheit berücksichtigt. In der chronisch unterbesetzten Gesundheitsbranche dürfte sich manches Unternehmen davon eine Entlastung versprechen.

Der deutsche Markt ist für Atoss der Heimatmarkt, doch die Software ist inzwischen weltweit im Einsatz. "Wir internationalisieren auf drei Ebenen", sagt Leiber. Erstens über Märkte, zweitens über Kunden, die international tätig sind, und drittens über Kooperationen wie beispielsweise mit SAP. Über eine Integration ins HCM-System des Walldorfer Softwarekonzerns sei der Anbieter inzwischen sogar im mittleren Osten im Einsatz. Forschung und Entwicklung steuert das Unternehmen jedoch aus Deutschland, wobei ein beträchtlicher Teil der 300 Entwicklungsstellen in Rumänien angesiedelt ist. Die Zusammenarbeit laufe so gut, dass die Münchner inzwischen zwei Standorte in Osteuropa betreiben. Sollte Atoss seine Erfolgsgeschichte fortschreiben, ist es gut möglich, dass weitere hinzukommen.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.


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