"Wir wollen in drei Jahren über eine Milliarde Umsatz erzielen"


Französischer Software-Anbieter Cegid möchte Umsatz ausbauen

Im Jahr 2021 übernahm der französische Softwareanbieter Cegid die cloudbasierte Talentmanagementlösung Talentsoft aus Köln. Mit dem Zusammenschluss will das Unternehmen seine Marktposition ausbauen. Derzeit ringt der Cloud-Softwareanbieter um Markenbekanntheit in Deutschland und formuliert ambitionierte Wachstumsziele.  

Beim französischen Softwareanbieter Cegid stehen die Zeichen auf Wachstum. Zumindest wenn man die ambitionierten Umsatzziele des Unternehmens als Maßstab nimmt. Mit einem Umsatz von 632 Millionen Euro im Jahr 2021 gehört der Anbieter von HR- und Handel- beziehungsweise Vertriebssoftwarelösungen zu den mittelgroßen Playern am europäischen Markt. Bis 2026 möchte Cegid in die Milliardenliga aufsteigen und seinen Umsatz auf rund 1,3 Milliarden Euro verdoppeln. Möglich machen das potente Finanzinvestoren, darunter der auf Technologie spezialisierte amerikanische Risikokapitalgeber Silver Lake. Sie stiegen ein, nachdem die Eigentümer das Unternehmen 2017 von der Pariser Börse Euronext genommen hatten.

Internationalisierung mit Fokus auf Deutschland

Etwa ein Drittel des Umsatzes soll künftig aus dem internationalen Markt kommen. Dazu zählen Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Benelux-Länder sowie Skandinavien. In diesen Ländern setzt der Cloud-Anbieter auf seine Talentmanagement-Suite als Wachstumstreiber. Talentsoft, der Name der Lösung blieb nach der Übernahme des gleichnamigen Kölner Anbieters im Jahr 2021 erhalten, soll insbesondere in der DACH-Region Marktanteile erobern. Deutschland gilt als Schlüsselmarkt. In Frankreich ist Cegid außerdem ein Schwergewicht für Payroll-Software, vergleichbar mit der Datev hierzulande. "Es gibt immer wieder Überlegungen, auch im Deutschland eine Lohnbuchhaltungssoftware an den Start zu bringen, aber die Hürden dafür sind hoch", sagt Lars Börgeling, Director Customer Operations für die Region DACH bei Cegid. Konkrete Pläne gäbe es deshalb nicht.

Abgespeckte Softwarevariante soll Erstdigitalisierer überzeugen

Stattdessen vertraut die Pariser Zentrale auf die Zugkraft seiner Talentmanagement-Suite. "Wir haben ein reifes und leistungsstarkes Produkt", meint Börgeling. Cegid sei damit auf Augenhöhe mit Marktgrößen wie beispielsweise Cornerstone on Demand. Noch ist die Zahl der Kunden überschaubar, rund 140 sind es nach eigenen Angaben in Deutschland. Insgesamt bringt es Cegid im Bereich seiner HCM-Lösungen auf knapp 4.400 Kunden weltweit. Wachstumspotenzial sieht Börgeling in Deutschland im Bereich des Mittelstandes. "Unser Kernzielgruppe sind Unternehmen mit 500 bis 10.000 Beschäftigten", sagt er. Doch damit will sich der Anbieter nicht begnügen und nimmt zudem die Gruppe der "Erstdigitalisierer" in Visier. Mit einer Plug-and-Play-Lösung, einer abgespeckten Variante seiner Software, will der Anbieter mittelständische Unternehmen von Excel weglocken – und fischt damit im selben Tech wie Personio, die sich auf den kleineren Mittelstand konzentrieren So wird aus einem Verteilungsmarkt künftig auch ein Verdrängungsmarkt.

Wachstum durch Zukäufe als Strategie

Cegid setzt beim Wachstum auf Zukäufe. Erst kürzlich erwarb das Unternehmen das französische Start-up Digital Recruiters. "Wir wollen keine Wettbewerber aufkaufen", betont Börgeling. Vielmehr ginge es darum, "das Portfolio abzurunden". Der Roll-out im deutschen Markt soll im Herbst 2023 erfolgen. Ob sich der Anbieter im umkämpften Recruiting-Markt behaupten kann, muss sich zeigen. Teil der Strategie sei es, sagt Börgeling, das Leistungsspektrum der Suite kontinuierlich zu erweitern. Gleichzeitig sollen Schnittstellen in der Software ausgebaut werden. Die Plattform soll offener werden. "Wir wollen kein geschlossenes System sein", sagt Börgeling.

Die strategischen Entscheidungen von Cegid werden in Paris getroffen, wo seit der Übernahme auch die Produktentwicklung angesiedelt ist. In Deutschland arbeiten rund 40 Beschäftigte, vor allem im Vertrieb, Marketing und Kundenservice Die Erwartungen sind hoch. Talentsoft soll dazu beitragen, den Cloud-Anteil im Bereich HCM-Software bei Cegid auf rund 85 Prozent bis 2026 zu steigern.

"Wir müssen nicht das führende System sein"

Derzeit beziehen lediglich zwei von drei Kunden die Softwarelösungen des Anbieters "as a Service". Das hat historische Gründe. Denn die Payroll-Lösung läuft bei beträchtlicher Anzahl von Kunden noch "on Premise". Sie sichert noch immer einen beträchtlichen Teil des Umsatzes, passt allerdings nicht so ganz zum Anspruch des Unternehmens, einer der führenden europäischen Anbieter von Cloud-Software zu sein. Doch so geht auch anderen etablierten Anbietern, die ihre Kunden allmählich in die Cloud überführen müssen und möchten. Wettbewerber wie der amerikanischen Cloud-Anbieter Workday, die ohne diese Altlasten agieren können, sind da im Vorteil.

Dafür könne Cegid an anderer Stelle punkten, sagt Börgeling. Im Vergleich zum genannten US-Anbieter, müsse Talentsoft nicht das führende System einer HR-Softwarelandschaft sein. "Wir können sowohl sendendes als auch empfangendes System sein", so Börgeling. "Das bedeutet, wir können beispielsweise in einem internationalen Unternehmen in dem einen Land als führendes System für Mitarbeiter- und Organisationsdaten dienen und in anderen Ländern, in denen bereits gut funktionierende Lösungen implementiert sind, können wir als empfangendes System angedockt werden. Dieser flexible Ansatz löst häufig auftretende Problematiken in der Datenkonsolidierung, ohne dass die gesamte HR-IT-Infrastruktur umgebaut werden muss." Dieses Hybridmodell sei am Markt einzigartig, glaubt er. Ob das mehr als eine Verkaufstaktik des Suite-Anbieters ist, werden die Kunden entscheiden. Viele HCM-Suiten haben in Teilbereichen zwar Schwächen, die durch ein angedocktes System behoben werden können. Dazu allerdings sind zusätzliche Investments notwendig.

Cegid gibt sich betont flexibel; will Suite- und Modulanbieter zugleich sein, für den kleinen Mittelstand bis hin zum kleineren Konzern. Dadurch eröffnen sich viele Vertriebsmöglichkeiten, nimmt man damit eine Unschärfe beim Markenprofil in Kauf. Die inhaltlichen Angebote treffen den Puls der Zeit. Denn sowohl das Talentmanagement als auch das Recruiting werden auf absehbare Zeit lukrative, wenn auch umkämpfte Märkte sein.


Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, HR-Software, Software-Anbieter