Kolumne Stellenmärkte: Recruiting ist keine Raketenwissenschaft

Der Fachkräftemangel mischt die Stellenmärkte auf. Was sich auf dem Markt tut, beobachtet unsere Expertin Daniela Furkel. In ihrer monatlichen Kolumne bewertet sie die Trends. Heute: Was Unternehmen bei der Mitarbeitersuche verbessern können und sollten.

Die Technologie eines Start-Up-Unternehmens machte es möglich: Auf der Suche nach talentierten Programmierern wurde der Anbieter von Recruiting-Lösungen Gild in Süd-Kalifornien fündig. Als Kandidaten mit der höchsten Programmier-Performance wählten seine Algorithmen den 26-jährigen Jade Dominguez aus, der sich in einer Mietwohnung in der Nähe von Los Angeles selbst das Programmieren beigebracht hatte.

Die hierfür eingesetzte Technologie, die in die Kategorie "Big Data" fällt, hatte im Internet nach vorab definierten Hinweisen gesucht, zum Beispiel: Wie ist die Reputation des Programmierers? Wird sein Code von anderen Programmierern geschätzt? Wird er von anderen verwendet? Wie kommuniziert der Programmierer seine Ideen? Wie ist er in Social Media vernetzt? Das Ergebnis dieser Durchsuchung der im Internet vorhandenen riesigen Datenmengen war eine Liste, an deren Spitze Jade Dominguez stand. Sein Talent in der Arbeit mit Computern und seine gute Vernetzung wurden durch die technologische Suche eindeutig belegt. Im neuen Job musste er allerdings noch beweisen, dass er auch gut in einer strukturierten Arbeitsumgebung und zusammen mit anderen arbeiten kann.

Dieses Beispiel aus der Zeitung "New York Times" zeigt: Die Mitarbeitersuche wird immer vielschichtiger. Die Unternehmen fahren immer größere kreative und technologische Geschütze auf, um die passenden Mitarbeiter zu finden. Aber bis eine Mitarbeitersuche via "Big Data" auch in der Breite und für Berufe außerhalb der IT möglich und sinnvoll wird, wird wohl noch viel Zeit vergehen.

Studie offenbart Verbesserungspotenzial

Mit der Mitarbeitersuche, wie sie heute in Deutschland praktiziert wird, beschäftigte sich die aktuelle Studie "Career’s Best Recruiters", für die 500 Unternehmen getestet wurden. Auch hierzulande – fern von der südkalifornischen Programmierer-Szene – zeigt sich, dass sich die Unternehmen immer mehr anstrengen, um neue Mitarbeiter zu finden. Sie sind zunehmend im Social Web aktiv und bieten Kommunikationsmöglichkeiten auf Augenhöhe. Und sie geben immer häufiger einen offenen Einblick in den Firmenalltag, indem sie Mitarbeiter-Testimonials oder Fotos aus den Abteilungen zur Verfügung stellen.

Dennoch gibt es laut Studie Bereiche mit großem Verbesserungspotenzial: Über ein Viertel der Initiativbewerbungen bleiben liegen oder werden gar nicht beantwortet, stellten die Versender von Testbewerbungen fest. Zwölf Prozent der Initiativbewerbungen werden lediglich automatisiert beantwortet und nur 63 Prozent erhalten eine individuelle Antwort. Besonders verbesserungswürdig: 23 Prozent der untersuchten Firmen nehmen über ihre Karriere-Webseite keine Initiativbewerbungen entgegen und verwehren sich damit die Möglichkeit, potenzielle Talente kennenzulernen. Geht es um die Kontaktmöglichkeiten für Bewerber, so veröffentlicht nur gut die Hälfte der Arbeitgeber eine Telefonnummer zur Personalabteilung auf der Karrierewebseite. Werden diese Nummern angerufen, sind immerhin 75 Prozent sind unter der Nummer erreichbar, aber nur 37 Prozent antworten engagiert auf die Fragen – auch hier gibt es also noch Optimierungspotenzial.

Besonders auffallend sind jedoch die Defizite in den Online-Stellenanzeigen der Unternehmen. In dieser Kategorie wurden durchschnittlich nur 53 Prozent der möglichen Punkte erreicht. "Die Ergebnisse der Online-Stellenanzeigen-Analyse zeigen, dass zwar ein großer Teil der untersuchten Unternehmen die 'Hard Facts' wie Stellenbezeichnung und Anforderungsprofil in ihre Ausschreibung aufnehmen, jedoch einige grundlegende Informationen oft fehlen", erklärt Professor Christoph Beck, wissenschaftlicher Beirat der Studie in Deutschland und ergänzt: "Nur 36 Prozent der Arbeitgeber informieren potenzielle Bewerber ausdrücklich über die für eine Bewerbung erforderlichen Unterlagen und nur etwa die Hälfte stellt Ansprechpersonen mit zugehörigen Kontaktdaten zur Verfügung." Noch weniger Betriebe – nur jeweils ein Fünftel – würden in den Inseraten Anreize für eine Bewerbung geben, etwa indem sie auf Benefits hinweisen oder Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Unternehmen vorstellen. Das Fazit von Professor Beck: "Auf eine ausgewogene Formulierung von Anreizen und Anforderungen in ihren Online-Stellenanzeigen achten nur 15 Prozent aller untersuchten Arbeitgeber in Deutschland. Immerhin achtet eine sehr große Zahl der Unternehmen – 81 Prozent – auf eine geschlechtsneutrale Formulierung."

Auch kleine Firmen können gut rekrutieren

Mit dem Aufzählen dieser Optimierungsbedarfe im Recruiting will ich aber nicht einfach nur  Schwachstellen aufzählen, sondern ich möchte verdeutlichen: All die beschriebenen Verbesserungen sind weder kompliziert noch teuer umzusetzen. Eine Kontaktnummer anzugeben, unter der auch ein engagierter Personaler erreichbar ist, sollte selbst mit einem kleinen Budget und einer engen Personaldecke möglich sein. Auch eine ausgewogenere Formulierung von Anreizen und Anforderungen in den Online-Stellenanzeigen kann relativ problemlos erreicht werden. Recruiting ist keine Raketenwissenschaft. Um das eigene Recruiting zu verbessern, ist zunächst keine aufwendige Big-Data-Technologie notwendig, sondern ein aufmerksamer Blick auf Online-Anzeigen, Online-Präsenz und Prozesse. Das können auch kleinere Unternehmen leisten.

Übrigens: Sieger der "Career’s Best Recruiters"-Studie wurde die Rewe Group gefolgt von Krones und von Philips Deutschland. Aber auch Familienunternehmen wie Knauf Gips belegten ganz passable Plätze. Und die Freie und Hansestadt Hamburg spielt beim Recruiting ebenfalls ganz oben mit. Das bestätigt meine These: Auch kleinere Organisationen können gut rekrutieren.

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