Aktiv Rekrutieren statt Abwarten und Tee trinken

Der Fachkräftemangel mischt die Stellenmärkte auf. Recruiter müssen die neuen Instrumente und Trends kennen. Was sich auf dem Markt tut, beobachtet unsere Expertin Daniela Furkel. In ihrer monatlichen Kolumne bewertet sie die Trends. Heute: Warum Arbeitgeber aktiv werden müssen, um passende Mitarbeiter einstellen zu können.  

Früher war alles anders. Unternehmen schalteten eine Stellenanzeige, die samstags in der Tageszeitung erschien. Ab Dienstag brachte der Briefträger dann körbeweise Bewerbungsmappen ins Haus. Und die Bewerber warteten anschließend mehrere Wochen lang, bis sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch oder eine Absage erhielten. Heute müssen Stellenanzeigen schon über mehrere Kanäle (Print, Online, Social Media) veröffentlicht werden, um interessante Kandidaten erreichen zu können. Bewerbungen kommen sowieso meist elektronisch ins Unternehmen (laut der aktuellen Studie Recruiting-Trends 2013 sind es 75 Prozent). Und die Bewerber müssen selten länger als ein bis zwei Tage abwarten, bis sie vom Unternehmen eine Nachricht erhalten. 

Besonders grundlegend haben sich aber die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verändert. 43 Prozent der offenen Stellen sind laut der Studie von Monster Deutschland und dem Centre of Human Reources Information Systems (CHRIS) schwierig oder gar nicht besetzbar. Dagegen rechnen sich große Teile der Bewerber hohe Chancen auf einen guten Job, wenn nicht gar auf einen Traumjob aus. Vor allem aber ihre Einstellung zur Jobsuche hat sich geändert: Fast jeder zweite Kandidat möchte lieber von einem Arbeitgeber angesprochen werden als selbst aktiv zu werden. Die Kandidaten bewerben sich also nicht mehr, um dann geduldig auf Antworten zu warten, sondern sie warten lieber gleich darauf, dass ein Arbeitgeber bei ihnen anklopft.

Arbeitgeber bewerben sich

Was heißt das im Umkehrschluss für Sie als Arbeitgeber? Werden Sie aktiv! Anzeige schalten, Abwarten und Tee trinken – das genügt heute nicht mehr. Einige Unternehmen sind bereits dazu übergegangen, sich bei den Kandidaten zu bewerben. So hat die MSG Systems AG eine Bewerbungsmappe mit Anschreiben, Lebenslauf und Referenzen erstellt, die sie unter anderem auf Recruitingmessen verteilt. Die Verkehrsbetriebe Zürich rekrutieren schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit Videos, auf denen sich Vorgesetzte bei ihren potenziellen Mitarbeitern bewerben.

Die genannten Beispiele für die „Bewerbung durch den Arbeitgeber“ sind bei weitem keine Einzelfälle mehr, sondern jeder fünfte Kandidat sieht darin laut der Studie Bewerbungspraxis 2013 (ebenfalls von Monster und CHRIS) die Zukunft der Bewerbungskommunikation. Allerdings wird, wenn künftig immer mehr Unternehmen in diese Richtung gehen, der Reiz des Neuen und der ungewohnten Perspektive schnell abgenutzt. Deshalb gilt es, weitere Maßnahmen zu überlegen. Laut Recruiting-Trends Studie sagt die überwiegende Mehrheit der Befragten (83 Prozent), dass sie die besten Kandidaten über ihr eigenes, persönliches Netzwerk finden. Die Direktansprache wird also immer wichtiger für die Rekrutierung – nicht nur über bestehende Netzwerke, sondern auch über die Suche nach passenden Kandidaten in externen Karrierenetzwerken wie Xing und LinkedIn oder über die Suche in Lebenslaufdatenbanken, wie sie beispielsweise in großen Online-Jobbörsen vorhanden sind.

Lernen Sie Ihre Kandidaten kennen

Doch wer sich für den Wandel vom passiv-abwartenden zum aktiv-ansprechenden Recruiter entscheidet, muss mehr tun als nur Zeitbudgets für das Sichten von Lebensläufen und Netzwerk-Profilen einzuplanen. Zunächst einmal gilt es, den Personalbedarf zu konkretisieren und die richtigen Schlagwörter für die aktive Suche in den Tausenden Lebensläufen und Netzwerk-Profilen festzulegen. Und es gilt, die passenden Formulierungen zu finden, um interessante Kandidaten nicht gleich bei der Kontaktaufnahme zu verschrecken. Überhaupt heißt es nun, eine ganz andere Einstellung zum Recruiting anzunehmen, eine verstärkte und offenere Kommunikation mit interessanten Zielgruppen zu pflegen und sich auch viel stärker mit diesen Zielgruppen zu beschäftigen, sie kennen und verstehen zu lernen.

„Sehen Sie Recruiting heute in etwa wie das Angeln nach dem seltenen Mondfisch“, rät deshalb Professor Tim Weitzel, Leiter des Centre of Human Resources Information Systems. „Sie müssen dem Kandidaten in seine Ecke des Meeres folgen, sie müssen ihn in der freien Natur kennenlernen, ihn respektieren und auf Augenhöhe ansprechen. Nur so besteht die reelle Chance, dass der Fisch auch wirklich zur Angel kommt.“ Ergänzend dazu unser Tipp: Nutzen Sie unbedingt mehrere Angeln und werfen sie sie immer wieder aufs Neue aus, anstatt einfach nur am Ufer zu sitzen und weiter Ihren Tee zu trinken.

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Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Stellenmarkt, Jobbörse