Kolumne E-Learning: Lebenslanges Lernen als Zukunftsfaktor

Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Menschen übernehmen heute Jobs, für die es gestern noch gar keine Ausbildung gab. Unsere Kolumnistin Gudrun Porath zieht daraus den Schluss: Lebenslanges Lernen entwickelt sich vom abstrakten Begriff hin zur überlebenswichtigen Herausforderung.

In einem Beitrag für die "Deloitte Review" zum Thema "Navigating the Future of Work" beschreibt der amerikanische Bestsellerautor und Visionär Tom Friedman, was es für Unternehmen und Mitarbeiter bedeutet, sich auf die Arbeit der Zukunft vorzubereiten. Während Unternehmen vor der Aufgabe stünden, Menschen fortlaufend für einen Job zu trainieren, den es noch gar nicht gebe, müssten die Mitarbeiter zum lebenslangen Lernen bereit sein. Biete ein Unternehmen keine Ressourcen und Möglichkeiten zu lernen an, verschwinde es ebenso vom Markt wie ein Berufstätiger, der sich nicht auf lebenslanges Lernen einstelle.

Weiterbildung zum Selbermachen?

Wie also kann ein Unternehmen möglichst zukunftsweisende Weiterbildung anbieten und die Mitarbeiter motivieren, sich freiwillig daran zu beteiligen? Friedman zeigt das am Beispiel des US-amerikanischen Kommunikationsunternehmens AT & T. Die Führung von AT & T geht mit den Zielen des Unternehmens offen um. Die Mitarbeiter können daraus ableiten, welche Fähigkeiten sie für eine unbefristete Anstellung brauchen. Anstatt die passenden Weiterbildungsangebote selbst zu entwickeln, suchte sich AT & T einen Partner und fand Udacity, eine im Silicon Valley ansässige Gründung des deutschen Stanford-Professors Sebastian Thrun.

E-Learning bei AT & T: Know-how aus dem Äther

Thrun, der unter anderem für Google das selbstfahrende Auto erfand, entwickelte zusammen mit einem Kollegen den ersten Massive Open Online Course (MOOC) im Internet und eröffnete damit vielen tausend Menschen den kostenlosen Zugang zu universitärer Bildung, ohne dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Udacity versteht sich als Plattform, die eigene und von Unternehmen entwickelte, praxisorientierte Online-Kurse für Berufstätige im Internet anbietet, die hoch aktuelle technologische Fähigkeiten vermitteln. AT & T ist darauf zum Beispiel mit Kursen für Front-End Web Developer vertreten, die zusammen mit Firmen wie Google oder Github entwickelt wurden. An diesen Kursen können nicht nur Mitarbeiter  von AT&T teilnehmen, sie sind für alle offen, die sich für das Thema interessieren und dafür bezahlen.

Personalentwicklung in Eigeninitiative

Das hat für die  Unternehmen den Vorteil, dass sie nicht nur die eigenen Mitarbeiter weiterbilden, sondern, dass es bei Bedarf bereits Menschen mit den passenden Fähigkeiten gibt. Für die AT&T-Mitarbeiter bedeutet das neue Weiterbildungsprogramm, selbst zu investieren. Zwar bekommen sie laut Friedman von AT & T 8.000 Dollar im Jahr, mit denen sie ihre "Nanodegree-Kurse" bei Udacity bezahlen können. Die Bedingung lautet jedoch, dass sie die Kurse in ihrer Freizeit absolvieren.

Lernkultur: Über den Tellerrand blicken

Ein Unternehmen schafft ein Weiterbildungsangebot, stellt es auf einer öffentlich zugänglichen Plattform zur Verfügung und übergibt die Verantwortung für das eigene Fortkommen dann in die Hände der Mitarbeiter. Das hört sich für hiesige Verhältnisse zwar ungewöhnlich an, ist aber auch spannend. Denn die Frage ist, was kann Mitarbeiter motivieren, das Angebot anzunehmen. Ist es nur der drohende Jobverlust in einer kaum planbaren Zukunft, wenn diese Fähigkeiten gebraucht werden? Wohl kaum. Vielmehr erfordert es von Unternehmen eine Kultur, die Lust auf Neues macht, Lust auf Lernen und die es begrüßt, wenn die Mitarbeiter über den Tellerrand ihrer eigenen Tätigkeit hinausschauen, um sich weiter zu entwickeln. Sie brauchen dazu auch freie Zeit.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für unser Personal Portal und "Wirtschaft + Weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt. Ihre Schwerpunktthemen sind das Lernen mit digitalen und sozialen Medien.