0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2018 in das SGB IX eingefügt worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Hilfen zur Förderung der Verständigung nach § 82 dienen dazu, den Kontakt mit der Umwelt für hör- und sprachbehinderte Menschen zu erleichtern. Die Vorschrift entspricht weitgehend § 57 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Damit sind auch weiterhin Leistungen zur Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit möglich. Dies umfasst sowohl Leistungen für hörbehinderte Menschen als auch solche für Menschen, die in ihrer Sprachfähigkeit beeinträchtigt sind. Umstritten ist, ob die Vorschrift einen eigenen Rechtsanspruch – wie auch die Vorgängervorschrift des § 57 SGB IX a. F. schafft (vereinend: Luthe, in: jurisPK-SGB IX, § 57 Rz. 14; a. A. wohl Kittel, SGB IX, § 57 Rz. 4, der einen Rechtsanspruch auf Verständigung bejaht; ebenso Joussen, in: HK-SGB IX, § 57 Rz. 2).

 

Rz. 3

Nach der Anspruchsgrundlage des § 17 Abs. 2 SGB I haben hörbehinderte Menschen das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Korrespondierend zu diesem Rechtsanspruch sind die zuständigen Sozialleistungsträger zur Kostenübernahme des Gebärdensprachdolmetschers verpflichtet (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB I). Diese Neuregelung korrespondiert mit § 82, der nicht nur für die Träger der Sozialhilfe Anwendung findet. Soweit andere Verwaltungsstellen Hilfen zur Verständigung mit der Umwelt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 Abs. 2 SGB I nicht zur Verfügung stellen, weil nach dem für sie geltenden Recht ein Rechtsanspruch hierauf nicht besteht, sind diese Kommunikationshilfen jedoch nach § 82 durch den dafür zuständigen Träger zu erbringen.

2 Rechtspraxis

2.1 Hörbehinderte Menschen

 

Rz. 4

Die Regelung sieht einen anlassabhängigen Rechtsanspruch auf Hilfen zur Förderung der Verständigung vor. Indem das Gesetz lediglich von hörbehinderten Menschen spricht, gibt es keinen Anhalt mehr dafür, wie hoch der Grad der Hörbehinderung sein muss, um die Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf Hilfen zur Verständigung zu erfüllen. Es ist damit ganz allgemein auf den Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 in Verbindung mit den sich aus den Leistungsgesetzen der zuständigen Rehabilitationsträger ergebenden Anspruchsvoraussetzungen abzustellen. Hörbehindert ist ein Mensch dann, wenn es sich um eine gehörlose, ertaubte oder schwerhörige Person handelt, § 6 Abs. 3 BGG (Kittel, SGB IX, § 57 Rz. 2; Luthe, in: jurisPK-SGB X, § 57 Rz. 14). Im Gegensatz zur Vorgängervorschrift knüpft § 82 nicht mehr daran an, dass die hörbehinderten Menschen "auf Grund ihrer Behinderung" der Hilfe bedürfen. Insofern ist es nicht mehr erforderlich, dass die benötigte Hilfe ihre Ursache in der Behinderung haben muss. Danach können nach der aktuellen Fassung auch allgemeine Begabungsschwächen oder behinderungsbedingte Kontaktschwierigkeit Hilfegrund sein (vgl. Luthe, in: jurisPK-SGB IX, § 57 Rz. 15 zum alten Recht).

2.2 Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit

 

Rz. 5

Unter die Vorschrift fallen auch Leistungsberechtigte mit Sprachbehinderungen. Im Gegensatz zum bisherigen 57 SGB IX a. F. ist nach aktuellem Recht kein besonders starke Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit mehr Voraussetzung für die Leistungsgewährung. Es ist daher nicht erforderlich, dass eine Sprachbehinderung derart vorliegt, dass der behinderte Mensch sich nicht so ausdrücken kann, dass er von anderen verstanden wird, auch wenn diese sich um ein Verständigen bemühen (zur alten Rechtslage vgl. Luthe, in: jurisPK-SGB X, § 57 Rz. 14). Die Sprachbehinderung kann sowohl die Wortfindung als auch das Artikulationsvermögen betreffen (Joussen, in: HK-SGB IX, § 57 Rz. 7).

2.3 Zur Verfügung gestellte Hilfen

 

Rz. 6

Bei den zur Verfügung gestellten Hilfen handelt es sich ausschließlich um persönliche Hilfen, nicht dagegen um technische Hilfen. Außer der Hilfe eines Gebärdensprachdolmetschers kommt z. B. die Hilfe eines Angehörigen, Nachbarn, Steuerberaters, Rechtsanwalts oder Notars in Betracht. Die Hilfen können entweder durch Sachleistungen oder durch Kostenerstattung erfolgen. Die im Einzelfall zu erstattenden Kosten bestimmen sch nach dem ortsüblichen oder tariflichen Entgelt, soweit eine beruflich tätige Personen in Anspruch genommen wird.

 

Rz. 7

Die Hilfe kann nur aus besonderem Anlass erfolgen, sie kann daher nicht fortlaufend zur Verfügung gestellt werden. Die Vorschrift umfasst also nicht die allgemeine Verständigungshilfe (so LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.7.2013, L 7 SO 4642/12 zur Vorgängervorschrift des § 57 SGB IX). Es muss sich also um einen Kommunikationsbedarf handeln, der das übliche Maß überschreitet (Joussen, in: HK-SGB IX, § 57 Rz. 6), also keine regelmäßig wiederkehrende Situation ist (Luthe, in: jurisPK-SGB IX, § 57 Rz. 15). In Betracht kommen neben dem Verkehr mit Behörden z. B. das Führen von Vertragsverhandlungen, der Besuch beim Arzt oder das Führen eines Rechtsstreits oder die...

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