0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die am 1.1.1992 durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) in Kraft getretene Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 49 des Altersvermögensergänzungsgesetzes (AVmEG) v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) ab 1.1.2002 neu gefasst worden: Abs. 1 (Rentenartfaktor bei großen Witwen- und Witwerrenten) wurde eingefügt und der bisherige Text – redaktionell angepasst – zu Abs. 2.

Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999) v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) sollte die ursprünglichen in § 82 enthaltene Regelung über den Rentenartfaktor für Bergleute in Abs. 1 übernommen und der bisherige Inhalt sollte in Abs. 2 geregelt werden. Durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte (Korrekturgesetz) v. 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens zunächst verschoben und letztlich mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM-ReformG) v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) endgültig verworfen, sodass § 255 bis zur Änderung durch das (AVmEG) v. 21.3.2001 seit seines Inkrafttretens unverändert blieb.

Gültig ist die Vorschrift i. d. F. v. 19.2.2002 ab 1.1.2002.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

§ 255 Abs. 1 enthält zu § 67 eine Übergangsregelung für den Rentenartfaktor bei großen Witwen- und Witwerrenten (zur knappschaftlichen Rentenversicherung vgl. § 82, § 265 Abs. 7). § 67 in seiner Fassung v. 20.12.2000 gültig bis 31.12.2001 enthielt für großen Witwen- und Witwerrenten nach Ablauf des Sterbevierteljahrs noch den günstigeren Rentenartfaktor von 0,6. Der entsprechende Rentenartfaktor wurde durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz) v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) auf 0,55 herabgesetzt. Die Festlegung des Versorgungssatzes auf 55 % der vollen Rente des Verstorbenen nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres bei Witwen- und Witwerrenten war dabei eine Folgeänderung der Entscheidung, eine Witwen- und Witwerrente mit Kinderkomponente einzuführen (BT-Drs. 14/4595 S. 47). Gleichzeitig wurde die Übergangsregelung des § 255 Abs. 1 aus Vertrauensschutzgesichtspunkten heraus neu geschaffen (BT-Drs. 14/4595 S. 46).

 

Rz. 3

Abs. 2 der Vorschrift regelt (ergänzend zu §§ 67, 82), dass sog. Geschiedenenrenten (§ 243) vom Beginn an mit dem niedrigeren Rentenartfaktor für Witwen- bzw. Witwerrenten nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres zu berechnen sind. Eine entsprechende Privilegierung dieser Personengruppe für die ersten 3 Monate sah bereits das bisherige Recht nicht vor und sollte auch ausdrücklich nicht in das neue Recht integriert werden (vgl. BT-Drs. 11/4142 S. 74, 201 – hier noch in § 250 vorgesehen).

 

Rz. 4

Außerdem wird § 255 Abs. 1 durch § 265 Abs. 7 ergänzt, der den Besonderheiten der knappschaftlichen Rentenversicherung Rechnung trägt. § 243 beinhaltet darüber hinaus auch noch eine Sonderregelung für Witwen- und Witwerrente an geschiedene Ehegatten bei einer Scheidung vor dem 1.7.1977.

 

Rz. 4a

§ 255 SGB VI ist daher eine Sonderregelung zu § 67 und zu § 82.

 

Rz. 5

Die Deutsche Rentenversicherung hat im Anwendungsbereich des SGB VI umfangreiche Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) geschaffen, die auch § 255 erfassen. Die GRA der DRV zu § 255 hat den Stand 21.7.2015 (i.d.F des AVmEG vom 21.3.2001 in Kraft getreten am 1.1.2002) und ist abrufbar im Internet: https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/rvRecht/01_GRA_SGB/06_SGB_VI/pp_0251_275/gra_sgb006_p_0255.html (zuletzt abgerufen am 31.7.2022).

2 Rechtspraxis

2.1 Rentenartfaktor für große Witwen- und Witwerrenten (Abs. 1)

 

Rz. 6

Die Vertrauensschutzregelung des Abs. 1 (vgl. Rz. 1, 2) sichert für Rentenbezugszeiten nach Ablauf des sog. Sterbevierteljahres auch bei Todesfällen ab 1.1.2002 den bis zum 31.12.2001 geltenden günstigeren Rentenartfaktor von 0,6 (= 60 % der Vollrente des Verstorbenen) anstelle von 0,55 (= 55 % der Vollrente des Verstorbenen, vgl. § 67 Nr. 6) zu.

 

Rz. 7

Abs. 1 sieht dabei zwar 2 mögliche Fallgestaltungen vor (zu den Fallvarianten vgl. auch BSG, Urteil v. 17.4.2012, B 13 R 15/11 R, Rz. 36):

  • wenn der Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben ist (1. Alt.) oder
  • wenn die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde (2. Alt.).
 

Rz. 8

Die Rechtsfolge der 1. Fallvariante bei Versterben eines Ehegatten vor dem 1.1.2002 ergibt sich dabei aber unter Umständen schon bei einem Rentenbeginn vor diesem Datum aus dem anzuwendenden alten Recht des § 67 in der bis 31.12.2001 gültigen Fassung (§ 300 Abs. 1).

 

Rz. 9

Sofern die anspruchserhaltende Wirkung allein aus § 255 Abs. 1 1. Alt. folgt, ist gerade nicht auf den Rentenbeginn, sondern allein auf den Zeitpunkt des Todes abzustellen (vgl. auch GRA der DRV zu § 255 SGB VI, Stand: 21.7.2015, Anm. 2).

 

Rz. 10

Die Zuerkennung des günstigeren Rentenartfaktors von 0,6 nach der. 2. Alt. ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • Die Ehe muss vor dem 1.1.2002 geschlo...

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