Leitsatz (amtlich)

a) Indem der Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer (hier: ambulanter Pflegedienst) durch Kostenübernahmebescheid beitritt, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen Dienstleistungsvertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um (im Anschluss an BSGE 102, 1). Der Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.6.1978 - III ZR 109/76, BGHZ 72, 56; v. 6.11.2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243).

b) Entsprechend der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs, zu dem der Schuldbeitritt erklärt wird, sind die §§ 286 ff. BGB anwendbar, wenn der Sozialhilfeträger die übernommene Zahlungsverpflichtung verspätet erfüllt.

 

Normenkette

BGB § 286 ff., § 414; SGB XII §§ 61, 65, 75 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.09.2014; Aktenzeichen 49 S 21/14)

AG Berlin-Köpenick (Urteil vom 26.03.2014; Aktenzeichen 6 C 234/13)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 49 des LG Berlin vom 17.9.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Zahlung von Verzugszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen in Anspruch.

Rz. 2

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und hatte mit den Pflegebedürftigen G. D., E. T. und G. E. privatrechtliche Verträge über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen geschlossen. Der Beklagte übernahm als Träger der Sozialhilfe jeweils durch Bescheid gegenüber den Pflegebedürftigen die Kosten der erbrachten Pflegeleistungen. Eine Kopie der Bescheide erhielt die Klägerin zur Kenntnisnahme.

Rz. 3

Mit Schreiben vom 24.6.2003 erklärte die Klägerin den Beitritt zu der Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG zwischen dem Beklagten und den Verbänden der Träger von ambulanten Pflegeeinrichtungen vom 4.10.1996 über die Erbringung von Leistungen der Haushilfe und der Hauspflege nach §§ 11 Abs. 3, 68 ff., 70 BSHG. § 8 der Vereinbarung lautet wie folgt:

"Zahlungsverfahren Die Abrechnung erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind beim zuständigen Bezirksamt innerhalb von zwei Monaten nach Leistungserbringung einzureichen. ... Die Bezahlung von nicht zu beanstandenden Rechnungen soll innerhalb von drei Wochen nach Eingang erfolgen ... Sollte in begründeten Fällen eine Zahlung innerhalb der genannten Fristen nicht möglich sein, leistet das zuständige Bezirksamt eine Abschlagszahlung von 80 %, bezogen auf den Betrag der Vormonatsrechnung. Im Übrigen gelten die in der Rahmenvereinbarung nach § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI getroffenen Regelungen."

Rz. 4

Die Klägerin ist des weiteren Mitglied im Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen e.V. (vormals Arbeitgeberverband im Gesundheitswesen e.V.). Zwischen diesem, den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Beklagten wurde am 15.11.2006 ein Rahmenvertrag gem. § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung abgeschlossen. Dieser Vertrag enthält in § 17 Regelungen zum Abrechnungsverfahren:

"(7) Die Abrechnung der Pflegeleistungen erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind bei der Pflegekasse oder einer von ihr benannten Abrechnungsstelle in der Regel innerhalb von zwei Monaten nach Leistungserbringung einzureichen. Die Bezahlung der ordnungsgemäß erstellten Rechnungen erfolgt spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Eingang bei der Pflegekasse oder der von der Pflegekasse benannten Abrechnungsstelle ... (8) Näheres zur Abrechnung und Zahlungsweise, insb. Zeitpunkt der Rechnungsstellung, Abweichung bei Schlussrechnungen, Zahlung von Abschlägen und Verfahren bei Überschreitung der vereinbarten Fristen vereinbaren ggf. die Partner dieses Rahmenvertrages. Es bleibt den Pflegekassen und Pflegediensten vorbehalten, spezifische Regelungen zur Abrechnung und Zahlungsweise nach rechtzeitiger Rücksprache miteinander zu vereinbaren."

Rz. 5

Die gegenüber den Hilfeempfängern erbrachten Pflegeleistungen stellte die Klägerin wie folgt in Rechnung:

E.: Rechnung vom 9.9.2012i.H.v. 325,38 EUR T.: Rechnung vom 4.11.2012i.H.v. 81,48 EUR D.: Zwei Rechnungen vom 6.11.2012i.H.v. 39,57 EUR bzw. 283,47 EUR.

Rz. 6

Da der Beklagte ohne Angabe von Gründen keine Zahlungen leistete, forderte ihn die Klägerin mit Mahnschreiben vom 30.10.2012 (E.) und 28.12.2012 (D., T.) auf, den jeweiligen Rechnungsbetrag unverzüglich zu überweisen. Nachdem auch weitere Mahnungen erfolglos blieben, verlangte die Klägerin mit gesonderten Anwaltsschreiben vom 27.2.2013 Zahlung bis zum 9.3.2013. Zugleich machte sie Verzugszinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

Rz. 7

Am 25.3.2013 beglich der Beklagte die offenen Rechnungsbeträge (ohne Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten).

Rz. 8

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Verzugszinsen aus den jeweiligen Rechnungsbeträgen für den Zeitraum ab 30 Tagen nach Rechnungszugang bis zum 25.3.2013i.H.v. insgesamt 13,46 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. insgesamt 213,49 EUR nebst Prozesszinsen.

Rz. 9

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Rz. 10

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 11

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 12

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 13

Da der Beklagte die unstreitigen Rechnungen erst am 25.3.2013 und damit nach Ablauf der in den Verbandsverträgen bestimmten Fristen beglichen habe, stünden der Klägerin die geltend gemachten Verzugszinsen gem. §§ 286 Abs. 2, 3, 288 BGB zu. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs seien anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (grundlegend BSGE 102, 1) bewirke die Übernahme der Pflegekosten durch Bescheid des Sozialhilfeträgers als Verwaltungsakt mit Drittwirkung eine Schuldübernahme in Form eines Schuldbeitritts. Der Sozialhilfeträger trete auf diese Weise als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers. Durch den Schuldbeitritt mutiere die Schuld, zu der beigetreten werde und die aus dem privatrechtlichen Pflegevertrag resultiere, nicht zu einer öffentlich-rechtlichen. Vielmehr teile der Anspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger die zivilrechtliche Rechtsnatur der Forderung.

Rz. 14

Die Verzugsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs seien auch nicht durch die Verbandsverträge abbedungen worden. Während in dem Vertrag vom 4.10.1996 nicht einmal eine feste Zahlungsfrist vorgesehen sei, bestimme die Rahmenvereinbarung vom 15.11.2006 lediglich eine bestimmte Frist von 14 Tagen nach Rechnungseingang. Weitergehende vertragliche Regelungen fehlten. Insbesondere seien die gesetzlichen Verzugsfolgen nicht ausgeschlossen worden.

Rz. 15

Entgegenstehende gesetzliche Regelungen seien ebenfalls nicht ersichtlich. Im Sozialrecht befassten sich nur wenige Vorschriften mit Fragen der Verzinsung. Keine dieser Bestimmungen sei einschlägig. Sozialrechtliche Vorschriften seien auf die vorliegenden Pflegeverträge ohnehin nicht anwendbar, da diese privatrechtlicher Natur seien.

Rz. 16

Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Der Beklagte sei mit der Bezahlung der Rechnungen in Verzug geraten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei erforderlich und zweckmäßig gewesen. Der Anspruch bestehe auch in der geltend gemachten Höhe. Es habe sich um verschiedene Angelegenheiten i.S.v. § 15 RVG gehandelt. Die Klägerin habe daher zu jedem Pflegebedürftigen separat abrechnen dürfen. Es habe auch die Regelgebühr von 1,3 nach Nr. 2300 RVG-VV angesetzt werden dürfen, da der zu beurteilende Sachverhalt nicht einfach gewesen sei. Die geltend gemachten Prozesszinsen ergäben sich aus § 291 BGB.

II.

Rz. 17

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 18

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zustehen und sie gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen kann.

Rz. 19

1. Die Verzugsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insb. §§ 286 ff. BGB, gelten auch, soweit der Beklagte als Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung der Hilfeempfänger aus den privatrechtlichen Pflegeverträgen durch Bewilligungsbescheide beigetreten ist (kumulative Schuldübernahme).

Rz. 20

a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der pflegerischen Versorgung durch das sog. sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Pflegedienst) sinnbildlich darstellt (grundlegend BSGE 102, 1 Rz. 15 ff.).

Rz. 21

aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt. Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhältnis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen (Ausstrahlungswirkung). Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten (Sachleistungsverschaffungspflicht) in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen (Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 SGB XII Rz. 32, 38; Eicher, SGb 2013, 127, 128).

Rz. 22

bb) Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, aufgrund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie ggf. Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches Erfüllungsverhältnis). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im Grundverhältnis - durch Vergütungsübernahme - decken muss (Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 SGB XII Rz. 34; Eicher, a.a.O.).

Rz. 23

cc) Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger (öffentlich-rechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis) sind zum einen (öffentlich-rechtliche) Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG bzw. § 75 Abs. 3 SGB XII, die auf örtlicher Ebene zwischen dem zuständigen Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer geschlossen werden, und zum anderen Rahmenverträge auf Landesebene (vgl. Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 SGB XII Rz. 36; Eicher, a.a.O.). Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird dem Hilfeempfänger die Sozialleistung verschafft (BSGE 102, 1 Rz. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das Grundverhältnis und beeinflussen ("überlagern") das Erfüllungsverhältnis (Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 SGB XII Rz. 34, 40).

Rz. 24

b) Nach § 93 Abs. 2 BSHG bzw. § 75 Abs. 3 SGB XII ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung untrennbarer Bestandteil der Sachleistungsverschaffungspflicht des Trägers der Sozialhilfe. Rechtlich geschieht dies - bei fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im Erfüllungsverhältnis geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme) durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung (BSGE 102, 1 Rz. 22 ff.; BSG, Beschl. v. 18.3.2014 - B 8 SF 2/13 R, BeckRS 2014, 68095 Rz. 7; s. auch Bayerisches LSG, Beschl. v. 26.11.2012 - L 18 SO 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rz. 15 ff.). Der Schuldbeitritt hat dann zum einen einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger, zum anderen einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers (BSGE, a.a.O., Rz. 25). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers beitritt und der Leistungserbringer aufgrund dieses Schuldbeitritts direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im Erfüllungsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (BGH, Urt. v. 22.6.1978 - III ZR 109/76, BGHZ 72, 56, 58 ff.; v. 6.11.2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rz. 14; BGH, Urt. v. 16.10.2008 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rz. 23; BGH v. 17.9.2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rz. 16 und III ZB 50/08, BeckRS 2008, 21300 Rz. 16). Der Sozialhilfeträger wird durch den Schuldbeitritt Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung, deren Gläubiger der Leistungserbringer ist und die ggf. im Zivilrechtsweg geltend zu machen ist. Die Schuld, der beigetreten wird, kann rechtlich für den Beitretenden nicht zu einer öffentlich-rechtlichen mutieren, während sie bei dem bisherigen Alleinschuldner eine privatrechtliche bleibt (BSG, Beschluss vom 18.3.2014, a.a.O., Rz. 8; Bayerisches LSG, a.a.O., Rz. 18).

Rz. 25

Materiell-rechtlich gelten die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs daher auch insoweit, als der Sozialhilfeträger der aus dem Erfüllungsverhältnis resultierenden Vergütungspflicht des Hilfeempfängers beigetreten ist. Dies gilt insb. für die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (§§ 280 ff. BGB). Es liegen Einzelverpflichtungen vor, die bei Begründung der Gesamtschuld durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung inhaltsgleich sind und nach dem maßgeblichen Beitrittszeitpunkt nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff. BGB vorliegt (Bydlinski in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., Vor § 424 Rz. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., Überblick vor § 414 Rz. 7).

Rz. 26

Bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers muss allerdings stets in den Blick genommen werden, dass die zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger im Leistungsverschaffungsverhältnis bestehenden (Rahmen-)Vereinbarungen die zivilrechtlichen Pflichten in dem Sinne "sozialrechtlich überlagern" können, dass sie diese modifizieren (BSG, Beschluss vom 18.3.2014, a.a.O., Rz. 9; Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 SGB XII Rz. 34, 51 ff.).

Rz. 27

c) Aus den dargestellten wechselseitigen Rechtsbeziehungen in dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis folgt für den vorliegenden Fall, dass der Beklagte mit den gegenüber den Pflegebedürftigen D., E. und T. ergangenen Kostenübernahmebescheiden in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus den mit der Klägerin abgeschlossenen Pflegeverträgen jeweils beigetreten ist. Dabei handelt es sich um eine zivilrechtliche Schuld, die durch den Beitritt des Beklagten nicht in eine öffentlich-rechtliche umgewandelt worden ist. Aufgrund dieses Beitritts hat die Klägerin unmittelbar einen den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruch gegen den Beklagten als Gesamtschuldner erworben. Aus der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs resultiert auch die Anwendbarkeit der §§ 280 ff. BGB für den Fall, dass der Beklagte die übernommene Zahlungsverpflichtung nicht oder verspätet erfüllt.

Rz. 28

d) Aus den im Leistungsverschaffungsverhältnis zwischen den Parteien bestehenden öffentlich-rechtlichen Verträgen ergibt sich nichts Abweichendes. § 8 der Vereinbarung vom 4.10.1996 und § 17 Abs. 7 des Rahmenvertrags vom 15.11.2006 enthalten lediglich eine Bestimmung der Leistungszeit i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach sind beanstandungsfreie Rechnungen - wenn von der dem Schuldner günstigsten Regelung ausgegangen wird - spätestens innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu bezahlen. Die in der Vereinbarung vom 4.10.1996 gebrauchte Wendung "Die Bezahlung ... soll innerhalb von drei Wochen nach Eingang erfolgen" stellt - wie der Gesamtzusammenhang der Vertragsklausel belegt - eine grundsätzlich verbindliche Bestimmung der Leistungszeit dar, von der nur bei konkreten Beanstandungen oder in sonstigen "begründeten Fällen" abgewichen werden darf. Im Übrigen haben die Vertragsparteien davon abgesehen, das "Verfahren bei Überschreitung der vereinbarten Fristen" näher zu regeln, so dass im Verzugsfall auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückzugreifen ist (s. auch Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 SGB XII Rz. 46.2).

Rz. 29

Der Einwand der Revision, der Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften stehe entgegen, dass der Sozialhilfeträger mit dem Schuldbeitritt die Handlungsebene des öffentlichen Rechts nicht habe verlassen wollen mit der Folge, dass er keine Verzugszinsen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch schulde, verkennt die Rechtsbeziehungen, wie sie sich aus dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis ergeben. Danach kommt der Sozialhilfeträger seiner Sachleistungsverschaffungspflicht im Grund- und Leistungsverschaffungsverhältnis in den Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag) nach. Daraus resultiert jedoch der Beitritt zu einer im Erfüllungsverhältnis begründeten zivilrechtlichen Schuld. Dass sich der Sozialhilfeträger von den Folgen einer von ihm zu vertretenden Leistungsstörung (hier: verzögerte Zahlung) nicht "einseitig" freizeichnen kann, versteht sich von selbst.

Rz. 30

Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob und inwieweit aus dem Sozialrecht herrührende Anspruche möglicherweise zu verzinsen sind (z.B. nach § 44 Abs. 1 SGB I), stellt sich im Streitfall nicht. Denn der Vergütungsanspruch der Klägerin hat - wie dargelegt - seine Grundlage in den zwischen ihr und den Pflegebedürftigen bestehenden (privatrechtlichen) Vertragsverhältnissen und nicht in sozialrechtlichen Vorschriften.

Rz. 31

e) Da der Beklagte die ordnungsgemäß eingereichten Rechnungen der Klägerin vom 9.9.2012 sowie 4. und 6.11.2012 - ohne Angabe von Gründen - erst am 25.3.2013 bezahlt hat, schuldet er gem. § 288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 BGB Verzugszinsen. Gegen den von der Klägerin nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB errechneten Betrag von insgesamt 13,46 EUR erhebt die Revision keine Einwände.

Rz. 32

2. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als das Berufungsgericht den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 213,49 EUR (nebst Prozesszinsen nach § 291 BGB) verurteilt hat.

Rz. 33

a) Entgegen der Meinung der Revision ist der Klägerin ein Verzugsschaden in Höhe der vorprozessual aufgewendeten Anwaltskosten entstanden. Rechtsverfolgungskosten sind gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB als adäquat verursachte Verzugsfolge zu erstatten, wenn sie - nach Eintritt des Verzugs - aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; v. 23.10.2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; s. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 286 Rz. 45). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn der Beklagte hat auf die Mahnungen der Klägerin nicht reagiert. Die Beauftragung von Rechtsanwältin W. mit der außergerichtlichen Geltendmachung der offenen Rechnungsbeträge erfolgte erst, nachdem die eigenen Bemühungen der Klägerin ersichtlich fruchtlos geblieben waren. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es sich bei den geltend gemachten Forderungen um einfach gelagerte Fälle handelte. Zahlt der Schuldner auf die erste Mahnung des Gläubigers nicht, kann dieser die weitere Rechtsverfolgung auf Kosten des Schuldners einem Rechtsanwalt übertragen (BGH, Urt. v. 8.11.1994, a.a.O., S. 353).

Rz. 34

b) Die von der Klägerin geltend gemachte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ist entstanden.

Rz. 35

Es kommt für das Entstehen der Gebühr darauf an, ob der Rechtsanwalt zunächst mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt und der Prozessauftrag allenfalls bedingt erteilt worden ist oder ob ein unbedingter Klageauftrag vorliegt (OLG Hamm NJW-RR 2006, 242 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.7.2012 - 23 U 166/11, BeckRS 2013, 03573 = juris Rz. 55). Hat der Rechtsanwalt bereits von Anfang an einen unbedingten Klageauftrag erhalten, fallen auch die Tätigkeiten vor Erhebung der Klage allein unter die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV (BGH, Urt. v. 14.12.2011 - IV ZR 34/11, NJW-RR 2012, 486 Rz. 21; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., Vorbem. 3 VV Rz. 14). Soweit die Revision im Streitfall einen unbedingten Klageauftrag annehmen will, übergeht sie den Hinweis von Rechtsanwältin W. in den - im Berufungsurteil in Bezug genommenen - Mahnschreiben, sie werde ihrer Mandantschaft für den Fall, dass "wider Erwarten" kein fristgemäßer Zahlungseingang zu verzeichnen sein sollte, "anraten, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen". Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass Rechtsanwältin W. zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderungen beauftragt war und die Frage der Klageerhebung, auch wenn Klageentwürfe eventuell bereits gefertigt gewesen sein sollten, noch der Entscheidung des Auftraggebers vorbehalten war. Ein unbedingter Prozessauftrag war nach Sachlage auch noch nicht geboten, da der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit anwaltlicher Hilfe - Einwendungen gegen die Rechnungen wurden von dem Beklagten nicht erhoben - Aussicht auf Erfolg versprach und somit Grund zu der Annahme bestand, eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden zu können (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.).

Rz. 36

c) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, dass die aus den Verträgen mit den Pflegebedürftigen D., E. und T. resultierenden Vergütungsansprüche als eine einzige Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn (§ 15 RVG) zu behandeln und daher nicht drei gesonderte Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 RVG-VV entstanden seien, sondern allenfalls eine Geschäftsgebühr aus der Summe der Rechnungsbeträge.

Rz. 37

Unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Insbesondere muss - neben einem einheitlichen Auftrag und einem gleichen Tätigkeitsrahmen - zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, d.h. es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln (OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 67, 68; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 15 RVG Rz. 5 ff.; Schneider/Wolf/N. Schneider, RVG, 7. Aufl., § 15 Rz. 22 ff.). Zumindest die letztgenannte Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Beauftragung von Rechtsanwältin W. lagen nicht nur drei getrennte Pflegeverträge, sondern auch drei unterschiedliche sozialhilferechtliche Verfahren zugrunde, die unabhängig voneinander beurteilt werden mussten. Hinsichtlich jedes Hilfeempfängers mussten die Rechtsbeziehungen innerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses gesondert überprüft werden. Dabei war auch festzustellen, ob die abgerechneten Leistungen den Vorgaben aus dem Grund- und Sachleistungsverhältnis entsprachen. Es lagen somit mehrere Angelegenheiten i.S.v. § 15 RVG vor.

Rz. 38

d) Der Einwand der Revision, bei den anwaltlichen Mahnschreiben vom 27.2.2013 habe es sich lediglich um "Schreiben einfacher Art" im Sinne von Nr. 2302 RVG-VV in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung (jetzt Nr. 2301 RVG-VV in der Fassung des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.7.2013, BGBl. I, 2586) gehandelt, so dass nur eine Gebühr von 0,3 hätte angesetzt werden dürfen, trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. Der niedrigere Gebührenrahmen kommt nur in Betracht, wenn der erteilte Auftrag von vornherein keinen über Nr. 2302 RVG-VV a.F. bzw. Nr. 2301 RVG-VV n.F. hinausgehenden Inhalt hatte, sich also auf eine einfache Anfrage oder eine einfache Mahnung oder Zahlungsaufforderung beschränkte (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., VV 2301 Rz. 2; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., RVG-VV 2301 Rz. 2 f.). Der Rechtsanwältin W. erteilte Auftrag war nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, sondern bezog sich auf die vollständige außergerichtliche Geltendmachung der Forderungen der Klägerin und umfasste - wie dargelegt - die eigenständige Überprüfung dreier voneinander unabhängiger Sozialhilfeverfahren.

Rz. 39

e) Die Revision vermag schließlich auch nicht mit der Rüge durchzudringen, das Berufungsgericht sei im Rahmen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu Unrecht von einer Mittelgebühr i.H.v. 1,3 ausgegangen. Der getätigte Aufwand rechtfertige nur den Mindestgebührensatz von 0,5.

Rz. 40

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV beträgt 0,5 bis 2,5. Nach der Anmerkung zu diesem Vergütungstatbestand kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Mindestgebühr von 0,5 kommt nur für denkbar einfachste außergerichtliche Anwaltstätigkeiten in Betracht (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., VV 2300 Rz. 27). Da Letzteres im Streitfall ersichtlich ausscheidet und die Tätigkeit von Rechtsanwältin W. auch nicht deutlich über den Normalfall hinausging, hat das Berufungsgericht zu Recht die Regelgebühr von 1,3 der Honorarberechnung zugrunde gelegt.

 

Fundstellen

BGHZ 2016, 260

NJW 2015, 3782

EBE/BGH 2015

JurBüro 2015, 462

JurBüro 2015, 553

DZWir 2015, 394

JZ 2015, 430

MDR 2015, 754

NJ 2015, 4

VersR 2016, 475

ZfSH/SGB 2015, 450

GesR 2015, 508

AiSR 2015, 225

FMP 2015, 150

FSt 2016, 640

SRA 2015, 209

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