Rz. 6

Abs. 1 Satz 1 übernimmt nunmehr im Wesentlichen inhaltsgleich die bisherige Regelung des § 75 Abs. 3 Satz 1 HS 1. Eine Leistung darf auch künftig unabhängig vom Ort der Leistungserbringung grundsätzlich nur dann erbracht werden, wenn eine Vereinbarung mit einem Träger der Sozialhilfe besteht. Eine Vereinbarung ist nicht erforderlich, soweit die häusliche Pflege gemäß § 63 durch Personen erbracht wird, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird.

Abs. 1 ist weiterhin nur anwendbar, soweit nicht andere speziellere Regelungen vorgehen. Als spezieller in diesem Sinne ist die Erstattungspflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Nothelfer aus § 25 anzusehen, dem gegenüber sich der Sozialhilfeträger folglich weder auf das Fehlen einer Pflegesatzvereinbarung noch einer Vereinbarung nach Abs. 5 berufen darf. Demgegenüber ist § 75 lex specialis zu § 38 SGB IX, wie § 7 Satz 1 SGB IX klar zum Ausdruck bringt.

 

Rz. 7

Mit dem Abschluss individueller Vereinbarungen und der damit zum Ausdruck kommenden Wettbewerbsorientierung sollen nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9522 S. 338) Anreize für eine möglichst kostengünstige Leistungserbringung geschaffen werden. Die Vereinbarung besteht aus einer Leistungs- und einer Vergütungsvereinbarung. Hierbei handelt es sich um jeweils selbständige Teile, die unabhängig voneinander geschlossen werden können.

 

Rz. 8

Bei den Vereinbarungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge i. S. v. §§ 53 ff. SGB X (allg. M.: BVerwG, Urteil v. 30.9.1993, 5 C 41/91; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.1988, 6 S 2157/88; LSG Thüringen, Urteil v. 12.3.2002, L 6 SF 687/00; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.9.2008, L 20 SO 92/06; Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 75 Rz. 20; Münder, in: LPK-SGB XII, a. a. O., § 75 Rz. 30; Neumann, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 75 Rz. 19; Schoenfeld, in: Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 75 Rz. 25). Das gilt unbeschadet der Frage, ob sie mit einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Träger abgeschlossen werden. Die Pflegesatzvereinbarung bindet unmittelbar nur die Vertragspartner. Es handelt sich insbesondere nicht um Verträge zugunsten Dritter, etwa der Leistungsberechtigten. Diese können aus den Pflegesatzvereinbarungen keine Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger oder den Träger der Einrichtung herleiten. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Formulierung, wonach der Sozialhilfeträger die Übernahme der Vergütung zu "übernehmen" hat. Die Vereinbarungen berühren den Hilfeanspruch des Leistungsberechtigten auch im Übrigen nicht. Vielmehr richtet sich dieser allein nach den sozialhilferechtlichen Leistungsvorschriften (BVerwG, Beschluss v. 26.10.2004, 5 B 50/04).

 

Rz. 9

Durch den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung wird der Sozialhilfeträger weder im Verhältnis zum Träger der Einrichtung noch gegenüber den Hilfeempfängern verpflichtet, für eine Belegung der Einrichtung zu sorgen (Neumann, in: Hauck/Noftz, a. a. O., § 75 Rz. 26 m. w. N.). Soweit die Hilfeempfänger keine entsprechenden Wünsche äußern (vgl. § 9 Abs. 2), sind sie in den Einrichtungen unterzubringen, die für ihren Bedarf nach Einschätzung des Sozialhilfeträgers am besten geeignet sind (vgl. OVG Hamburg, Urteil v. 12.9.1980, Bf I 9/79).

 

Rz. 10

Allerdings kommt es zu einer Dritterstreckung der Pflegesatzvereinbarung dann, wenn Sozialhilfe für die in der Einrichtung zu erbringende Leistung als Darlehen gewährt wird. In diesem Fall entsteht der Kostenübernahmeanspruch des Trägers der Einrichtung i. d. R. zu den Bedingungen der Pflegesatzvereinbarung mit der Folge, dass sich der Rückzahlungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Leistungsberechtigten auf dieselbe Höhe beläuft. Das führt dazu, dass die spätere Rückzahlungsverpflichtung die Beträge erfasst, die sich aus zwischen dem Träger der Einrichtung und dem Sozialhilfeträger rückwirkend vereinbarten Pflegesatzerhöhungen ergeben (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 4.9.1995, 7 S 1672/94).

 

Rz. 11

Vereinbarungen nach Abs. 1 sind abstrakt-generelle, d. h. auf eine Vielzahl von möglichen Leistungsfällen zugeschnittene Verträge. Eine aus Anlass eines Einzelfalles getroffene Vereinbarung erfolgt stets nach Maßgabe des Abs. 5.

 

Rz. 12

Die Pflegesatzvereinbarungen nach Abs. 1 bestehen aus zwei Teilvereinbarungen: Im Rahmen einer Leistungsvereinbarung werden Inhalt, Umfang und Qualität der in der Einrichtung zu erbringenden Sozialhilfeleistung festgeschrieben. Im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung wird die dafür vom Sozialhilfeträger zu übernehmende Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt, geregelt.

Die nach bisherigem Recht zusätzlich abzuschließende Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 wird zum 1.1.2020 zugunsten eines gesetzlichen Prüfungsrechts des Trägers der Sozialhilfe gestrichen.

Für die Vereinbarungen nach dem 10. Kapitel ist das Schriftformerfordernis ausdrücklich vorgeschrieben.

 

Rz. 13

Die mit einem Träger der So...

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