Leitsatz (amtlich)

a) Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers zur Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer (hier: Schulvertrag über die Betreuung eines behinderten Kindes) erfolgt in der Regel durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers). Dadurch wird zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.

b) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis gegenüber dem Hilfeempfänger erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§§ 39 Abs. 2, 44 ff. SGB X).

c) Werden der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für Zahlungen des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils v. 7.5.2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260).

 

Normenkette

BGB §§ 414, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2; SGB X § 45 Abs. 2, 4; SGB XII § 53 ff., § 75 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 16.07.2015; Aktenzeichen 14 U 22/15)

LG Osnabrück (Entscheidung vom 04.03.2015; Aktenzeichen 10 O 1371/14)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Oldenburg vom 16.7.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist als Kommunalverband ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Er nimmt den Beklagten, der Träger einer Förderschule ist, auf Erstattung von Kosten in Anspruch, die im Zusammenhang mit der teilstationären Betreuung des mehrfach behinderten Kindes J. -P. P. entstanden sind (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII).

Rz. 2

Nachdem das am 21.2.2002 geborene Kind (im Folgenden auch: Hilfeempfänger) zunächst den heilpädagogischen Sonderkindergarten des Beklagten besucht und der Kläger insoweit die Kosten übernommen hatte, sollte es nach dem Willen seiner Eltern mit Beginn der Schulpflicht in der angrenzenden, ebenfalls vom Beklagten getragenen S. -R. -Schule teilstationär betreut werden. Den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme vom 3.6.2008 lehnte der Kläger mit Bescheid vom 18.7.2008 ab, da die Michaelis-Schule in G. die für den Förderbedarf des Kindes zuständige Einrichtung sei und durch Aufnahme in die S. -R. -Schule unverhältnismäßige Mehrkosten im Rahmen der Sozialhilfe entstehen würden. Gleichwohl erklärte sich der Kläger bereit, dem Kind den Besuch der S. -R. -Schule bis Ende 2008 zu ermöglichen. Für die Zeit danach lehnte er die weitere Betreuung des Kindes ohne gleichzeitige Klärung der Kostenfrage ab.

Rz. 3

Auf Antrag des Kindes verpflichtete das SG den Kläger mit Beschluss vom 24.11.2008 im Wege einstweiliger Anordnung, ab dem 1.1.2009 vorläufig die Kosten des Besuchs der S. -R. -Schule als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 7.5.2009 Sozialhilfe für das Kind und übernahm vorläufig "entsprechend dem Beschluss des SG" für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.5.2009 die Kosten der teilstationären Betreuung. Darüber hinaus wurden die Kosten "vorläufig für jeweils einen weiteren Monat bis zur weiteren Klärung" übernommen. Gleichzeitig wies der Kläger darauf hin, "dass die Übernahme ab dem 1.1.2009 ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO, steht", die Kosten der Betreuung direkt an die Einrichtung bezahlt würden und diese darüber informiert werde. Dementsprechend unterrichtete der Kläger den Beklagten am selben Tag über den Inhalt des Bewilligungsbescheids.

Rz. 4

Auf die Beschwerde des Klägers hob das LSG durch Beschluss vom 17.5.2010 die einstweilige Anordnung des SG auf und wies den Antrag des Kindes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unanfechtbar zurück. Der Kläger teilte dem Beklagten die Entscheidung des LSG mit und beendete die vorläufige Kostenzusage zum 31.5.2010.

Rz. 5

Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 18.5.2011 wies das SG im Hauptsacheverfahren die Klage des Kindes auf Übernahme der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule ab. In der Folgezeit nahm der Kläger unter dem 16.5.2012 den Bescheid zur vorläufigen Kostenübernahme vom 7.5.2009 zurück und ordnete gegenüber dem Kind die Erstattung der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule in der Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2010i.H.v. 35.009,92 EUR an. Mit Bescheid vom 18.5.2012 forderte er den Beklagten unter Berufung auf die Rechtsbeziehungen im sog. "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" ebenfalls zur Rückzahlung der für den Schulbesuch aufgewendeten Kosten "nach allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsrechts" auf, da der Kläger rechtsgrundlos geleistet habe. Am 1.1.2013 begannen die Eltern des Kindes mit der Rückerstattung der gewährten Sozialhilfeleistungen (monatliche Raten von jeweils 250 EUR) an den Kläger.

Rz. 6

Das LG hat die auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten 35.009,92 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Rückerstattungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 9

Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Sozialhilfe i.H.v. 35.009,92 EUR. Dieser Anspruch finde auch im Bereicherungsrecht keine rechtliche Grundlage. Der in der Rechtsprechung des BSG entwickelte Grundsatz eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischen Hilfeempfänger, Sozialleistungsträger und Leistungserbringer führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Danach seien grundlegend zu unterscheiden das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Kind - gesetzlich vertreten durch seine Eltern - als Hilfeempfänger und dem Beklagten als Leistungserbringer sowie das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) zwischen dem Kind als Hilfeempfänger und dem Kläger als Sozialhilfeträger. Untrennbarer Bestandteil der Sachleistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers sei die "Übernahme" der dem Leistungserbringer (Einrichtungen bzw. Dienste i.S.d. § 75 Abs. 1 SGB XII) zustehenden Vergütung. Damit sei eine kumulative Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung gemeint. Der Schuldbeitritt habe dann einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Auf diese Weise trete der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers.

Rz. 10

Der Sozialhilfeträger könne zwar für die Dauer des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses wegen einer "schlichten Zuvielzahlung" mit der von ihm gegenüber dem Leistungserbringer geschuldeten zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung aufrechnen. Denn dabei bewege er sich in demselben rechtlichen Rahmen, wie er auch für den Hilfeempfänger als Vertragspartner des Leistungserbringers gelte. Diesen Rahmen verlasse der Sozialhilfeträger jedoch, soweit er Änderungen des Leistungsanspruchs aufgrund des öffentlich-rechtlichen Grundverhältnisses geltend mache. Dann habe eine Rückabwicklung ausschließlich im Grundverhältnis nach §§ 45, 48 SGB X zu erfolgen. Weitergehende Rechte auf Rückzahlung stünden dem Sozialhilfeträger nach Beendigung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht zu. Da der Leistungserbringer nicht gleichzeitig dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialleistungsträger beitrete, könne er für überzahlte Sozialhilfe nicht unter dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs oder des privatrechtlichen Bereicherungsrechts in Anspruch genommen werden.

Rz. 11

Für dieses Ergebnis spreche auch eine Gesamtbetrachtung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses in all seinen Auswirkungen. Könnte sich der Sozialhilfeträger im Falle einer Änderung des Leistungsanspruchs im Grundverhältnis beim Leistungserbringer nach Bereicherungsrecht schadlos halten, würden die sonst vom Sozialhilfeträger im Fall einer Rückforderung gegenüber dem Sozialhilfeempfänger zu beachtenden Regeln über die Rücknahme bzw. den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten nach §§ 44 ff. SGB X unterlaufen (insb. § 45 Abs. 2, 4 SGB X). Es komme hinzu, dass die Bejahung eines Rückforderungsanspruchs des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer in den Fällen einer Überzahlung der Eingliederungshilfe im Grundverhältnis stets dazu führen würde, dass der Leistungserbringer ohne Planungssicherheit im Rahmen einer Kalkulation der dienstvertraglichen Entgelte Vereinbarungen (nach § 75 Abs. 3 SGB XII) mit dem Sozialleistungsträger schließen müsste, ohne zu wissen, ob er das vereinbarte Entgelt trotz erbrachter Leistung später wieder zurückzahlen müsse. Soweit das Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger - wie vorliegend - durch eine einstweilige Anordnung des SG inhaltlich bestimmt werde, stehe dem Leistungserbringer die Entscheidung zur Aufnahme des Hilfeempfängers in seiner Einrichtung nicht frei.

II.

Rz. 12

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 13

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zu. Er kann nach Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 7.5.2009 mit Wirkung für die Vergangenheit die in dem Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2010 rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Dabei sind jedoch vom Hilfeempfänger bereits erstattete Beträge gem. § 422 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen, da dieser neben dem Beklagten als Gesamtschuldner haftet.

Rz. 14

1. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger als Sozialhilfeträger und dem Beklagten als Leistungserbringer im Rahmen des Schulverhältnisses ist zivilrechtlich zu beurteilen. Ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen des Sozialhilfeträgers sind nach Maßgabe der §§ 812 ff. BGB auszugleichen.

Rz. 15

a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der sozialen Dienste und Einrichtungen (§ 75 Abs. 1 SGB XII) durch das sog. sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen und unterschiedlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Dienst, Einrichtung) beschreibt (grundlegend BSGE 102, 1 Rz. 15 ff.). Die Besonderheit und zugleich Schwierigkeit bei der Beurteilung von Ansprüchen der im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis verbundenen Beteiligten besteht darin, dass die im Leistungsdreieck zusammengefassten Beziehungen unterschiedlicher Rechtsnatur sind.

Rz. 16

aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt (hier: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff. SGB XII). Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhältnis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen des sozialhilferechtlichen Dreiecks. Diese dienen der Erfüllung der Ansprüche im Grundverhältnis. Das Grundverhältnis an sich und die dieses Verhältnis prägenden Vorschriften sind daher bei der Auslegung der übrigen Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (Ausstrahlungswirkung des Grundverhältnisses). Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen (Anspruch auf Sachleistungsverschaffung; BGH, Urt. v. 7.5.2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 Rz. 21; Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 SGB XII Rz. 32, 38; Eicher, SGb 2013, 127, 128). Das gesetzliche Regelungskonzept geht somit davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm (im Rahmen seiner Sachleistungsverschaffungspflicht/Gewährleistungsverantwortung) obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet (BSG, NVwZ-RR 2015, 501 Rz. 14; vgl. auch BSGE, a.a.O., Rz. 19 f.).

Rz. 17

bb) Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen Ersterem und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, aufgrund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie ggf. Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches Erfüllungsverhältnis als zivilrechtliche Seite des sozialhilferechtlichen Dreiecks; hier: Schulvertrag mit dem Beklagten als Träger der S. -R. -Schule). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im Grundverhältnis - durch Vergütungsübernahme - decken muss (Senat, Urt. v. 7.5.2015, a.a.O., Rz. 22; Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 34; Eicher, a.a.O.).

Rz. 18

cc) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Sozialhilfeträgern werden in ihrem Rahmen durch die öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (öffentlich-rechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis; Senatsurteil vom 7.5.2015, a.a.O., Rz. 23; Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 36; Eicher, a.a.O.) bestimmt. Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird den Hilfeempfängern die Sozialleistung verschafft (BGH, a.a.O.; BSGE 102, 1 Rz. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das Grundverhältnis und beeinflussen ("überlagern") das Erfüllungsverhältnis (Senat, Urt. v. 7.5.2015, a.a.O., Rz. 23, 26; Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 36, 40). Das zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer bestehende Sachleistungsverschaffungsverhältnis verbindet somit das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis und das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis zu einer dreiseitigen Rechtsbeziehung.

Rz. 19

b) Nach dem Gesetzeskonzept ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung (vgl. § 75 Abs. 3 SGB XII) untrennbarer ergänzender Bestandteil der Sachleistungsverschaffungspflicht des Trägers der Sozialhilfe.

Rz. 20

aa) Rechtlich geschieht dies - bei unverändert fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im Erfüllungsverhältnis geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme). Der Sozialhilfeträger tritt der Zahlungsverpflichtung des bedürftigen Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer und somit einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dem Leistungserbringer bei. Dabei wird der Schuldbeitritt in dem im öffentlich-rechtlichen Grundverhältnis ergehenden Bewilligungsbescheid über die Sozialhilfeleistung erklärt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers) nach § 31 SGB X (BGH, Urt. v. 7.5.2015, a.a.O., Rz. 24; s. auch BSGE 102, 1 Rz. 22 ff.; BSG, BeckRS 2014, 68095 Rz. 7 und NVwZ 2015, 501 Rz. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.2.2011 - L 1 SO 33/09, BeckRS 2011, 69866 = juris Rz. 26; Bayerisches LSG, Beschl. v. 26.11.2012 - L 18 SO 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rz. 15 ff.; Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 42, 46).

Rz. 21

bb) Der Schuldbeitritt hat sowohl einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger als auch einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers (Senat, Urt. v. 7.5.2015, a.a.O.). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers beitritt und der Leistungserbringer aufgrund dieses Schuldbeitritts direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im Erfüllungsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (BGH, Urt. v. 6.11.2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rz. 14 und vom 7.5.2015, a.a.O.; BGH, Urt. v. 16.10.2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rz. 23; BGH v. 17.9.2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rz. 15 und III ZB 50/08, BeckRS 2008, 21300 Rz. 16).

Rz. 22

cc) Da der Sozialhilfeträger somit durch den Schuldbeitritt Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung wird, ist die Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Grundverhältnis über die Schuldmitübernahme (Bewilligungsbescheid) als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren (vgl. Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 46 m.w.N.), der zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung entstehen lässt, so dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers begründet - wie Garantie oder Bürgschaft - eine eigene Schuld und stellt diese neben die des Schuldners. Zahlt der Beitretende an den Gläubiger, leistet er in der Regel auf diese Verpflichtung. Besteht sie nicht, hat er einen Anspruch aus Leistungskondiktion gegen den Gläubiger (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 812 Rz. 83 zur Konstellation bei der Bürgschaft). Die Schuld des Beitretenden ist nicht akzessorisch zur Haupt-/Urschuld. Nach Inhalt und Umfang bemisst sie sich lediglich in der Sekunde ihrer Begründung (hier: durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) nach der Haupt-/Urschuld. Ab diesem Zeitpunkt liegen Einzelverpflichtungen vor, die nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff. BGB vorliegt (Bydlinski in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., Vor § 414 Rz. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Überblick vor § 414 Rz. 7; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2012, § 414 Rz. 25).

Rz. 23

c) Aus den zu dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entwickelten Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass der Beklagte durch den Leistungsbescheid vom 7.5.2009 in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des hilfebedürftigen Kindes aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Schulvertrag beigetreten ist. Aufgrund dieses Beitritts ist der Beklagte als Leistungserbringer Gläubiger eines den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruchs gegen den Kläger als Gesamtschuldner geworden. Soweit das Berufungsgericht meint, der Bewilligungsbescheid vollziehe nur die einstweilige Anordnung vom 24.11.2008 und weise keinen eigenständigen Regelungscharakter i.S.d. § 31 SGB X auf, werden sowohl die privatrechtsgestaltende Drittwirkung des Bescheids als auch der Umstand außer Acht gelassen, dass die zu erbringenden Sozialhilfeleistungen durch den Bescheid näher konkretisiert wurden (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 Rz. 53).

Rz. 24

2. Durch die rückwirkende Aufhebung der Sozialhilfebewilligung mit Bescheid des Klägers vom 16.5.2012 ist der Rechtsgrund für die in dem Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.5.2010 an den Beklagten geleisteten Zahlungen nachträglich weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).

Rz. 25

a) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht entgegen der der Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Annahme, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§§ 39 Abs. 2, 44 ff. SGB X). Die Wirksamkeit des Schuldbeitritts hängt somit vom Schicksal des Bewilligungsbescheids ab. Um von seiner zivilrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer frei zu werden, muss der Sozialhilfeträger den Bewilligungsbescheid insgesamt, d.h. auch den darin enthaltenen Schuldbeitritt, nach §§ 44 ff. SGB XII aufheben (Jaritz/Eicher, a.a.O., Rz. 49). Insoweit strahlt das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis auf das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis aus, da der Schuldbeitritt aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Bewilligungsbescheids erfolgte. Ohne eine Entscheidung im Grundverhältnis nach §§ 44 ff. SGB X bleibt der Schuldbeitritt grundsätzlich bindend. Soweit der Bewilligungsbescheid nicht widerrufen oder zurückgenommen ist, können Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Leistungserbringer deshalb nicht nach Bereicherungsrecht mit der Begründung zurückgefordert werden, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung seien nicht erfüllt. Werden hingegen der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für die Zahlungen des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid - ausnahmsweise - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 Satz 1 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen.

Rz. 26

b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Sozialhilfebewilligung nebst Schuldbeitritt mit gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Beklagten bestandskräftigem Bescheid vom 16.5.2012 (in Verbindung mit dem Bescheid an den Beklagten vom 18.5.2012) gemäß 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Dies erfolgte mit Wirkung für die Vergangenheit, wie sich insb. daraus ergibt, dass sowohl der Hilfeempfänger als auch der Beklagte auf Erstattung der seit dem 1.1.2009 geleisteten Zahlungen in Anspruch genommen wurden.

Rz. 27

3. Auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann der Beklagte sich nicht berufen (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er durfte nicht darauf vertrauen, dass die im vorläufigen Rechtsschutz erstinstanzlich ergangene Entscheidung, auf der der Bewilligungsbescheid beruhte, im Rechtsmittelverfahren und später im Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Der Bescheid ist zudem unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung ergangen (vgl. BSG, Urt. v. 31.10.1991 - 7 RAr 60/89, juris Rz. 29 f.; KassKomm/Steinwedel, SGB X, 88. EL Dezember 2015, § 50 Rz. 39; Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rz. 22, 49). Es kommt hinzu, dass der Beklagte den Schulvertrag in Kenntnis der ungesicherten Finanzierung und vor Erlass der einstweiligen Anordnung vom 24.11.2008 abgeschlossen hat, also bewusst auf Planungssicherheit verzichtete.

Rz. 28

4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Frage, ob der Leistungserbringer und der Hilfeempfänger als Gesamtschuldner nach § 421 BGB haften, offen gelassen. Dies ist zu bejahen. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 bzw. § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 SGB X gegen den Hilfeempfänger stehen gleichstufig nebeneinander. Denn nach den Grundsätzen des sozialhilferechtlichen Dreiecks hat der Kläger seine gegenüber dem Hilfeempfänger bestehende Sachleistungsverschaffungspflicht dadurch erfüllt, dass er das aus dem Schulvertrag geschuldete Entgelt an den Beklagten gezahlt hat. Der Hilfeempfänger hat wiederum eine diesen Zahlungen entsprechende Sachleistung erhalten, ohne das hierfür vereinbarte Entgelt entrichten zu müssen. Die Gleichstufigkeit der Rückerstattungsverpflichtungen ergibt sich daraus, dass der Beklagte und der Hilfeempfänger in gleichem Umfang bereichert und beide zur Rückzahlung verpflichtet sind, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär oder vorläufig für die andere Verbindung einstehen muss. Insoweit wird ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse befriedigt (vgl. BGH, Urt. v. 22.12.2011 - VII ZR 7/11, NJW 2012, 1071 Rz. 18; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 421 Rz. 7 m.w.N.). Unerheblich ist, dass der Beklagte zivilrechtlich haftet, während sich die Haftung des Hilfeempfängers nach öffentlichem Recht richtet (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., Rz. 10).

Rz. 29

Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt gem. § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner. Die von den Eltern des Hilfeempfängers seit dem 1.1.2013 erstatteten Beträge kommen deshalb auch dem Beklagten zugute (§ 362 Abs. 1 BGB). Zur konkreten Höhe dieser Zahlungen fehlen bislang nähere Feststellungen.

III.

Rz. 30

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das OLG hat nunmehr insb. die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der bislang geleisteten Rückzahlungen nachzuholen und auf dieser Grundlage zu beurteilen, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten noch besteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9258919

BGHZ 2017, 316

NJW 2016, 2734

FamRZ 2016, 977

DÖV 2016, 740

JZ 2016, 374

MDR 2016, 872

VersR 2017, 1157

ZfF 2017, 45

ZfSH/SGB 2016, 424

KommP BY 2017, 155

SRA 2016, 157

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