Rz. 99

Wird über das Vermögen eines Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, sind die Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) maßgeblich dafür, inwieweit der Arbeitnehmer seine Ansprüche noch durchsetzen kann. Ab 1.1.1999 ist die InsO vollständig in Kraft getreten.[1]

[1] Zu den Regelungen der Konkursordnung (KO) und des Gesamtvollstreckungsverfahrens (GesO) s. Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 1 BUrlG, Rz. 169 ff.; Schütz, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, 1999, Rz. 939 ff.

9.1 Urlaubsanspruch

 

Rz. 100

Wird das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgesetzt, ist der Insolvenzverwalter Schuldner des bei Verfahrenseröffnung noch nicht gewährten Urlaubs (§§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO[1]). Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung nach dem BUrlG bleibt von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.[2] Masseforderungen sind auch solche Urlaubsansprüche, die aus Kalenderjahren vor der Insolvenzeröffnung stammen.[3]

Dasselbe gilt, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht endgültig eröffnet ist, aber ein sogenannter "starker vorläufiger Insolvenzverwalter" nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO, 22 Abs. 1 InsO bestellt worden ist, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist.[4] Soweit dieser starke vorläufige Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, ihn also nicht freistellt, muss er für sämtliche Urlaubsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einstehen (§ 55 Abs. 2 InsO).

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer ist seit mehreren Jahren bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Aus dem Jahr 2019 werden 10 Tage Urlaub in das Jahr 2020 übertragen, weil der Arbeitnehmer aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage war, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Am 1.2.2020 wird über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter setzt das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fort.

Lösung

Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall ein Urlaubsanspruch von insgesamt 34 Urlaubstagen zu: 10 Tage Resturlaub aus dem Jahr 2019 und 24 Tage Urlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG) für das Jahr 2020. Unerheblich ist, dass 10 Tage aus dem Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen. Die Masse wird auch mit diesen Urlaubsansprüchen belastet. Es findet auch für die Ansprüche im laufenden Kalenderjahr 2019 keine Reduzierung auf anteilige Ansprüche gemessen an der Dauer des Arbeitsverhältnisses nach der Insolvenzeröffnung – hier: 11/12 von 24 Urlaubstagen – statt.

9.2 Urlaubsabgeltung

 

Rz. 101

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist eine Masseforderung, wenn das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet.[1] Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sind nur Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

 
Achtung

Dasselbe gilt für den Zeitraum vor der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn ein Arbeitnehmer vom (starken vorläufigen) Insolvenzverwalter[2] zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO[3]).

Urlaubsabgeltungsansprüche sind insolvenzrechtlich wie Urlaubsansprüche zu behandeln. Es sind deshalb auch solche Urlaubsansprüche abzugelten, die aus Kalenderjahren vor der Insolvenzeröffnung stammen. Denn für die Beurteilung, wann der Urlaubsabgeltungsanspruch zu erfüllen ist, kommt es auf dessen Entstehenszeitpunkt an. Nach der Rechtsprechung des BAG zur Insolvenzordnung[4] ist hinsichtlich dieses Entstehungszeitpunkts auf das materielle Recht abzustellen. Danach setzt der Urlaubsabgeltungsanspruch voraus, dass der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG[5]). Er entsteht also erst zu diesem Zeitpunkt und ist daher nach Insolvenzeröffnung durch den Verwalter als Masseforderung zu erfüllen, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Insolvenzeröffnung endet. Das folgt auch aus der insolvenzrechtlichen Behandlung des Urlaubsanspruchs. Dieser bleibt als Anspruch auf Freistellung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.[6] Ebenso wie sich beim Urlaubsanspruch eine rechnerische Zuordnung bestimmter Urlaubstage auf Zeitpunkte vor oder nach Eröffnung der Insolvenz verbietet, gilt dies auch bei der Urlaubsabgeltung.[7] Es kommt deshalb auch nicht mehr darauf...

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