Voraussetzung für erste Tätigkeitsstätte

Immer wieder gilt es für Einzelfälle zu entscheiden, wo die erste Tätigkeitsstätte liegt. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs ist das für einen Gerichtsvollzieher dessen Amtssitz. Damit können Fahrtkosten nur eingeschränkt steuerlich geltend gemacht werden.

Für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte können Arbeitnehmer die Kosten im Rahmen der Entfernungspauschale von 0,30 Euro je Entfernungskilometer in ihrer Steuererklärung geltend machen. (Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag Erhöhung der Entfernungspauschale ab 2021). Steuerfreie Erstattungen durch den Arbeitgeber sind – ab 2019 mit Ausnahme der sogenannten Jobtickets – ausgeschlossen. Besonders die Frage, ob Fahrtkosten steuerlich mit der Entfernungspauschale geltend gemacht werden können oder ob möglicherweise Reisekosten vorliegen, sorgt immer wieder für Differenzen mit dem Finanzamt.

Fahrt zur Arbeit: Reisekosten oder Entfernungspauschale? 

Im aktuellen Urteilsfall (BFH Urteil vom 16.12.2020 - VI R 35/18) war streitig, ob in Anwendung des ab 2014 geltenden neuen steuerlichen Reisekostenrechts Fahrtkosten eines Gerichtsvollziehers von seinem Wohnort zu seinem Amtssitz als Reisekosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar sind. 

Im Gerichtsbezirk unterhielt der Kläger in unmittelbarer Nähe zum Amtsgericht zusammen mit sieben weiteren Gerichtsvollziehern auf eigene Kosten ein Gemeinschaftsbüro mit vier Bürozimmern. Der BFH hat entscheiden, dass die vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind. Denn der Kläger hatte in dem Streitjahr seine erste Tätigkeitsstätte an seinem Amtssitz in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts sowie in dem von ihm angemieteten Geschäftszimmer.

Das oberste Steuergericht hat damit im Ergebnis die Vorentscheidung bestätigt ( Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 23.07.2018 - 10 K 1935/17).

Definition einer ersten Tätigkeitsstätte

Erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der jeweilige Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dauerhaft zugeordnet ist. 

Die Dienstgebäude des Amtsgerichts sind eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, hier des Landes Baden-Württemberg. Neben den Dienstgebäuden gehört auch das vom Kläger zusammen mit anderen Gerichtsvollziehern angemietete Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) zu der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers.

Zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung

Zwar haben der Kläger und die anderen Gerichtsvollzieher das Gemeinschaftsbüro angemietet und nutzen es dementsprechend aus eigenem Recht für ihre berufliche Tätigkeit. Gleichwohl ist es dem Dienstherren/Arbeitgeber angesichts der besonderen öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses eines Gerichtsvollziehers als betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers zuzurechnen. 

Die Dienstgebäude und das am selben Ort angemietete Geschäftszimmer des Klägers stehen auch in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Sie stellen daher eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar. Die Bürotätigkeit des Klägers erstreckte sich damit sowohl auf das Geschäftszimmer der Verteilungsstelle im Amtsgericht als auch auf das von ihm auf eigene Kosten in räumlicher Nähe angemietete Geschäftszimmer, was die steuerliche Behandlung der beiden Räumlichkeiten als eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers rechtfertigt. 

Erste Tätigkeitsstätte: Zuordnung erfolgt

Die Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG). Der Kläger war dieser Tätigkeitsstätte, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts und dem angemieteten Geschäftszimmer, nach den bestehenden dienstrechtlichen Vorschriften zugeordnet. 

Ausreichender Tätigkeitsumfang

Daneben ist aber ein gewisses Tätigwerden an der vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte erforderlich. Ausreichend ist, dass ein Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er/sie arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zum ausgeübten Berufsbild gehören (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, IV C 5 - S 2353/19/10011 :006; BStBl 2020 I, S. 1228, Randziffer 9 mit weiteren Nachweisen). 

Auch im aktuellen Urteilsfall ist der Kläger dort in dem für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte hinreichendem Umfang tätig geworden. Er hat vier- bis fünfmal die Woche seine Vollstreckungsaufträge aus dem Abholfach der Verteilungsstelle abgeholt. Zudem hat er zweimal die Woche für jeweils eine Stunde Bürozeiten im Geschäftszimmer abgehalten.

Weiträumiges Arbeitsgebiet spielt keine Rolle 

Sowohl die Kläger als auch das Finanzgericht in der Vorentscheidung hatten die Frage aufgeworfen, ob der dem Kläger zugeschlagene Gerichtsvollzieherbezirk ein sogenanntes weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Nach dem Urteil des BFH bedarf es dazu keiner Antwort. Denn die Frage stellt sich nur, wenn der Betroffene - anders als der Kläger im Streitfall - über keine erste Tätigkeitsstätte verfügt. 

Mit ähnlicher Begründung hatte der BFH auch schon bei Zustellern und Werksbahnlokführern die Diskussion abgeräumt. Einzig den Hamburger Hafen hat ein Finanzgericht kürzlich als weiträumiges Arbeitsgebiet anerkannt. Dazu erfahren Sie mehr im Beitrag: Schon wieder neue Urteile zur ersten Tätigkeitsstätte.